Spekulationen in den Medien über Liebesbeziehungen von Prominenten können zulässig sein
BGH v. 2.8.2022 - VI ZR 26/21
Der Sachverhalt:
Der Kläger (nachfolgend auch: X) ist als Komiker und TV-Moderator bekannt. Er ist mit Y liiert, die vor allem in sozialen Medien als "Sexbloggerin" auf sich aufmerksam macht und Protagonistin einer Fernsehsendung ist. Der Kläger und Y verbrachten Anfang Januar 2018 einen gemeinsamen Urlaub in Südafrika, von dem sie auf ihren jeweiligen Instagram-Accounts zeit-gleich Fotos veröffentlichten.
Die Beklagte berichtete am 15.1.2018 auf einem von ihr betriebenen Internetauftritt unter voller Namensnennung wie folgt:
[X]: Liebt er Sex-Bloggerin [Y]?
Liebes-Geheimnis gelüftet! Offiziell ist Comedian [X] (28) seit Jahren single.
Dennoch ranken sich immer mal wieder Pärchen-Gerüchte um den 28-Jährigen. Bei dem Neusten geht es um Sex-Bloggerin [Y] (31).
Ein Foto-Fauxpas macht es nun unmöglich, seine Liebe zu [Y] noch zu leugnen.
Die verräterischen Bilder seht ihr im VIDEO!
LAUT FREUNDEN SIND DIE SEX-BLOGGERIN UND [X] EIN PAAR
Aus dem Freundeskreis heißt es laut "Bild" jedoch, dass die beiden bereits länger ein Paar sind. Offiziell ist der Comedian single - noch. Einmal witzelte er gegenüber dem Blatt sogar: "Ich gehöre zu der großen Generation der Mittzwanziger, die beziehungsunfähig ist."
Das LG hat der Beklagten untersagt, in Bezug auf den Kläger über eine neue Beziehung zu berichten. Das OLG hat die Entscheidung bestätigt. Auf die Revision der Beklagten hat der BGH die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Unterlassung der Berichterstattung (§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG).
Zwar kann die Veröffentlichung von Spekulationen über eine Liebesbeziehung in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eingreifen. Doch wäre im vorliegenden Fall selbst ein unterstellter Eingriff der Beklagten in das Persönlichkeitsrecht des Klägers nicht rechtswidrig. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt. Im Streitfall wäre das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungsfreiheit abzuwägen. Da die von der Beklagten berichteten Spekulationen die Privatsphäre des Klägers betrafen, war ungeachtet ihrer Wahrheit von entscheidender Bedeutung, ob sie sich durch ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit rechtfertigen ließen.
Der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG erstreckt sich auch auf die Äußerung von Tatsachen, soweit sie Dritten zur Meinungsbildung dienen können. Zum Kern der Presse- und Meinungsfreiheit gehört es, dass die Medien im Grundsatz nach ihren eigenen publizistischen Kriterien entscheiden können, was sie des öffentlichen Interesses für wert halten und was nicht. Unterhaltende Beiträge, etwa über das Privat- und Alltagsleben prominenter Personen, nehmen grundsätzlich an diesem Schutz teil, ohne dass dieser von der Eigenart oder dem Niveau der Berichterstattung abhängt. Zu dieser Freiheit gehört es auch, dass das Verhalten und der soziale Kontext einer Person dargestellt und über ihren persönlichen und sozialen Hintergrund spekuliert wird.
Im Rahmen der Abwägung kommt dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu. Je größer der Informationswert für die Öffentlichkeit ist, desto mehr muss das Schutzinteresse desjenigen, über den informiert wird, hinter den Informationsbelangen der Öffentlichkeit zurücktreten. Umgekehrt wiegt aber auch der Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen umso schwerer, je geringer der Informationswert für die Allgemeinheit ist. Allerdings gebührt dem Persönlichkeitsschutz nicht etwa schon deshalb regelmäßig der Vorrang, weil eine weder unwahre noch ehrenrührige Berichterstattung bloße Belanglosigkeiten über eine prominente Person zum Gegenstand hat, ohne einen wesentlichen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten.
Das Schutzinteresse des Klägers überwog hier nicht die schutzwürdigen Belange der Beklagten. Die angegriffenen Äußerungen ließen sich durch ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit rechtfertigen. Das Interesse an einer Liebesbeziehung mit Y hatte der Kläger durch sein eigenes Verhalten begründet. Zunächst hatte er sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in der Vergangenheit mehrfach öffentlich bezüglich einer Beziehung zu einer Frau. Dabei stellte er seinen Status als Single in den Vordergrund und erklärte sich zu Vorstellungen und Wünschen hinsichtlich einer möglichen Partnerin. Außerdem äußerte er, dass er in seinem Leben nur zweimal in einer festen Beziehung gewesen sei. Einen weiteren Anlass zur Befassung auch mit diesem Teil seines Privatlebens gab der Kläger durch die Wiedergabe von Urlaubsfotos auf seinem Instagram-Account. Dadurch ermöglichte er nicht nur Einblicke in seine Lebensgestaltung, die der Öffentlichkeit ansonsten verschlossen gewesen wären. Die Wieder-gabe von Urlaubsfotos auf dem Instagram-Account des Klägers war darüber hinaus geeignet, Interesse an den abgebildeten Vorgängen zu wecken und die nähere Beschäftigung damit herauszufordern.
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Der Kläger (nachfolgend auch: X) ist als Komiker und TV-Moderator bekannt. Er ist mit Y liiert, die vor allem in sozialen Medien als "Sexbloggerin" auf sich aufmerksam macht und Protagonistin einer Fernsehsendung ist. Der Kläger und Y verbrachten Anfang Januar 2018 einen gemeinsamen Urlaub in Südafrika, von dem sie auf ihren jeweiligen Instagram-Accounts zeit-gleich Fotos veröffentlichten.
Die Beklagte berichtete am 15.1.2018 auf einem von ihr betriebenen Internetauftritt unter voller Namensnennung wie folgt:
[X]: Liebt er Sex-Bloggerin [Y]?
Liebes-Geheimnis gelüftet! Offiziell ist Comedian [X] (28) seit Jahren single.
Dennoch ranken sich immer mal wieder Pärchen-Gerüchte um den 28-Jährigen. Bei dem Neusten geht es um Sex-Bloggerin [Y] (31).
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Aus dem Freundeskreis heißt es laut "Bild" jedoch, dass die beiden bereits länger ein Paar sind. Offiziell ist der Comedian single - noch. Einmal witzelte er gegenüber dem Blatt sogar: "Ich gehöre zu der großen Generation der Mittzwanziger, die beziehungsunfähig ist."
Das LG hat der Beklagten untersagt, in Bezug auf den Kläger über eine neue Beziehung zu berichten. Das OLG hat die Entscheidung bestätigt. Auf die Revision der Beklagten hat der BGH die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Unterlassung der Berichterstattung (§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG).
Zwar kann die Veröffentlichung von Spekulationen über eine Liebesbeziehung in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eingreifen. Doch wäre im vorliegenden Fall selbst ein unterstellter Eingriff der Beklagten in das Persönlichkeitsrecht des Klägers nicht rechtswidrig. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt. Im Streitfall wäre das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungsfreiheit abzuwägen. Da die von der Beklagten berichteten Spekulationen die Privatsphäre des Klägers betrafen, war ungeachtet ihrer Wahrheit von entscheidender Bedeutung, ob sie sich durch ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit rechtfertigen ließen.
Der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG erstreckt sich auch auf die Äußerung von Tatsachen, soweit sie Dritten zur Meinungsbildung dienen können. Zum Kern der Presse- und Meinungsfreiheit gehört es, dass die Medien im Grundsatz nach ihren eigenen publizistischen Kriterien entscheiden können, was sie des öffentlichen Interesses für wert halten und was nicht. Unterhaltende Beiträge, etwa über das Privat- und Alltagsleben prominenter Personen, nehmen grundsätzlich an diesem Schutz teil, ohne dass dieser von der Eigenart oder dem Niveau der Berichterstattung abhängt. Zu dieser Freiheit gehört es auch, dass das Verhalten und der soziale Kontext einer Person dargestellt und über ihren persönlichen und sozialen Hintergrund spekuliert wird.
Im Rahmen der Abwägung kommt dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu. Je größer der Informationswert für die Öffentlichkeit ist, desto mehr muss das Schutzinteresse desjenigen, über den informiert wird, hinter den Informationsbelangen der Öffentlichkeit zurücktreten. Umgekehrt wiegt aber auch der Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen umso schwerer, je geringer der Informationswert für die Allgemeinheit ist. Allerdings gebührt dem Persönlichkeitsschutz nicht etwa schon deshalb regelmäßig der Vorrang, weil eine weder unwahre noch ehrenrührige Berichterstattung bloße Belanglosigkeiten über eine prominente Person zum Gegenstand hat, ohne einen wesentlichen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten.
Das Schutzinteresse des Klägers überwog hier nicht die schutzwürdigen Belange der Beklagten. Die angegriffenen Äußerungen ließen sich durch ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit rechtfertigen. Das Interesse an einer Liebesbeziehung mit Y hatte der Kläger durch sein eigenes Verhalten begründet. Zunächst hatte er sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in der Vergangenheit mehrfach öffentlich bezüglich einer Beziehung zu einer Frau. Dabei stellte er seinen Status als Single in den Vordergrund und erklärte sich zu Vorstellungen und Wünschen hinsichtlich einer möglichen Partnerin. Außerdem äußerte er, dass er in seinem Leben nur zweimal in einer festen Beziehung gewesen sei. Einen weiteren Anlass zur Befassung auch mit diesem Teil seines Privatlebens gab der Kläger durch die Wiedergabe von Urlaubsfotos auf seinem Instagram-Account. Dadurch ermöglichte er nicht nur Einblicke in seine Lebensgestaltung, die der Öffentlichkeit ansonsten verschlossen gewesen wären. Die Wieder-gabe von Urlaubsfotos auf dem Instagram-Account des Klägers war darüber hinaus geeignet, Interesse an den abgebildeten Vorgängen zu wecken und die nähere Beschäftigung damit herauszufordern.
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