24.07.2023

Rückruf i.S.v. § 140a Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 PatG

Der Rückruf i.S.v. § 140a Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 PatG ist im Allgemeinen als unvertretbare Handlung nach § 888 ZPO zu vollstrecken. Eine für den Rückrufanspruch hinreichende Möglichkeit weiteren Vertriebs kann sich daraus ergeben, dass es nach den Umständen denkbar ist, dass ein durch den gewerblichen Abnehmer mit dem schutzrechtsverletzenden Erzeugnis versehener Gegenstand durch diesen veräußert wird (wie hier eine Immobilie, in der verletzende Aluminiumdielen als Bodenbelag verbaut wurden).

OLG Karlsruhe v. 18.7.2023 - 6 W 30/23
Der Sachverhalt:
Das LG hatte u.a. die hiesigen Vollstreckungsschuldnerinnen auf die - auf behauptete Patentverletzung beim Vertrieb des Produkts "A[...]-Diele" als "Outdoor-Aluminiumboden" gestützte - Klage der Vollstreckungsgläubigerin mit rechtskräftigem Teil-Urteil vom 5.7.2021 (Az. 2 O 86/21), insbesondere dazu verurteilt, bestimmte Aluminium-Dielen zur Herstellung einer Abdeckvorrichtung nach dort näher angegebenen Maßgaben "zurückzurufen oder endgültig aus den Vertriebswegen zu entfernen". Auf Antrag der Gläubigerin hat das LG zur Erzwingung dieser den Schuldnerinnen auferlegten Handlungen Zwangsgelder auferlegt.

Mit ihrer dagegen gerichteten sofortigen Beschwerde, begehrten die Schuldnerinnen eine Aufhebung dieses Beschlusses. Sie teilten mit, ein Rückruf sei nicht möglich; in den Vertriebswegen befinde sich nichts mehr; die in den Verkehr gebrachten Erzeugnisse seien allesamt beim Endverbraucher verbaut und damit Eigentum der Endverbraucher geworden. Das LG hat daraufhin entschieden, der Beschwerde nicht abzuhelfen. Das OLG hat die Entscheidung bestätigt.

Die Gründe:
Der Zwangsvollstreckungsantrag ist zulässig und begründet und rechtfertigt die ausgesprochenen Zwangsmittel.

Zumindest der den Schuldnerinnen zur Wahl gestellte Rückruf ist im Allgemeinen - und auch hier - keine nach § 887 ZPO zu vollstreckende vertretbare Handlung, sondern als unvertretbare Handlung nach § 888 ZPO zu vollstrecken. Dieser vom Senat schon bisher (Beschl. v. 21.7.2020 - 6 W 40/19, unveröffentlicht) eingenommene Standpunkt entspricht in der Rechtsprechung offenbar einhelliger und auch im Schrifttum verbreiteter Ansicht. Der abweichenden Literaturauffassung tritt der Senat entgegen.

Eine dem Rückruf gewidmete, aber durch Dritte (einschließlich des Gläubigers) ausgesprochene Aufforderung an die Besitzer der Verletzungsgegenstände ist nicht in demselben Maß wie eine vom Schuldner persönlich ausgesprochene Aufforderung dazu geeignet, die in den Vertriebswegen Beteiligten zu einer Rückgabe der patentverletzenden Gegenstände zu veranlassen. In der Erklärung gerade des Schuldners selbst gegenüber dem Rückrufadressaten, zur Rücknahme des Verletzungsgegenstands gegen Kostenerstattung bereit zu sein, liegt nämlich für die Abnehmer neben der Sensibilisierung hinsichtlich der Verletzung ein weiterer wesentlicher Anreiz zur Rückgabe. Dieser ist nicht gleichermaßen durch die bloße Erklärung eines Dritten zu erreichen, wonach der Schuldner hierzu verpflichtet sei, die den Schuldner im Verhältnis zum Rückrufadressaten nicht bindet. Im Übrigen scheidet eine Vornahme des Rückrufs durch Dritte insbesondere aus, wenn der Gläubiger - wie regelmäßig - keine oder zumindest weniger umfassende oder gesicherte Kenntnis von den Abnehmern des Schuldners hat.

Auch die weiteren sachlichen Voraussetzungen der Zwangsmittel nach § 888 ZPO lagen vor. Der Rückruf war insbesondere nicht dadurch gegenstandslos und somit ausgeschlossen, dass die von Benutzungshandlungen der Schuldnerinnen betroffenen Aluminiumdielen sämtlich bereits an - nicht näher spezifizierte - Endabnehmer gelangt waren. Gegenstand des Rückrufs gem. § 140a Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 PatG ist ebenso wie beim Entfernen gem. § 140a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 PatG lediglich, Erzeugnisse "aus den Vertriebswegen" zu erfassen. Diese Wendung des insoweit sprachlich nicht eindeutigen Gesetzes bezieht sich auf beide Alternativen, wie sich auch aus dem damit verfolgten Ziel der Umsetzung von Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a ("Rückruf aus den Vertriebswegen") und Buchst. b ("endgültige Entfernen aus den Vertriebswegen") der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (Enforcement-RL) ergibt.

Die Pflicht zum Rückruf setzt damit indes weder voraus, dass der Schuldner Verfügungsgewalt über die vom Rückruf betroffenen Gegenstände hat, noch dass das Erzeugnis keinen Endabnehmer erreicht hat. In den Vertriebswegen ist der verletzende Gegenstand, der sich bei keinem privaten Endverbraucher befindet, vielmehr auch bei einem Gewerbetreibenden, der kein Händler ist, sondern den Gegenstand etwa selbst als Endabnehmer nutzt, beispielsweise zu Zwecken der Produktion. Denn auch hier ist es denkbar, dass die Sache später gebraucht unter Eingriff in das Ausschließlichkeitsrecht des Patentinhabers im Rahmen gewerblicher Handlungen (siehe § 11 Nr. 1 PatG) veräußert wird. Der Zweck des Rückrufs geht auch dahin, den Markt von verletzenden Produkten zu bereinigen und damit zu Gunsten des Schutzrechtsinhabers eine neue Nachfrage nach rechtmäßigen Erfindungsprodukten zu schaffen.

Es stand dem Rückruf insbesondere nicht entgegen, dass ein isolierter Weitervertrieb bereits verbauter Aludielen nicht zu erwarten war. Ein Rückrufanspruch scheidet grundsätzlich nur dann aus, wenn ausgeschlossen ist, dass die patentverletzenden Erzeugnisse später weiter vertrieben werden. Ein Weitervertrieb der in den Verkehr gebrachten Aluminiumdielen war hier aber selbst ausgehend vom Vorbringen der Schuldnerinnen nicht hinreichend ausgeschlossen.

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