Schenkungsanfechtung in der Insolvenz des Dritten
BGH v. 10.3.2022 - IX ZR 4/21
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Verwalter in dem auf Eigenantrag vom 18.12.2018 am 12.2.2019 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der E. GmbH (Schuldnerin). Unter dem Gesichtspunkt der Schenkungsanfechtung im Drei-Personen-Verhältnis nimmt er den Beklagten auf Rückgewähr einer Zahlung in Anspruch, die dieser zur Vergütung seiner Arbeitstätigkeit erhalten hat.
Der Beklagte war Arbeitnehmer der E.-H.G. GmbH (Arbeitgeberin), einer Schwestergesellschaft der Schuldnerin. Beide Gesellschaften gehörten zur E.-Gruppe, hinter der J. K. stand. Für seine Arbeitsleistungen im Oktober 2018 erhielt der Beklagte am 16.11.2018 per Überweisung vom Vortag eine Zahlung i.H.v. 1.430 €. Der entsprechende Kontoauszug weist neben dem Zahlungszweck "Lohn Okt 2018" als Zahlende eine "E. GmbH" aus. Hinter dieser Bezeichnung stand die Schuldnerin, welche die Überweisung bewirkt hatte. Die Zahlung erfolgte vom Geschäftskonto der Schuldnerin.
Der Beklagte hatte in der Vergangenheit mehrfach Überweisungen von der "E. GmbH" zur Vergütung seiner Arbeitstätigkeit erhalten, aber auch von einer E.-F.-B. GmbH und von der Arbeitgeberin selbst. Seine Kontoauszüge wiesen die verschiedenen Zahler aus.
AG und LG wiesen die auf Rückgewähr der Zahlung vom 16.11.2018 gerichtete Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.
Die Gründe:
Mit Recht hat das LG erkannt, dass die streitgegenständliche Zahlung der Schuldnerin an den Beklagten nach § 134 InsO anfechtbar sein kann. Rechtsfehlerhaft ist allerdings die Annahme des LG, die angefochtene Zahlung falle unter das Bargeschäftsprivileg des § 142 InsO.
Nach § 142 Abs. 1 InsO in der hier anwendbaren Fassung vom 5.4.2017 ist eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 bis 3 InsO gegeben sind und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte. § 142 Abs. 2 Satz 1 InsO regelt auf der Grundlage der Rechtsprechung des BGH zum alten Recht, wann der Austausch von Leistung und Gegenleistung als unmittelbar anzusehen ist. § 142 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 InsO enthalten Sonderregelungen für die Gewährung von Arbeitsentgelt. Gewährt der Schuldner seinem Arbeitnehmer Arbeitsentgelt, ist gemäß § 142 Abs. 2 Satz 2 InsO ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgelts drei Monate nicht übersteigt. Das entspricht der Rechtsprechung des BAG zum alten Recht. § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO ist eine im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens hinzugekommene Vorschrift. Danach steht der Gewährung des Arbeitsentgelts durch den Schuldner die Gewährung dieses Arbeitsentgelts durch einen Dritten nach § 267 BGB gleich, wenn für den Arbeitnehmer nicht erkennbar war, dass ein Dritter die Leistung bewirkt hat.
Das LG hat seine Entscheidung maßgeblich auf § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO gestützt. Die Vorschrift müsste deshalb im vorliegenden Fall einer Anfechtung nach § 134 InsO im Drei-Personen-Verhältnis anwendbar sein. Darüber hinaus müssten ihre Voraussetzungen vorliegen. § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO ist nicht anwendbar, wenn eine Leistung in der Insolvenz des das Arbeitsentgelt gewährenden Dritten nach § 134 InsO angefochten wird. Die Bedeutung des § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO erhellt sich nicht aus dem Gesetz selbst. Nach dem Wortlaut der Vorschrift wird die Gewährung des Arbeitsentgelts durch einen Dritten nach § 267 BGB der Gewährung dieses Arbeitsentgelts durch den Schuldner gleichgestellt. Inwieweit die Gleichstellung erfolgt, sagt das Gesetz nicht. Da sonst nur § 142 Abs. 2 Satz 2 InsO eine Regelung zur Gewährung von Arbeitsentgelt trifft, scheint sich § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO nur auf § 142 Abs. 2 Satz 2 InsO zu beziehen. Dafür spricht auch die Regelungssystematik. Der Gesetzgeber hat § 142 Abs. 2 einen weiteren Satz angefügt und nicht einen weiteren Absatz, wie es im Falle einer eigenständigen, über § 142 Abs. 2 Satz 2 InsO hinausgehenden Bedeutung zu erwarten gewesen wäre.
Dieser Deutungsansatz ist allerdings verfehlt. Bezöge sich § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO nur auf § 142 Abs. 2 Satz 2 InsO, erschöpfte sich die Gleichstellung mit der Gewährung von Arbeitsentgelt durch den Schuldner in der Beurteilung des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Leistung und Gegenleistung. Das Problem der Drittleistung i.S.d. § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO liegt jedoch vor allem in der Inkongruenz, welche die Annahme eines Bargeschäfts nach der Rechtsprechung des BGH ausschließt. Erschöpfte sich die Bedeutung von § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO in der Beurteilung des engen zeitlichen Zusammenhangs, liefe die Regelung immer dann leer, wenn die Gewährung von Arbeitsentgelt durch einen Dritten inkongruent ist. Das hat der Gesetzgeber ersichtlich nicht gewollt. § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO geht über eine Gleichstellung mit § 142 Abs. 2 Satz 2 InsO hinaus.
Inwieweit § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO über eine Gleichstellung mit § 142 Abs. 2 Satz 2 InsO hinausgeht, ergibt sich nicht aus den Gesetzentwürfen und den hierzu gefertigten Begründungen. Es gibt auch sonst keinen Grund, die Regelung des § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO auf die Schenkungsanfechtung in der Insolvenz des das Arbeitsentgelt gewährenden Dritten anzuwenden. Eine Gewährung des Bargeschäftsprivilegs kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil eine unentgeltliche Leistung i.S.d. § 134 InsO nicht Teil eines Bargeschäfts gem. § 142 InsO sein kann. Das gilt sowohl im Zwei-Personen-Verhältnis als auch im hier interessierenden Drei-Personen-Verhältnis. Letztlich gilt: Gewährt ein Dritter dem Arbeitnehmer Arbeitsentgelt, unterfällt die Schenkungsanfechtung in der Insolvenz des Dritten nicht dem Bargeschäftsprivileg.
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Der Kläger ist Verwalter in dem auf Eigenantrag vom 18.12.2018 am 12.2.2019 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der E. GmbH (Schuldnerin). Unter dem Gesichtspunkt der Schenkungsanfechtung im Drei-Personen-Verhältnis nimmt er den Beklagten auf Rückgewähr einer Zahlung in Anspruch, die dieser zur Vergütung seiner Arbeitstätigkeit erhalten hat.
Der Beklagte war Arbeitnehmer der E.-H.G. GmbH (Arbeitgeberin), einer Schwestergesellschaft der Schuldnerin. Beide Gesellschaften gehörten zur E.-Gruppe, hinter der J. K. stand. Für seine Arbeitsleistungen im Oktober 2018 erhielt der Beklagte am 16.11.2018 per Überweisung vom Vortag eine Zahlung i.H.v. 1.430 €. Der entsprechende Kontoauszug weist neben dem Zahlungszweck "Lohn Okt 2018" als Zahlende eine "E. GmbH" aus. Hinter dieser Bezeichnung stand die Schuldnerin, welche die Überweisung bewirkt hatte. Die Zahlung erfolgte vom Geschäftskonto der Schuldnerin.
Der Beklagte hatte in der Vergangenheit mehrfach Überweisungen von der "E. GmbH" zur Vergütung seiner Arbeitstätigkeit erhalten, aber auch von einer E.-F.-B. GmbH und von der Arbeitgeberin selbst. Seine Kontoauszüge wiesen die verschiedenen Zahler aus.
AG und LG wiesen die auf Rückgewähr der Zahlung vom 16.11.2018 gerichtete Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.
Die Gründe:
Mit Recht hat das LG erkannt, dass die streitgegenständliche Zahlung der Schuldnerin an den Beklagten nach § 134 InsO anfechtbar sein kann. Rechtsfehlerhaft ist allerdings die Annahme des LG, die angefochtene Zahlung falle unter das Bargeschäftsprivileg des § 142 InsO.
Nach § 142 Abs. 1 InsO in der hier anwendbaren Fassung vom 5.4.2017 ist eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 bis 3 InsO gegeben sind und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte. § 142 Abs. 2 Satz 1 InsO regelt auf der Grundlage der Rechtsprechung des BGH zum alten Recht, wann der Austausch von Leistung und Gegenleistung als unmittelbar anzusehen ist. § 142 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 InsO enthalten Sonderregelungen für die Gewährung von Arbeitsentgelt. Gewährt der Schuldner seinem Arbeitnehmer Arbeitsentgelt, ist gemäß § 142 Abs. 2 Satz 2 InsO ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgelts drei Monate nicht übersteigt. Das entspricht der Rechtsprechung des BAG zum alten Recht. § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO ist eine im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens hinzugekommene Vorschrift. Danach steht der Gewährung des Arbeitsentgelts durch den Schuldner die Gewährung dieses Arbeitsentgelts durch einen Dritten nach § 267 BGB gleich, wenn für den Arbeitnehmer nicht erkennbar war, dass ein Dritter die Leistung bewirkt hat.
Das LG hat seine Entscheidung maßgeblich auf § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO gestützt. Die Vorschrift müsste deshalb im vorliegenden Fall einer Anfechtung nach § 134 InsO im Drei-Personen-Verhältnis anwendbar sein. Darüber hinaus müssten ihre Voraussetzungen vorliegen. § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO ist nicht anwendbar, wenn eine Leistung in der Insolvenz des das Arbeitsentgelt gewährenden Dritten nach § 134 InsO angefochten wird. Die Bedeutung des § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO erhellt sich nicht aus dem Gesetz selbst. Nach dem Wortlaut der Vorschrift wird die Gewährung des Arbeitsentgelts durch einen Dritten nach § 267 BGB der Gewährung dieses Arbeitsentgelts durch den Schuldner gleichgestellt. Inwieweit die Gleichstellung erfolgt, sagt das Gesetz nicht. Da sonst nur § 142 Abs. 2 Satz 2 InsO eine Regelung zur Gewährung von Arbeitsentgelt trifft, scheint sich § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO nur auf § 142 Abs. 2 Satz 2 InsO zu beziehen. Dafür spricht auch die Regelungssystematik. Der Gesetzgeber hat § 142 Abs. 2 einen weiteren Satz angefügt und nicht einen weiteren Absatz, wie es im Falle einer eigenständigen, über § 142 Abs. 2 Satz 2 InsO hinausgehenden Bedeutung zu erwarten gewesen wäre.
Dieser Deutungsansatz ist allerdings verfehlt. Bezöge sich § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO nur auf § 142 Abs. 2 Satz 2 InsO, erschöpfte sich die Gleichstellung mit der Gewährung von Arbeitsentgelt durch den Schuldner in der Beurteilung des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Leistung und Gegenleistung. Das Problem der Drittleistung i.S.d. § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO liegt jedoch vor allem in der Inkongruenz, welche die Annahme eines Bargeschäfts nach der Rechtsprechung des BGH ausschließt. Erschöpfte sich die Bedeutung von § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO in der Beurteilung des engen zeitlichen Zusammenhangs, liefe die Regelung immer dann leer, wenn die Gewährung von Arbeitsentgelt durch einen Dritten inkongruent ist. Das hat der Gesetzgeber ersichtlich nicht gewollt. § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO geht über eine Gleichstellung mit § 142 Abs. 2 Satz 2 InsO hinaus.
Inwieweit § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO über eine Gleichstellung mit § 142 Abs. 2 Satz 2 InsO hinausgeht, ergibt sich nicht aus den Gesetzentwürfen und den hierzu gefertigten Begründungen. Es gibt auch sonst keinen Grund, die Regelung des § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO auf die Schenkungsanfechtung in der Insolvenz des das Arbeitsentgelt gewährenden Dritten anzuwenden. Eine Gewährung des Bargeschäftsprivilegs kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil eine unentgeltliche Leistung i.S.d. § 134 InsO nicht Teil eines Bargeschäfts gem. § 142 InsO sein kann. Das gilt sowohl im Zwei-Personen-Verhältnis als auch im hier interessierenden Drei-Personen-Verhältnis. Letztlich gilt: Gewährt ein Dritter dem Arbeitnehmer Arbeitsentgelt, unterfällt die Schenkungsanfechtung in der Insolvenz des Dritten nicht dem Bargeschäftsprivileg.
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