08.03.2022

Schadensersatz wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnung aufgrund AdWords-Anzeige

Auch bei einer Werbeanzeige, die bei Google in einem vom generischen Suchergebnis abgetrennten Bereich angezeigt und mit "Anzeige" gekennzeichnet ist, kann ausnahmsweise ein Hinweis auf das Fehlen einer wirtschaftlichen Verbindung zwischen dem Werbenden und dem Markeninhaber erforderlich sein. Verfügt der Markeninhaber über ein Vertriebsnetz, zu dem die Beklagte durch eine Adwords-Anzeige Zugehörigkeit suggerieren könnte, gilt dies allerdings nur, wenn der Verkehr auch Kenntnis von einem derartigen Vertriebssystem hat. Beschränkt sich die Anzeige auf eine allgemeine Bewerbung liegt keine kennzeichenmäßige Benutzung vor.

OLG Frankfurt a.M. v. 10.2.2022 - 6 U 126/21
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten um die Erstattung vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten im Zusammenhang mit einer Abmahnung. Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich kieferorthopädischer Leistungen und bieten u.a. die Versorgung mit sog. "Invisaling"- Zahnschienen an. Zu einem nicht genau benannten Zeitpunkt vor dem 11.10.2019 war bei Eingabe des Suchwortes "X" (Name des Beklagten) in der Internet-Suchmaschine Google eine bestimmte Bildschirmansicht mit u.a. folgenden Inhalten zu sehen:

"Anzeige
Keramik Zahnspange | Lingualtechnik die Alternative
Die linguale Zahnspange ist festsitzende, ..."

"Anzeige
Unsichtbare Zahnspange
Ein Lächeln kann die Welt verzaubern. ..."

Der Beklagte ließ daraufhin die Klägerin mit zwei inhaltsgleichen Schreiben im Oktober 2019 abmahnen und sie zur Abgabe einer Unterlassungserklärung wegen Verletzung der Rechte aus seinem Unternehmenskennzeichen "Polzar" auffordern. Mit Schreiben von November 2019 ließ die Klägerin die Ansprüche zurückweisen. Mit weiterem Schreiben von April 2020 ließ die Klägerin die Beklagte zum Verzicht auf die geltend gemachten Ansprüche auffordern. Hinsichtlich dieser beiden anwaltlichen Tätigkeiten fordert die Klägerin den Ersatz der Rechtsanwaltsgebühren aus einem Streitwert von jeweils 50.000 €.

Das LG gab der Klage teilweise statt und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von rd. 3.600 €. Auf die Berufung des Beklagten reduzierte das OLG die Zahlung auf rd. 2.300 €. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB, da die unberechtigte Abmahnung des Beklagten vom 11.10.2019 einen Eingriff in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellt. Dabei kann sowohl dahinstehen, ob die Klägerin zu Unrecht als Täterin in Anspruch genommen worden ist, obwohl insoweit davon auszugehen ist, dass Google die Zuordnung zwischen dem Suchwort "Polzar" und der Anzeige der Klägerin autonom hergestellt hat, als auch ob Google als Beauftragte nach § 15 Abs. 6 MarkenG haften würde, da sich die Abmahnung des Beklagten schon allein deshalb als rechtswidrig erweist, weil es der Anzeige an einer kennzeichenmäßigen Verwendung i.S.v. § 15 Abs. 2 MarkenG fehlt.

In aller Regel liegt keine Beeinträchtigung der herkunftshinweisenden Funktion vor, wenn die Werbeanzeige in einem von der Trefferliste eindeutig getrennten und entsprechend gekennzeichneten Werbeblock erscheint und selbst weder die Marke noch sonst einen Hinweis auf den Markeninhaber oder die unter der Marke angebotenen Produkte enthält. Der verständige Internetnutzer erwartet in einem von der Trefferliste deutlich abgesetzten und mit dem Begriff "Anzeigen" gekennzeichneten Werbeblock nicht ausschließlich Angebote des Markeninhabers oder mit ihm verbundener Unternehmen. Ihm ist klar, dass eine notwendige Bedingung für das Erscheinen der Anzeige vor allem deren Bezahlung durch den Werbenden ist. Rechnet der Internetnutzer mit Angeboten, die nicht vom Markeninhaber oder von mit ihm verbundenen Unternehmen stammen, bedarf es daher keines Hinweises auf das Fehlen einer wirtschaftlichen Verbindung zwischen dem Werbenden und dem Markeninhaber, um eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion auszuschließen. Für geschäftliche Bezeichnungen kann insoweit nichts Anderes gelten.

Diese Voraussetzungen sind bei der streitgegenständlichen Anzeige erfüllt. Sie befand sich in einem vom generischen Suchergebnis abgetrennten Bereich und war mit "Anzeige" gekennzeichnet. Soweit nach BGH-Rechtsprechung bei Vorliegen besonderen Umstände ausnahmsweise auch für den Fall, dass die Werbeanzeige in einem von der Trefferliste eindeutig getrennten und entsprechend gekennzeichneten Werbeblock erscheint und selbst weder die Marke noch sonst einen Hinweis auf den Markeninhaber oder die unter der Marke angebotenen Produkte enthält, ein Hinweis auf das Fehlen einer wirtschaftlichen Verbindung zwischen dem Werbenden und dem Markeninhaber erforderlich ist, um eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion der Marke auszuschließen, liegen diese Umstände hier nicht vor.

Der EuGH hat ausgeführt, es könne in Fällen, in denen das Vertriebsnetz des Markeninhabers aus zahlreichen Einzelhändlern zusammengesetzt sei, für den normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzer besonders schwer sein, ohne Hinweis des Werbenden zu erkennen, ob dieser zu diesem Vertriebsnetz gehöre oder nicht. Deshalb habe das nationale Gericht unter Berücksichtigung dieses Umstands und anderer Faktoren, die es als relevant erachte, zu beurteilen, ob ein solcher Internetnutzer, der in seinem Suchbegriff die Marke verwende, auf Grund der in der Werbeanzeige verwendeten Formulierungen erkennen könne, dass der Einzelhändler nicht zum Vertriebsnetz des Markeninhabers gehöre. Die Rechtsprechung des EuGH ist zwar für das rein nationale Recht des Unternehmenskennzeichens nicht bindend; indes verlangt der Grundsatz der Einheitlichkeit der Kennzeichenrechte bei der Anwendung originär dem Schutz geschäftlicher Bezeichnungen gewidmeter Normen die Berücksichtigung originär markenrechtlicher Wertungen. Beschränkt sich die Anzeige auf eine allgemeine Bewerbung (hier von "unsichtbaren Zahnspangen") liegt keine kennzeichenmäßige Benutzung vor.

Mehr zum Thema:
  • Rechtsprechung: BGH vom 15.10.2020, I ZR 210/18 - BGH: Marken- und lauterkeitsrechtliche Unterlassungsansprüche bei keyword-Werbung in Suchmaschine - Vorwerk (CR 2021, 53)
  • Rechtsprechung: LG München I vom 10.2.2021, 37 O 15720/20 - Wettbewerbswidrige Verlinkung auf nationales Gesundheitsportal mit Anmerkung Rössel (ITRB 2021, 83)
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