Sexuelle Übergriffe? Rockband-Sänger mit Unterlassungsklage gegen Tageszeitung erfolgreich
OLG Frankfurt a.M. v. 11.9.2024 - 16 U 122/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Sänger einer bekannten Rockband. Er wendet sich gegen die Berichterstattung der beklagten Herausgeberin einer Tageszeitung. Der Kläger wirft der Beklagten vor, in einem im Juni 2023 erschienenen Bericht den Verdacht zu erwecken, der Kläger habe an zwei Frauen ohne deren Zustimmung sexuelle Handlungen vorgenommen.
Das LG wies den auf Unterlassung gerichteten Antrag im Eilverfahren zurück. Die Berufung des Klägers hatte vor dem OLG teilweise Erfolg. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die Gründe:
In Bezug auf eine der beiden im Bericht erwähnten Frauen wurde zu Unrecht der Verdacht erhoben, dass der Kläger sexuelle Handlungen ohne ihre Einwilligung vorgenommen habe. Dies hat die Beklagte zu unterlassen. Hinsichtlich der anderen Betroffenen wurde dagegen dieser Verdacht durch die Beklagte nicht erweckt.
Grundsätzlich ist der zutreffende Sinn der Berichterstattung zu ermitteln. Maßgeblich ist dabei das Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Entscheidend sind hier insbesondere die Textpassagen, die die Erlebnisse der beiden Frauen schildern. Hinsichtlich der einen der beiden betroffenen Frauen folgt daraus, dass von der Beklagten unberechtigt ein Verdacht ohne hinreichende Tatsachengrundlage geäußert wird. Mit den teilweise in direkter, teilweise in indirekter Rede wiedergegebenen Schilderungen der einen Betroffenen wird der Verdacht erweckt, der Kläger habe ohne Zustimmung sexuelle Handlungen an ihr vorgenommen. Der Betroffenen war dem Bericht nach zwar bewusst, dass "alles eine sexuelle Komponente" habe. Sie sei aber davon ausgegangen, dass niemand etwas machen werde, was sie nicht wolle.
Der Leser versteht Schilderungen der Frau dahingehend, dass der Kläger möglicherweise unter Ausnutzung ihrer Alkoholisierung sexuelle Handlungen an ihr vorgenommen habe. Durch die Einbettung der Angaben der Betroffenen in den eigenen Bericht der Beklagten erscheint der Verdacht auch als eigener Verdacht der Beklagten. Für diesen Verdacht fehlt es hier jedoch an einem Mindestbestand an Beweistatsachen, so dass die Verdachtsberichterstattung unzulässig ist.
Zu beachten ist dabei, dass die Verdachtsmomente umso stichhaltiger sein müssen, je schwerer der Vorwurf ist. Insbesondere die eigene eidesstattliche Versicherung der Betroffenen lässt wegen erheblicher Erinnerungslücken nicht sicher darauf schließen, dass der Kläger sexuelle Handlungen ohne ihre Einwilligung begonnen hat. Sie lässt vielmehr die Möglichkeit, dass sie den sexuellen Handlungen infolge starker Alkoholisierung nicht mehr zustimmen konnte, ebenso zu, wie die Möglichkeit, dass sie bei Beginn der sexuellen Handlungen aufgrund des Alkohols enthemmt, aber noch entscheidungsfähig war.
Soweit der Kläger auch gegenüber der zweiten in dem Bericht erwähnten Frau einen Unterlassungsanspruch geltend macht, ist dieser nicht begründet. Die Beklagte erweckt in ihrem Bericht schon nicht den Verdacht der Vornahme sexueller Handlungen gegen den Willen der Betroffenen. Die Betroffene schildert in dem Bericht, dass ihr bekannt war, dass jemand gesucht wurde, der "eine Nacht mit (dem Kläger) verbringen würde". Die Betroffene führte dann aus, dass sie Schmerzen hatte und es ihr nicht leichtgefallen ist, mit dem Kläger zu schlafen. Zitiert wird aber auch die Aussage: "Ich will nicht sagen, dass das eine Vergewaltigung war, weil ich ja zugestimmt habe." Daraus schließt ein durchschnittlicher Leser auf ein Einverständnis, auch wenn die Betroffene ihren Angaben nach nicht "glücklich darüber" war, was passiert ist. Auch aus dem Gesamtkontext ergibt sich nicht, dass der Kläger sexuelle Handlungen ohne ihre Zustimmung vorgenommen hat. Dafür genügt insbesondere nicht der Bezug auf eine Passage des Berichts, wonach zahlreiche Frauen "teils schwere Vorwürfe" gegen den Kläger erheben.
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OLG Frankfurt a.M. PM Nr. 50 vom 11.9.2024
Der Kläger ist Sänger einer bekannten Rockband. Er wendet sich gegen die Berichterstattung der beklagten Herausgeberin einer Tageszeitung. Der Kläger wirft der Beklagten vor, in einem im Juni 2023 erschienenen Bericht den Verdacht zu erwecken, der Kläger habe an zwei Frauen ohne deren Zustimmung sexuelle Handlungen vorgenommen.
Das LG wies den auf Unterlassung gerichteten Antrag im Eilverfahren zurück. Die Berufung des Klägers hatte vor dem OLG teilweise Erfolg. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die Gründe:
In Bezug auf eine der beiden im Bericht erwähnten Frauen wurde zu Unrecht der Verdacht erhoben, dass der Kläger sexuelle Handlungen ohne ihre Einwilligung vorgenommen habe. Dies hat die Beklagte zu unterlassen. Hinsichtlich der anderen Betroffenen wurde dagegen dieser Verdacht durch die Beklagte nicht erweckt.
Grundsätzlich ist der zutreffende Sinn der Berichterstattung zu ermitteln. Maßgeblich ist dabei das Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Entscheidend sind hier insbesondere die Textpassagen, die die Erlebnisse der beiden Frauen schildern. Hinsichtlich der einen der beiden betroffenen Frauen folgt daraus, dass von der Beklagten unberechtigt ein Verdacht ohne hinreichende Tatsachengrundlage geäußert wird. Mit den teilweise in direkter, teilweise in indirekter Rede wiedergegebenen Schilderungen der einen Betroffenen wird der Verdacht erweckt, der Kläger habe ohne Zustimmung sexuelle Handlungen an ihr vorgenommen. Der Betroffenen war dem Bericht nach zwar bewusst, dass "alles eine sexuelle Komponente" habe. Sie sei aber davon ausgegangen, dass niemand etwas machen werde, was sie nicht wolle.
Der Leser versteht Schilderungen der Frau dahingehend, dass der Kläger möglicherweise unter Ausnutzung ihrer Alkoholisierung sexuelle Handlungen an ihr vorgenommen habe. Durch die Einbettung der Angaben der Betroffenen in den eigenen Bericht der Beklagten erscheint der Verdacht auch als eigener Verdacht der Beklagten. Für diesen Verdacht fehlt es hier jedoch an einem Mindestbestand an Beweistatsachen, so dass die Verdachtsberichterstattung unzulässig ist.
Zu beachten ist dabei, dass die Verdachtsmomente umso stichhaltiger sein müssen, je schwerer der Vorwurf ist. Insbesondere die eigene eidesstattliche Versicherung der Betroffenen lässt wegen erheblicher Erinnerungslücken nicht sicher darauf schließen, dass der Kläger sexuelle Handlungen ohne ihre Einwilligung begonnen hat. Sie lässt vielmehr die Möglichkeit, dass sie den sexuellen Handlungen infolge starker Alkoholisierung nicht mehr zustimmen konnte, ebenso zu, wie die Möglichkeit, dass sie bei Beginn der sexuellen Handlungen aufgrund des Alkohols enthemmt, aber noch entscheidungsfähig war.
Soweit der Kläger auch gegenüber der zweiten in dem Bericht erwähnten Frau einen Unterlassungsanspruch geltend macht, ist dieser nicht begründet. Die Beklagte erweckt in ihrem Bericht schon nicht den Verdacht der Vornahme sexueller Handlungen gegen den Willen der Betroffenen. Die Betroffene schildert in dem Bericht, dass ihr bekannt war, dass jemand gesucht wurde, der "eine Nacht mit (dem Kläger) verbringen würde". Die Betroffene führte dann aus, dass sie Schmerzen hatte und es ihr nicht leichtgefallen ist, mit dem Kläger zu schlafen. Zitiert wird aber auch die Aussage: "Ich will nicht sagen, dass das eine Vergewaltigung war, weil ich ja zugestimmt habe." Daraus schließt ein durchschnittlicher Leser auf ein Einverständnis, auch wenn die Betroffene ihren Angaben nach nicht "glücklich darüber" war, was passiert ist. Auch aus dem Gesamtkontext ergibt sich nicht, dass der Kläger sexuelle Handlungen ohne ihre Zustimmung vorgenommen hat. Dafür genügt insbesondere nicht der Bezug auf eine Passage des Berichts, wonach zahlreiche Frauen "teils schwere Vorwürfe" gegen den Kläger erheben.
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