28.01.2025

Sammelklage-Inkasso bei Kartellschadensersatzansprüchen?

Ersatz des durch ein Kartell entstandenen Schadens: Eine nationale Regelung, die ein Sammelklage-Inkasso ausschließt, kann gegen das Unionsrecht verstoßen. Das ist der Fall, wenn das nationale Recht keinen anderen kollektiven Rechtsbehelf zur Bündelung individueller Forderungen der durch ein Kartell Geschädigten vorsieht und sich die Erhebung einer individuellen Schadensersatzklage als unmöglich oder übermäßig schwierig erweist.

EuGH v. 28.1.2025 - C-253/23
Der Sachverhalt:
32 Sägewerke mit Sitz in Deutschland, Belgien und Luxemburg machen geltend, aufgrund eines Kartells einen Schaden erlitten zu haben. Das beklagte Land Nordrhein-Westfalen habe nämlich mindestens vom 28.6.2005 bis zum 30.6.2019 überhöhte Preise für den Verkauf von aus NRW stammendem Rundholz an die Sägewerke angewandt.

Alle betroffenen Sägewerke traten ihre Ansprüche auf Ersatz des entstandenen Schadens an die klagende Gesellschaft (Ausgleichsgesellschaft für die Sägeindustrie Nordrhein-Westfalen GmbH - ASG) ab. Die Klägerin erhob als "Rechtsdienstleisterin" i.S.d. deutschen Rechts beim LG Dortmund eine Sammelklage auf Schadensersatz gegen das Land NRW. Sie handelt - gegen ein Erfolgshonorar - in eigenem Namen und auf eigene Kosten, aber für Rechnung der Sägewerke.

Das Land NRW stellt die Aktivlegitimation der Klägerin in Abrede. Es macht geltend, dass die deutschen Rechtsvorschriften in ihrer Auslegung durch einige nationale Gerichte dem Dienstleister im Zusammenhang mit Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht kein Sammelklage-Inkasso gestatteten.

Das LG hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Nach Ansicht des Gerichts stellt das Sammelklage-Inkasso in Deutschland die einzige kollektive Verfahrensart dar, um den Schadensersatzanspruch in Kartellsachen wirksam durchzusetzen. Es möchte daher vom EuGH wissen, ob das Unionsrecht der Auslegung einer nationalen Regelung entgegensteht, die den durch ein Kartell Geschädigten eine Inanspruchnahme dieser Klageart verwehrt.

Die Gründe:
Das Unionsrecht verleiht jeder Person, die durch eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht einen Schaden erlitten hat, das Recht, den vollständigen Ersatz dieses Schadens zu verlangen. Eine Schadensersatzklage kann entweder unmittelbar von der Person erhoben werden, der der betreffende Anspruch zusteht, oder von einem Dritten, an den der Anspruch abgetreten wurde. Das Unionsrecht regelt allerdings nicht die Modalitäten für die Geltendmachung des Anspruchs auf Ersatz des durch eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht entstandenen Schadens. Folglich es Aufgabe der einzelnen Mitgliedstaaten, diese Modalitäten zu regeln, wobei u.a. der Effektivitätsgrundsatz zu beachten ist.

Vorliegend hat das LG darüber zu befinden, ob eine Auslegung des nationalen Rechts, die eine Geltendmachung der durch ein Kartell verursachten Schäden über ein Sammelklage-Inkasso ausschließt, dem Erfordernis der Effektivität genügt. Sollte es zu dem Ergebnis gelangen, dass das deutsche Recht keinen anderen kollektiven Rechtsbehelf bietet, der eine wirksame Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs zulässt, und dass eine individuelle Klage seine Durchsetzung unmöglich macht oder übermäßig erschwert, müsste das deutsche Gericht einen Verstoß gegen Unionsrecht feststellen.

Bei einer solchen Fallgestaltung müsste das LG versuchen, die nationalen Bestimmungen unionrechtskonform auszulegen. Sollte sich das als unmöglich erweisen, hätte das deutsche Gericht die nationalen Bestimmungen, die ein Sammelklage-Inkasso für die fraglichen individuellen Schadensersatzforderungen ausschließen, unangewendet zu lassen.

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