Sittenwidrige Schädigung iSv § 826 BGB durch sinnlose Bestellungen und anschließende Retourenvorgänge
OLG Hamm v. 16.4.2024 - 4 U 151/22
Der Sachverhalt:
Die Parteien vertreiben Matratzen im Internetversandhandel. Im Jahre 2019 bestellten zwei damalige Angestellte der Beklagten, I. und Y., in insgesamt elf Fällen über die Internethandelsplattformen Matratzen bzw. Matratzenauflagen bei der Klägerin. In 10 der 11 Fälle wurde die Ware zurückgesendet und es wurden negative Kommentare auf der Handelsplattform abgegeben, wie etwa:
,,Sehr unbequeme Matratze zudem chemischer Geruch"
und/oder
,,Der Geruch ist unerträglich trotz mehrmaliger Lüftung"
und/oder
,,Matratze stinkt unglaublich, habe sie schon ausgelüftet, aber nicht besser"
Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die von I. und Y. im Rahmen der Bestellvorgänge aufgestellten Behauptungen der Wahrheit entsprachen.
Das LG gab der Klage auf Schadensersatz und Unterlassung derartiger Bewertungen statt. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Das LG hat in dem mit dem Klageantrag beanstandeten Verhalten zu Recht eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung im Sinne des § 826 BGB gesehen. Anzumerken ist lediglich, dass bereits die Veröffentlichung nachteiliger Äußerungen über die Klägerin oder nachteilige Äußerungen über die Klägerin gegenüber einzelnen Dritten (hier gegenüber den Plattformbetreibern) als solche Eingriffe in die Rechtssphäre der Klägerin darstellen, die als Schadenszufügung im Sinne des § 826 BGB anzusehen sind. Ein rechtlich anerkennenswertes Interesse der Beklagten an dem hier streitgegenständlichen Verhalten ist nicht einmal im Ansatz zu erkennen; es dient offenkundig allein dem Zweck, das Ansehen der Klägerin in der Öffentlichkeit und bei den Plattformbetreibern als ihren Vertragspartnern zu schmälern und die Klägerin systematisch mit der Abwicklung sinnloser Bestellungen und anschließender sinnloser Retourenvorgänge zu belasten.
Das LG ist ebenfalls zu Recht davon ausgegangen, dass das Verhalten der ehemaligen Mitarbeiter I. und Y. der Beklagten zuzurechnen ist. Die Beklagte ist der sie treffenden sekundären Darlegungslast nicht einmal ansatzweise nachgekommen. Das Vorbringen der Beklagten geht letztlich über ein einfaches und pauschales Bestreiten ihrer Verantwortlichkeit nicht hinaus. Sie hat nicht einmal mitgeteilt, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen sie getroffen hat, um innerhalb ihres Erkenntnisbereiches, d.h. innerhalb ihres Unternehmens und gegebenenfalls durch Kontaktaufnahme mit ihren (ehemaligen) Mitarbeitern I. und Y. und ihrem Geschäftsführer G., den Sachverhalt aufzuklären. Die bloße Benennung eines Zeugen vermag einen substantiierten und nachvollziehbaren Sachvortrag nicht zu ersetzen.
Der Unterlassungsanspruch auf der Grundlage der Bejahung einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung im Sinne. des § 826 BGB ist nicht verjährt. Es gilt die dreijährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB, die nicht durch die kurzen lauterkeitsrechtlichen Verjährungsfristen nach § 11 Abs. 1 UWG verdrängt wird.
Mehr zum Thema:
Urteil des OLG Hamm im Volltext
Rechtsprechung:
Anspruch einer Anwaltskanzlei auf Unterlassung einer negativen Bewertung auf einem Online-Portal
AG Tübingen vom 11.7.2022 - 15 C 291/22
MDR 2023, 910
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Die Parteien vertreiben Matratzen im Internetversandhandel. Im Jahre 2019 bestellten zwei damalige Angestellte der Beklagten, I. und Y., in insgesamt elf Fällen über die Internethandelsplattformen Matratzen bzw. Matratzenauflagen bei der Klägerin. In 10 der 11 Fälle wurde die Ware zurückgesendet und es wurden negative Kommentare auf der Handelsplattform abgegeben, wie etwa:
,,Sehr unbequeme Matratze zudem chemischer Geruch"
und/oder
,,Der Geruch ist unerträglich trotz mehrmaliger Lüftung"
und/oder
,,Matratze stinkt unglaublich, habe sie schon ausgelüftet, aber nicht besser"
Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die von I. und Y. im Rahmen der Bestellvorgänge aufgestellten Behauptungen der Wahrheit entsprachen.
Das LG gab der Klage auf Schadensersatz und Unterlassung derartiger Bewertungen statt. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Das LG hat in dem mit dem Klageantrag beanstandeten Verhalten zu Recht eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung im Sinne des § 826 BGB gesehen. Anzumerken ist lediglich, dass bereits die Veröffentlichung nachteiliger Äußerungen über die Klägerin oder nachteilige Äußerungen über die Klägerin gegenüber einzelnen Dritten (hier gegenüber den Plattformbetreibern) als solche Eingriffe in die Rechtssphäre der Klägerin darstellen, die als Schadenszufügung im Sinne des § 826 BGB anzusehen sind. Ein rechtlich anerkennenswertes Interesse der Beklagten an dem hier streitgegenständlichen Verhalten ist nicht einmal im Ansatz zu erkennen; es dient offenkundig allein dem Zweck, das Ansehen der Klägerin in der Öffentlichkeit und bei den Plattformbetreibern als ihren Vertragspartnern zu schmälern und die Klägerin systematisch mit der Abwicklung sinnloser Bestellungen und anschließender sinnloser Retourenvorgänge zu belasten.
Das LG ist ebenfalls zu Recht davon ausgegangen, dass das Verhalten der ehemaligen Mitarbeiter I. und Y. der Beklagten zuzurechnen ist. Die Beklagte ist der sie treffenden sekundären Darlegungslast nicht einmal ansatzweise nachgekommen. Das Vorbringen der Beklagten geht letztlich über ein einfaches und pauschales Bestreiten ihrer Verantwortlichkeit nicht hinaus. Sie hat nicht einmal mitgeteilt, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen sie getroffen hat, um innerhalb ihres Erkenntnisbereiches, d.h. innerhalb ihres Unternehmens und gegebenenfalls durch Kontaktaufnahme mit ihren (ehemaligen) Mitarbeitern I. und Y. und ihrem Geschäftsführer G., den Sachverhalt aufzuklären. Die bloße Benennung eines Zeugen vermag einen substantiierten und nachvollziehbaren Sachvortrag nicht zu ersetzen.
Der Unterlassungsanspruch auf der Grundlage der Bejahung einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung im Sinne. des § 826 BGB ist nicht verjährt. Es gilt die dreijährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB, die nicht durch die kurzen lauterkeitsrechtlichen Verjährungsfristen nach § 11 Abs. 1 UWG verdrängt wird.
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