19.05.2016

Schadensersatz nach § 945 ZPO umfasst auch Kosten für Rückruf von Produkten aus Vertriebswegen

Die Merkmale und die Gestaltung eines Produkts (hier: Wärmepantoffeln) sind regelmäßig nicht geeignet, einen Rückschluss auf seine betriebliche Herkunft zu ermöglichen, wenn es sich bei dem angesprochenen Verkehr um den Endverbraucher handelt und identische Produkte unter verschiedenen Herstellermarken angeboten werden. Zu dem nach § 945 ZPO ersatzfähigen Schaden können Kosten gehören, die dadurch entstehen, dass ein Unternehmen zur Befolgung eines Unterlassungsgebots Produkte aus den Vertriebswegen zurückruft.

BGH 19.11.2015, I ZR 109/14
Der Sachverhalt:
Die Parteien handeln mit Sonderposten. Die Beklagte vertreibt in Deutschland seit 2004 Pantoffeln unter der Marke "Hot Sox". Dabei handelt es sich um Pantoffeln aus Fleece-Material mit einer Füllung, die in der Mikrowelle oder im Backofen erwärmt werden kann. Die Pantoffeln werden mit dem Produkteinleger "Nie wieder kalte Füße" vertrieben. Die Klägerin bot im November 2010 ebenfalls Wärmepantoffeln mit dem Produkteinleger "Wärmepantoffeln - Nie wieder kalte Füße!" an.

Die Beklagte hielt die Wärmepantoffeln der Klägerin für unlautere Nachahmungen ihres Produktes. Eine zunächst bewirkte einstweilige Verfügung wurde mit rechtskräftigem Urteil des LG Hamburg wieder aufgehoben. Gestützt auf ein ihr zustehendes Recht an einem Lichtbild erwirkte die Beklagte gegen die Klägerin eine einstweilige Verfügung des LG Oldenburg, mit der der Klägerin untersagt wurde, auf ihren Produkteinlegern ein bestimmtes Foto zu verwenden.

Im vorliegenden Verfahren machte die Klägerin einen Anspruch auf Ersatz des Schadens wegen Vollziehung der später wieder aufgehobenen einstweiligen Verfügung des LG Hamburg geltend, der ihr nach ihrer Behauptung durch die Rückholung von bereits an Groß- und Einzelhandel ausgelieferter Ware und durch den Umstand entstanden war, dass sie erhebliche Mengen an Wärmepantoffeln nicht habe verkaufen können. Sie begehrte u.a. die Zahlung von 107.434 €.

Das LG Osnabrück sprach der Klägerin Schadensersatz für die bis zum Erlass und der Zustellung der einstweiligen Verfügung noch nicht verkauften Wärmepantoffeln i.H.v. 9.212 € zu; das OLG Oldenburg wies die Klage insgesamt ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung konnte ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte nicht verneint werden. Nach § 945 Fall 1 ZPO ist die Partei, die eine von Anfang an ungerechtfertigte einstweilige Verfügung erwirkt hat, verpflichtet, dem Gegner den Schaden zu ersetzen, der ihm aus deren Vollziehung entsteht. Zu dem nach § 945 ZPO ersatzfähigen Schaden können Kosten gehören, die dadurch entstehen, dass ein Unternehmen zur Befolgung eines Unterlassungsgebots Produkte aus den Vertriebswegen zurückruft. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes war die von der Beklagten erwirkte einstweilige Verfügung des LG Hamburg von Anfang an ungerechtfertigt.

Die Revision beanstandete zu Recht die Annahme des Berufungsgerichtes, die Merkmale und Gestaltung des Produktes der Beklagten seien trotz der unterschiedlichen Marken, unter denen die Erzeugnisse auf den Markt gebracht werden, geeignet, dem Verkehr einen Rückschluss auf seine betriebliche Herkunft zu ermöglichen. Denn diese Annahme gilt gerade nicht, wenn es sich bei dem angesprochenen Verkehr um den Endverbraucher handelt und identische Produkte unter verschiedenen Herstellermarken angeboten werden. Zwar kann es für die Annahme einer wettbewerblichen Eigenart unschädlich sein, wenn der Verkehr aufgrund verschiedener Kennzeichen davon ausgeht, es handele sich bei dem beanstandeten Produkt um eine neue Serie oder eine Zweitmarke des Originalherstellers oder es bestünden zu ihm zumindest lizenz- oder gesellschaftsvertragliche Beziehungen. Ob diese Annahme gerechtfertigt ist, hängt jedoch von der tatrichterlichen Würdigung der Umstände des Einzelfalls ab.

Das LG Hamburg war davon ausgegangen, dass der angesprochene Verkehr hinter jeder Marke ein anderes Herstellerunternehmen vermutet. Abweichendes hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Danach ist ausgeschlossen, dass die angesprochenen Endverbraucher die verschiedenen Marken, mit denen die von der Beklagten vertriebenen Wärmepantoffeln gekennzeichnet sind, als Handelsmarken auffassen, hinter denen ein Hersteller steht.

Ein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1, §§ 3, 5 Abs. 2 UWG besteht ebenfalls nicht. Danach ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie im Zusammenhang mit der Vermarktung von Waren oder Dienstleistungen einschließlich vergleichender Werbung eine Verwechslungsgefahr mit einer anderen Ware oder Dienstleistung oder mit der Marke oder einem anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers hervorruft. Dies kommt nur in Betracht, wenn die angesprochenen Verbraucher trotz der Vielzahl der Marken, unter denen die in Rede stehenden Originalprodukte vertrieben werden, allein anhand der äußeren übereinstimmenden Merkmale davon ausgehen, diese stammten von einem Hersteller oder aus der Produktion mit-einander verbundener Unternehmen. Dies traf hier jedoch nicht zu.

Linkhinweise:

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