10.02.2022

Schadensersatzanspruch wegen angeblicher Amtspflichtverletzung infolge eines sog. "Settlements"?

§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG gewährt weder einen Schadensersatzanspruch auf Erstattung des im Wege eines "settlements" mit der Kartellbehörde durch einen rechtmäßigen Bußgeldbescheid festgesetzten Bußgelds noch einen solchen auf Erstattung des aufgrund der Verteidigung gegen die zutreffend erhobenen Vorwürfe entstandenen Verteidigerhonorars. Der Ersatz dieser Schäden ist nicht vom Schutzzweck der Norm des § 839 BGB iVm Art. 34 GG umfasst.

OLG Köln v. 21.9.2021 - 7 U 166/20
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine international tätige deutsche AG. Sie ist insbesondere im Vertrieb von Agrarprodukten tätig. Mit mehreren weiteren Unternehmen aus diesem Sektor traf sie im Zeitraum von 1998 bis 2015 Absprachen derart, dass die Unternehmen die Listenpreise für den Verkauf an den Einzelhandel und die Endverbraucher betreffend Pflanzenschutzmittel abstimmten.

Am 2.12.2014 ging beim Bundeskartellamt ein hierauf bezogener anonymer Hinweis ein. Am 12.1.2015 kontaktierte daraufhin der zuständige Berichterstatter der 2. Beschlussabteilung telefonisch zwei ebenfalls an dem Kartell beteiligte Mitbewerber der Klägerin. Er informierte diese über den anonymen Hinweis. Hintergrund der Telefonate, deren Inhalt im Einzelnen streitig ist, war, die Stellung eines Bonusantrages gemäß der Bekanntmachung Nr. 9/2006 über den Erlass und die Reduktion von Geldbußen in Kartellsachen vom 7.3.2006 anzusprechen. Am 12.1.2015 setzte einer der zwei kontaktierten Mitbewerber den ersten Marker, um den Rang im Rahmen der Bonusregelung zu wahren. Am 13.1.2015 folgte der zweite kontaktierte Mitbewerber. Ein ebenfalls kontaktierter dritter Mitbewerber stellte keinen Bonusantrag.

Daraufhin strengte das Bundeskartellamt ein Bußgeldverfahren gegen die Klägerin und weitere der beteiligten Unternehmen an (Az. B10-22/15). Die Klägerin stimmte letztlich einer einvernehmlichen Verfahrensbeendigung zu und räumte die Tatvorwürfe ein (sog. "Settlement"). Gegen die Mitbewerberin, welche als erste den Marker gesetzt hatte, wurde das Verfahren im Rahmen von Ziff. 3 der Bonusregelung eingestellt. Die Klägerin nahm die beklagte Bundesrepublik wegen einer ihrer Auffassung nach gegebenen Amtspflichtverletzung gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG auf Schadensersatz in Höhe eines von ihr gezahlten Bußgeldes und von ihr aufgewendeter Rechtsverteidigungskosten im Bußgeldverfahren in Anspruch.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin rügte weiterhin die gerichtliche Zuständigkeit und vertrat insoweit die Auffassung, der angerufene Senat des OLG im Berufungsverfahren nicht zuständig sei, der Rechtsstreit sei an das zuständige Kartellgericht zu verweisen. Das OLG sah das anders und wies die Berufung zurück.

Die Gründe:
Der 7. Zivilsenat des OLG Köln ist aufgrund seiner Spezialzuständigkeit für Amtshaftungsklagen zur Entscheidung in der vorliegenden Sache berufen. Die Voraussetzungen für eine Verweisung an den Kartellsenat des OLG Düsseldorf liegen nicht vor. Gesetzlicher Richter für den Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 BGB iVm Art. 34 GG ist grundsätzlich ausschließlich der Zivilrichter, der insoweit auch zur Klärung der öffentlich-rechtlichen Vorfragen berufen ist, sofern über diese noch nicht anderweitig mit Bindungswirkung entschieden ist. Vorliegend hängt die Entscheidung des Rechtsstreits aus den nachstehenden Gründen nicht von der Entscheidung einer kartellrechtlichen Vorfrage ab. Die Klage ist, wie das Landgericht zutreffend entschieden hat, bereits aus anderen Gründen abzuweisen.

Zu Recht hat das LG dahin erkannt, dass Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die beklagte Bundesrepublik bereits sowohl an der fehlenden Kausalität zwischen den behaupteten Amtspflichtverletzungen und dem geltend gemachten Schaden als auch an der Ausschlussnorm des § 839 Abs. 3 BGB scheitern. Bei beiden Anspruchsvoraussetzungen handelt es sich nicht um spezifisch kartellrechtliche (Vor-) Fragen, sondern um allgemeine zivil- bzw. deliktsrechtliche Fragen, so dass eine Zurückweisung der klägerischen Berufung bereits durch den Zivilsenat erfolgen kann.

§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG gewährt weder einen Schadensersatzanspruch auf Erstattung des im Wege eines "settlements" mit der Kartellbehörde durch einen rechtmäßigen Bußgeldbescheid festgesetzten Bußgelds noch einen solchen auf Erstattung des aufgrund der Verteidigung gegen die zutreffend erhobenen Vorwürfe entstandenen Verteidigerhonorars. Der Ersatz dieser Schäden ist nicht vom Schutzzweck der Norm des § 839 BGB iVm Art. 34 GG umfasst.

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