09.10.2018

Spekulatives Mischkalkulationsangebot im Vergabeverfahren ist nicht zuschlagsfähig und führt zum Ausschluss

Ein Angebot, das so spekulativ ausgestaltet ist, dass dem Auftraggeber bei Eintritt bestimmter, zumindest nicht gänzlich fernliegender Umstände erhebliche Übervorteilungen drohen, ist nicht zuschlagsfähig. Vielmehr verletzt der betreffende Bieter seine Pflichten aus § 241 Abs. 2 BGB, wenn er für eine Position einen Preis ansetzt, der so überhöhte Nachforderungen nach sich ziehen kann, dass aus Sicht eines verständigen Teilnehmers am Vergabeverfahren das Ziel verfehlt wird, im Wettbewerb das günstigste Angebot hervorzubringen, und dem zu einem verantwortungsvollen Einsatz der Haushaltsmittel verpflichteten Auftraggeber nicht mehr zugemutet werden kann, sich auf ein derartiges Angebot einzulassen.

BGH 19.6.2018, X ZR 100/16
Der Sachverhalt:

Der Kläger betreibt ein Bauunternehmen. Er unterbreitete der beklagten Stadt sein Angebot in einem Vergabeverfahren betreffend die Stützmauersanierung. Die beklagte Stadt schloss das Angebot des Klägers von dem Vergabeverfahren aus. Ein Streit um den Angebotsausschluss entstand zwischen den Parteien. Der Streit betraf die auffällig niedrigen Einzelpreise für den Kran und den Geräteeinsatz einerseits und die vergleichsweise auffällig hohen Preise für Vorhaltekosten für den Kran und das Gerüst bei witterungsbedingten Verzögerungen.

Alleiniges Zuschlagskriterium war der Preis. Danach war das Angebot des Klägers mit insgesamt rd. 321.000 € brutto das günstigste. Die Beklagte erteilte den Zuschlag jedoch ohne weiteres auf das rd. 8.000 € teurere zweitbilligste Angebot. Sie begründete diese Entscheidung zunächst damit, dass die Vorhaltekosten für das Gerüst bei witterungsbedingter Unterbrechung signifikant hoch seien. Da eine Verzögerung wegen Hochwassers naheliegend sei, drohe daher eine enorme Verteuerung der Kosten. Das Angebot sei daher nicht das wirtschaftlichste. Später berief sich die Beklagte für den Ausschluss des Angebots auf eine darin enthaltene vergaberechtswidrige Mischkalkulation.

Der Kläger nahm die Beklagte auf Schadensersatz wegen des Ausschlusses und der anderweitigen Vergabe in Anspruch. Das LG wies die Klage jedoch ab. Die dagegen gerichtete Berufung hatte vor dem OLG ebenso wenig Erfolg wie die eingelegte Revision vor dem BGH.

Die Gründe:

Das OLG hat seine Annahme, der Kläger habe unzutreffende Einheits- und Gesamtpreise angegeben, rechtsfehlerhaft allein aus den niedrigen Preisen für die den Kran und den Geräteeinsatz betreffenden Positionen des Leistungsverzeichnisses abgeleitet. Dennoch ist das Berufungsurteil nicht aufzuheben. Es stellt sich vielmehr aus anderen Gründen als richtig dar.

Der Umstand, dass das Angebot des Bieters bei einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses Preise enthält, die deutlich unter den Kosten des Bieters liegen, rechtfertigt für sich genommen nicht die Annahme, der Bieter habe die geforderten Preise nicht angegeben. Aus § 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A lässt sich nicht ableiten, dass der Bieter jede Position des Leistungsverzeichnisses nach den gleichen Maßstäben kalkulieren müsste, insbesondere für jede Position verlangte Preise mindestens den dafür entstehenden Kosten entsprechen müsste. Das Angebot ist daher nicht auszuschließen, wenn der Bieter lediglich einzelne Positionen unter seinen Kosten anbietet.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Bieter seine zu deckenden Gesamtkosten nach Belieben einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses zuordnen darf. Die Zahlungspflichten der Auftraggeber könnten ansonsten durch die Verlagerung einzelner Preisbestandteile manipuliert werden. Verlagert der Bieter die für einzelne Positionen eigentlich vorgesehene Preise ganz oder teilweise in andere Positionen, greift daher grundsätzlich § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A ein. Eine Angebotsstruktur, bei der - wie hier - deutlich unter den zu erwartenden Kosten liegenden Ansätzen (Geräteeinsatz) bei bestimmten Positionen auffällig hohe Ansätze bei anderen Positionen (Vorhaltekosten) des Leistungsverzeichnisses entsprechen, indiziert eine solche Preisverlagerung. Kann der Bieter - wie hier - die Indizwirkung nicht erschüttern, rechtfertigt dies die Annahme, dass das Angebot nicht die geforderten Preisangaben enthält.

Erst recht verhält sich ein Bieter vergaberechtswidrig, wenn er - wie hier - den Preis für einzelne Positionen drastisch erhöht und den daraus resultierenden höheren Gesamtpreis zur Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit seines Angebots im Wege einer Mischkalkulation dadurch kompensiert, dass er andere Positionen - vorzugsweise solche bei denen ggf. Mindermengen zu erwarten sind - deutlich verbilligt. Denn ein Angebot, das spekulativ so ausgestaltet ist, dass dem Auftraggeber bei Eintritt bestimmter nicht gänzlich fernliegender Umstände (hier: witterungsbedingte Umstände) erhebliche Übervorteilungen drohen, ist nicht zuschlagsfähig. Vielmehr verletzt der Bieter seine Pflichten aus § 241 Abs. 2 BGB. Der Auftraggeber ist dann nicht zur Zuschlagserteilung verpflichtet, auch wenn das fragliche Angebot - wie hier - als das preiswerteste erscheint.

Linkhinweis:

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