"Schönheits-OP misslungen"? Prüfpflichten eines Bewertungsportalbetreibers bei Bestreiten des Behandlungskontakts
OLG München v. 6.8.2024 - 18 U 2631/24 Pre e
Der Sachverhalt:
Der Verfügungskläger begehrt für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland die Unterlassung der Verbreitung einer von einer anonymen Rezensentin abgegebenen (Text- und Sterne-) Bewertung auf dem von der Verfügungsbeklagten betriebenen Geolokalisierungsdienst "G. Maps", erreichbar unter der Internetdomain www.google.de.
Die beanstandete Bewertung betraf die Rezension des Verfügungsklägers als Arzt. Die Bewertende machte u.a. geltend, der Verfügungskläger habe sie zweimal an der Nase operiert, die Operationsergebnisse seien aber jeweils alles andere als zufriedenstellend gewesen, was sehr ausführlich dargestellt wurde.
Das LG wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück. Die Berufung des Verfügungsklägers hatte in der Sache Erfolg. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Dem Verfügungskläger steht gegen die Verfügungsbeklagte ein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung der angegriffenen (Text- und Sterne-) Bewertung aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG zu. Die Äußerungen verletzen den Verfügungskläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Der Verfügungskläger kann gemäß § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG die Sperrung der streitgegenständlichen Bewertung verlangen.
Der Verfügungskläger kann die Verfügungsbeklagte als mittelbare Störerin in Anspruch nehmen. Denn die Beanstandung der Bewertung durch den Verfügungskläger gegenüber der Verfügungsbeklagten hat bei dieser eine Prüfpflicht ausgelöst; sie war daher gehalten, eine Stellungnahme der bewertenden Person einzuholen.
Ist der Provider mit der Beanstandung eines Betroffenen - die richtig oder falsch sein kann - konfrontiert, die so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer - das heißt ohne eingehende rechtliche oder tatsächliche Überprüfung - bejaht werden kann, ist eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts unter Berücksichtigung einer etwaigen Stellungnahme des für den beanstandeten Beitrag Verantwortlichen erforderlich (vgl. BGH v. 9.8.2022 - VI ZR 1244/20).
Die vom Verfügungskläger bei der Verfügungsbeklagten beanstandete Bewertung betraf die Rezension des Verfügungsklägers als Arzt. Die Bewertende machte u.a. geltend, der Verfügungskläger habe sie zweimal an der Nase operiert, die Operationsergebnisse seien aber jeweils alles andere als zufriedenstellend gewesen. Es liegt auf der Hand, dass der Durchschnittsleser bei dieser Sachlage davon ausgeht, die Bewertende habe sich als Patientin beim Verfügungskläger in ärztlicher Behandlung befunden.
Der Einwand der Verfügungsbeklagten, anders als bei einem reinen Hotelbewertungsportal könne man bei ihrem Dienst z.B. auch Parks, Gebäude oder Naturschauspiele bewerten, bei denen es nicht Voraussetzung sei, dass der Bewertende eine - zumal vertragliche - Beziehung zum bewerteten Ort oder der bewerteten Unternehmung habe, sondern maßgeblich sei allein "eine tatsächliche, wie auch immer geartete Erfahrung des Bewerteten" greift daher zu kurz.
Der Verfügungskläger hat bei der Verfügungsbeklagten beanstandet, er bestreite, "dass der Verfasser der Bewertung eine irgend geartete tatsächliche Erfahrung" mit seiner Arztpraxis gemacht habe. Auf der Grundlage dieser Behauptung, der angegriffenen Bewertung liege kein Patientenkontakt zugrunde, war ein Rechtsverstoß für die Verfügungsbeklagte hinreichend unschwer - das heißt ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung - zu bejahen.
Zu weitergehenden Angaben als der, dass die Bewertende nicht seine Patientin war, war der Verfügungskläger - anders als die Verfügungsbeklagte meint - auch angesichts der in der angegriffenen Bewertungen enthaltenen weiteren Angaben zu der Person der Bewerterin sowie den (angeblichen) Operationen des Verfügungsklägers, denen diese sich unterzogen habe und den betreffenden Folgen nicht verpflichtet. Auf die Frage, ob der Verfügungskläger aufgrund der in der angegriffenen Bewertung enthaltenen Ausführungen zu weiteren Angaben überhaupt in der Lage war, um den Kreis der in Betracht kommenden Patientinnen einzugrenzen, kommt es nicht an.
Somit war die Rüge des Verfügungsklägers, der Bewertung liege kein Behandlungskontakt zu Grunde, hinreichend konkret, um eine Prüfpflicht der Verfügungsbeklagten inklusive der Weiterleitung der Beanstandung des Verfügungsklägers an die Bewerterin zur Stellungnahme auszulösen.
Die für einen Unterlassungsanspruch gem. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderliche Wiederholungsgefahr wird aufgrund der von der Verfügungsbeklagten mit der Veröffentlichung der Bewertung begangenen Persönlichkeitsrechtsverletzung vermutet. Die Verfügungsbeklagte hat diese Vermutung nicht durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung widerlegt.
Mehr zum Thema:
Kurzbeitrag:
BGH: Hotelbewertungsportale haben Gasteigenschaft der Bewertenden zu prüfen
Markus Meyer, CR 2022, R115
Rechtsprechung:
Haftung des Hostproviders für rechtsverletztende Inhalte setzt konkrete Verdachtsmeldung voraus
OLG Frankfurt vom 13.6.2024 - 16 U 195/22
Rechtsprechung:
Auskunftsanspruch gegenüber Arbeitgeber-Bewertungsportal
OLG Celle vom 2.4.2024 - 5 W 10/24
CR 2024, 611
Ansicht: Beratermodul Computer und Recht - CR:
Die umfassende Datenbank zum Recht der Informationstechnologie. 4 Wochen gratis nutzen!
Justiz Bayern online
Der Verfügungskläger begehrt für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland die Unterlassung der Verbreitung einer von einer anonymen Rezensentin abgegebenen (Text- und Sterne-) Bewertung auf dem von der Verfügungsbeklagten betriebenen Geolokalisierungsdienst "G. Maps", erreichbar unter der Internetdomain www.google.de.
Die beanstandete Bewertung betraf die Rezension des Verfügungsklägers als Arzt. Die Bewertende machte u.a. geltend, der Verfügungskläger habe sie zweimal an der Nase operiert, die Operationsergebnisse seien aber jeweils alles andere als zufriedenstellend gewesen, was sehr ausführlich dargestellt wurde.
Das LG wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück. Die Berufung des Verfügungsklägers hatte in der Sache Erfolg. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Dem Verfügungskläger steht gegen die Verfügungsbeklagte ein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung der angegriffenen (Text- und Sterne-) Bewertung aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG zu. Die Äußerungen verletzen den Verfügungskläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Der Verfügungskläger kann gemäß § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG die Sperrung der streitgegenständlichen Bewertung verlangen.
Der Verfügungskläger kann die Verfügungsbeklagte als mittelbare Störerin in Anspruch nehmen. Denn die Beanstandung der Bewertung durch den Verfügungskläger gegenüber der Verfügungsbeklagten hat bei dieser eine Prüfpflicht ausgelöst; sie war daher gehalten, eine Stellungnahme der bewertenden Person einzuholen.
Ist der Provider mit der Beanstandung eines Betroffenen - die richtig oder falsch sein kann - konfrontiert, die so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer - das heißt ohne eingehende rechtliche oder tatsächliche Überprüfung - bejaht werden kann, ist eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts unter Berücksichtigung einer etwaigen Stellungnahme des für den beanstandeten Beitrag Verantwortlichen erforderlich (vgl. BGH v. 9.8.2022 - VI ZR 1244/20).
Die vom Verfügungskläger bei der Verfügungsbeklagten beanstandete Bewertung betraf die Rezension des Verfügungsklägers als Arzt. Die Bewertende machte u.a. geltend, der Verfügungskläger habe sie zweimal an der Nase operiert, die Operationsergebnisse seien aber jeweils alles andere als zufriedenstellend gewesen. Es liegt auf der Hand, dass der Durchschnittsleser bei dieser Sachlage davon ausgeht, die Bewertende habe sich als Patientin beim Verfügungskläger in ärztlicher Behandlung befunden.
Der Einwand der Verfügungsbeklagten, anders als bei einem reinen Hotelbewertungsportal könne man bei ihrem Dienst z.B. auch Parks, Gebäude oder Naturschauspiele bewerten, bei denen es nicht Voraussetzung sei, dass der Bewertende eine - zumal vertragliche - Beziehung zum bewerteten Ort oder der bewerteten Unternehmung habe, sondern maßgeblich sei allein "eine tatsächliche, wie auch immer geartete Erfahrung des Bewerteten" greift daher zu kurz.
Der Verfügungskläger hat bei der Verfügungsbeklagten beanstandet, er bestreite, "dass der Verfasser der Bewertung eine irgend geartete tatsächliche Erfahrung" mit seiner Arztpraxis gemacht habe. Auf der Grundlage dieser Behauptung, der angegriffenen Bewertung liege kein Patientenkontakt zugrunde, war ein Rechtsverstoß für die Verfügungsbeklagte hinreichend unschwer - das heißt ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung - zu bejahen.
Zu weitergehenden Angaben als der, dass die Bewertende nicht seine Patientin war, war der Verfügungskläger - anders als die Verfügungsbeklagte meint - auch angesichts der in der angegriffenen Bewertungen enthaltenen weiteren Angaben zu der Person der Bewerterin sowie den (angeblichen) Operationen des Verfügungsklägers, denen diese sich unterzogen habe und den betreffenden Folgen nicht verpflichtet. Auf die Frage, ob der Verfügungskläger aufgrund der in der angegriffenen Bewertung enthaltenen Ausführungen zu weiteren Angaben überhaupt in der Lage war, um den Kreis der in Betracht kommenden Patientinnen einzugrenzen, kommt es nicht an.
Somit war die Rüge des Verfügungsklägers, der Bewertung liege kein Behandlungskontakt zu Grunde, hinreichend konkret, um eine Prüfpflicht der Verfügungsbeklagten inklusive der Weiterleitung der Beanstandung des Verfügungsklägers an die Bewerterin zur Stellungnahme auszulösen.
Die für einen Unterlassungsanspruch gem. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderliche Wiederholungsgefahr wird aufgrund der von der Verfügungsbeklagten mit der Veröffentlichung der Bewertung begangenen Persönlichkeitsrechtsverletzung vermutet. Die Verfügungsbeklagte hat diese Vermutung nicht durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung widerlegt.
Kurzbeitrag:
BGH: Hotelbewertungsportale haben Gasteigenschaft der Bewertenden zu prüfen
Markus Meyer, CR 2022, R115
Rechtsprechung:
Haftung des Hostproviders für rechtsverletztende Inhalte setzt konkrete Verdachtsmeldung voraus
OLG Frankfurt vom 13.6.2024 - 16 U 195/22
Rechtsprechung:
Auskunftsanspruch gegenüber Arbeitgeber-Bewertungsportal
OLG Celle vom 2.4.2024 - 5 W 10/24
CR 2024, 611
Ansicht: Beratermodul Computer und Recht - CR:
Die umfassende Datenbank zum Recht der Informationstechnologie. 4 Wochen gratis nutzen!