24.02.2012

Regelungen zur Speicherung und Verwendung von Telekommunikationsdaten sind teilweise verfassungswidrig

Die Regelungen des Telekommunikationsgesetzes zur Speicherung und Verwendung von Telekommunikationsdaten sind teilweise verfassungswidrig. So verletzt die Regelung des § 113 Abs. 1 S. 2 TKG zur Auskunftsberechtigung von Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden sowie Nachrichtendienste hinsichtlich Passwörtern oder PIN-Codes das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.

BVerfG 24.1.2012, 1 BvR 1299/05
Der Sachverhalt:
Die Beschwerdeführer nutzen vorausbezahlte Mobilfunkkarten sowie Internetzugangsdienste und machten geltend, durch die Speicherung ihrer Daten und deren mögliche Übermittlung im Rahmen der Auskunftsverfahren in ihren Grundrechten aus Art. 10 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 sowie aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt zu sein. Es sei nicht unwahrscheinlich, dass mit ihnen bekannte Personen in ein Ermittlungsverfahren verwickelt und in dessen Verlauf die Rufnummern der Beschwerdeführer überprüft würden. Sie erlangten von Abfragen nach den §§ 112 und 113 TKG keine Kenntnis. Auskunft bei allen nach diesen Regelungen abfrageberechtigten Behörden einzuholen, sei ihnen nicht zumutbar.

Die Regelungen der §§ 111 bis 113 TKG seien nicht mit der Speicherung und Übermittlung anderer Daten, wie Konto-Stammdaten, Einwohnermeldedaten und Daten aus den Kraftfahrzeugregistern, zu vergleichen. Die Regelung des § 113 TKG sei vor allem bei der Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen im Internet anhand dynamischer IP-Adressen praxisrelevant.

Das BVerfG hielt die Verfassungsbeschwerde teilweise für begründet.

Die Gründe:
Die Erhebung und Speicherung von Telekommunikationsdaten nach § 111 TKG sowie ihre in § 112 TKG geregelte Verwendung im automatisierten Auskunftsverfahren sind verfassungsgemäß. Der hierdurch bewirkte Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nur von begrenztem Gewicht und angesichts der erstrebten Verbesserung der staatlichen Aufgabenwahrnehmung gerechtfertigt. Für den Abruf der Daten durch die Behörden setzt § 112 TKG dem "Doppeltürenmodell" entsprechend eine eigene Ermächtigungsgrundlage voraus, wobei die allgemeinen Datenerhebungsvorschriften der jeweils auskunftsberechtigten Behörden ausreichen.

Unverhältnismäßig ist die Vorschrift nach dem derzeitigen Stand der technischen Entwicklung und Praxis auch nicht insoweit, als sie unter Umständen die Identifizierung von statischen IP-Adressen ermöglicht. Denn da diese zum gegenwärtigen Zeitpunkt in aller Regel nur Institutionen und Großnutzern, nicht aber privaten Nutzern als Einzelkunden zugewiesen werden, hat die Möglichkeit der Abfrage solcher Nummern nur geringes Gewicht. Allerdings trifft den Gesetzgeber insoweit eine Beobachtungs- und gegebenenfalls Nachbesserungspflicht. Die dynamischen IP-Adressen sind von § 111 TKG jedoch nicht umfasst, sodass § 112 TKG diesbezüglich eine Deanonymisierung nicht ermöglicht.

Keinen Erfolg hat die Verfassungsbeschwerde auch insoweit, als sie sich gegen die in § 113 Abs. 1 S. 1 TKG enthaltene Regelung zur Erteilung allgemeiner Auskünfte durch die Telekommunikationsdiensteanbieter im manuellen Auskunftsverfahren richtet. Die Vorschrift ist verfassungskonform so auszulegen, dass es für den Datenabruf spezieller fachrechtlicher Ermächtigungsgrundlagen bedarf. Zudem berechtigt sie nicht zu einer Zuordnung von dynamischen IP-Adressen. Für eine Übergangszeit, längstens bis zum 30.6.2013, darf die Vorschrift unabhängig von diesen Maßgaben angewendet werden.

Dagegen ist § 113 Abs. 1 S. 2 TKG mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht vereinbar. Die Regelung betrifft die Zugangssicherungscodes (Passwörtern und PIN-Codes), die den Zugang zu Endgeräten sichern und damit die Betreffenden vor einem Zugriff auf die entsprechenden Daten bzw. Telekommunikationsvorgänge schützen. Der Zugriff auf diese Daten ist jedoch in dem Umfang, wie ihn § 113 Abs. 1 S. 2 TKG regelt, für die effektive Aufgabenwahrnehmung dieser Behörden nicht erforderlich. Die Erhebung der Zugangsdaten ist mit Blick auf die dort verfolgten Zwecke nur dann erforderlich, wenn auch die Voraussetzungen von deren Nutzung gegeben sind. Dies stellt die Regelung des § 113 Abs. 1 S. 2 TKG in ihrer derzeitigen Fassung allerdings nicht hinreichend sicher.

Die Vorschrift gilt jedoch übergangsweise, längstens bis zum 30.6.2013 mit der Maßgabe fort, dass die Sicherungscodes nur unter den Bedingungen erhoben werden dürfen, unter denen sie nach den jeweils maßgeblichen Vorschriften (etwa denen des Strafprozessrechts) auch genutzt werden dürfen.

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BVerfG PM Nr. 13 vom 24.2.2012
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