21.01.2022

Regelung in EZVK-Satzung über die interne Teilung eines Anrechts aus der Pflichtversicherung in den Tarif der freiwilligen Versicherung

Eine von einem Versorgungsträger mitgeteilte und unter (hier offengelassenem) Verstoß gegen Verfassungsrecht gebildete sog. Startgutschrift für rentenferne Versicherte kann ausnahmsweise die Grundlage für die Durchführung der internen Teilung eines Anrechts sein. Voraussetzung dafür ist, dass der hinsichtlich dieses Anrechts ausgleichsberechtigte Ehegatte bereits Rentenleistungen bezieht, auf den Wertausgleich des Anrechts aus wirtschaftlichen Gründen dringend angewiesen ist, der Gesichtspunkt der Unabänderlichkeit der Ausgleichsentscheidung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise dahinter zurücktritt und der ausgleichsberechtigte Ehegatte die Unwirksamkeit der Übergangsvorschriften nicht geltend gemacht hat.

BGH v. 1.12.2021 - XII ZB 304/20
Der Sachverhalt:
Die Beteiligte zu 1) (Evangelische Zusatzversorgungskasse: EZVK) wendet sich gegen den durchgeführten Versorgungsausgleich hinsichtlich des bei ihr bestehenden Anrechts der Antragsgegnerin. Der im Juli 1955 geborene Antragsteller (Ehemann) und die im Februar 1959 geborene Antragsgegnerin (Ehefrau), die beide italienische Staatsangehörige sind, heirateten im November 1979. Auf im September 2004 zugestellten Antrag löste das AG die Ehe der Beteiligten nach italienischem Recht auf.

Auf den im vorliegenden Verfahren im Jahr 2014 vom Ehemann eingereichten Antrag regelte das AG den Versorgungsausgleich. In der gesetzlichen Ehezeit (1979 bis 2004) haben beide Ehegatten Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, die vom AG insoweit rechtskräftig ausgeglichen wurden. Daneben hat die Ehefrau ein Anrecht in der kirchlichen Zusatzversorgung bei der EZVK erworben. Die EZVK gab den Ehezeitanteil des Anrechts, der auch eine sog. Startgutschrift für die vor Januar 2002 erworbenen Anwartschaftsbestandteile umfasst, mit 40,65 Versorgungspunkten an. Hinsichtlich des Ausgleichswerts schlug der Versorgungsträger vor, diesen mit 14,64 Versorgungspunkten (korrespondierender Kapitalwert: rd. 7.000 €) zu bestimmen. Obwohl das Anrecht in der Pflichtversicherung erworben wurde, verlangte die EZVK die interne Teilung des Anrechts in den Tarif ihrer freiwilligen Versicherung. Sie berief sich hierbei auf § 44 Abs. 3 ihrer Satzung, die Folgendes regelt:

"Wird vom Familiengericht für die ausgleichsberechtigte Person ein Anrecht übertragen, erwirbt die ausgleichsberechtigte Person bezogen auf das Ende der Ehezeit ein von einer eigenen Pflicht- oder freiwilligen Versicherung unabhängiges Anrecht in der freiwilligen Versicherung nach Maßgabe der jeweils geltenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen und gilt als beitragsfrei versichert."

Das AG teilte das Anrecht der Ehefrau bei der EZVK mit einem Ausgleichswert von 18,76 Versorgungspunkten zugunsten des Ehemanns intern und ordnete an, dass die Teilung "nach Maßgabe des § 44 der Satzung der EZVK" erfolgt. Das OLG änderte die Entscheidung dahingehend ab, dass zugunsten des Ehemanns 18,35 Versorgungspunkte übertragen werden; zudem ordnete es an, dass für "das Anrecht des Antragstellers [...] die Regelungen über das Anrecht der Antragsgegnerin entsprechend" gelten. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der EZVK, mit der sie weiterhin die Teilung des Anrechts entsprechend ihrem Teilungsvorschlag begehrt, hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Dem OLG ist darin zuzustimmen, dass § 44 Abs. 3 der Satzung der EZVK wegen Verstoßes gegen das Gebot der gleichwertigen Teilhabe i.S.d. § 11 Abs. 1 VersAusglG der vorliegenden Ausgleichsentscheidung nicht zugrunde gelegt werden darf. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, kann diese Regelung, nach der eine interne Teilung eines Anrechts aus der Pflichtversicherung in den Tarif der freiwilligen Versicherung zu erfolgen hat, dazu führen, dass für die ausgleichsberechtigte Person kein Anrecht in Höhe des Ausgleichswerts mit vergleichbarer Wertentwicklung gem. § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VersAusglG entsteht. Davon kann mangels entgegenstehender Anhaltspunkte regelmäßig ausgegangen werden, weil der freiwilligen Versicherung konservativere Rechnungsgrundlagen für die Ermittlung der Ausgleichsrente des Berechtigten zugrunde liegen, als sie bei der Berechnung des Ausgleichswerts zur Anwendung kommen. Auch im vorliegenden Fall gewährleistet § 44 Abs. 3 der Satzung der EZVK keine vergleichbare Wertentwicklung der Renten.

Das OLG hat auch zu Recht entschieden, dass der Durchführung des Versorgungsausgleichs auch mit Blick auf die von der EZVK für das Anrecht der Ehefrau mitgeteilte Startgutschrift keine verfassungsrechtlichen Gründe entgegenstehen. Dabei kann dahinstehen, ob wie das OLG meint die in §§ 72 f. mit der 16. Änderungssatzung der EZVK vom 10.10.2018 (Amtsblatt der EKD 2019, 105 abrufbar unter www.ezvk.de) neu gefassten Übergangsvorschriften für rentenferne Versicherte, die infolge der zum 1.1.2002 erfolgten Umstellung der Versorgung von einem endgehaltsbezogenen Gesamtversorgungssystem auf ein auf dem Erwerb von Versorgungspunkten beruhendes Betriebsrentensystem eingeführt worden sind, einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhalten. Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, stünde dies im vorliegenden Fall der Durchführung des Versorgungsausgleichs ausnahmsweise nicht entgegen.

Zwar darf nach der Rechtsprechung des Senats ein von einem Versorgungsträger mitgeteilter und anhand verfassungswidriger Satzungsbestimmungen ermittelter Wert einer Startgutschrift grundsätzlich nicht die Grundlage für eine gerichtliche Regelung sein oder durch eine individuelle Wertberechnung ersetzt werden. Deshalb ist in einem solchen Fall das Verfahren zum Versorgungsausgleich regelmäßig bis zu einer Neuregelung der Berechnungsgrundlage auszusetzen.

Der Senat hat bislang aber ausdrücklich offengelassen, ob die Durchführung der internen Teilung eines solchen Anrechts in jedem denkbaren Fall bis zur Neuregelung der Satzung unterbleiben muss. Wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte bereits Rentenleistungen bezieht, kann er auf den Wertausgleich des Anrechts unter Einbeziehung einer nur unverbindlich erteilten Startgutschrift aus wirtschaftlichen Gründen dringend angewiesen sein. Zwar ist eine nachträgliche Abänderung der Entscheidung zur Teilung von Anrechten der Zusatzversorgung des öffentlichen bzw. kirchlichen Dienstes gem. § 225 Abs. 1 FamFG nicht mehr möglich. Aber auch der Gesichtspunkt der Unabänderlichkeit der Ausgleichsentscheidung kann für einen im Rentenbezug stehenden Ausgleichsberechtigten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ggf. zurücktreten, zumal sich eine Korrektur der Übergangsbestimmungen für rentenferne Versicherte möglicherweise nur geringfügig auswirkt. Deshalb kann die Geltendmachung der Unwirksamkeit einer solchen Übergangsvorschrift wegen des eintretenden Versorgungsverlusts, der durch die Verzögerung des Eintritts der Rechtskraft der Entscheidung zum Versorgungsausgleich entsteht, für einen Ausgleichsberechtigten wirtschaftlich nicht sinnvoll sein. So liegen die Dinge hier.

Mehr zum Thema:

  • Kurzbeitrag: BGH: Abänderung gem. § 51 VersAusglG nach dem Tod des ausgleichsberechtigten Ehegatten (FamRB 2022, R7)
  • Kurzbeitrag: BGH: (Weitere) Abänderung einer nach § 27 VersAusglG ergangenen Härtefallregelung (FamRB 2022, R7)
  • Literatur: Helmut Borth, Versorgungsausgleich (S. 18)
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