Streit um Zinsnachzahlung aus einem beendeten Sparvertrag "S-Prämiensparen flexibel"
LG Magdeburg v. 21.3.2023 - 2 O 1179/21
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten 1994 einen Sparvertrag "S-Prämiensparen flexibel" vereinbart. Darin verpflichtete sie sich zu einer monatlichen Sparrate i.H.v. 200 DM (102,26 €), die sie auch regelmäßig zahlte. Die Sparkasse verpflichtete sich neben dem jeweils gültigen Zinssatz, z. Zt. 5 %, am Ende eines Kalender -/Sparjahres eine verzinsliche Prämie gemäß einer Prämienstaffel auf die geleisteten Sparbeiträge des jeweils abgelaufenen Sparjahres. Die Prämie betrug nach 3 Sparjahren 3 %, nach 4 Sparjahren 4 %... ab dem 15. Sparjahr 50 %. Vertragsbestandteil waren die bei Vertragsabschluss geltenden Bedingungen für den Sparverkehr und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten. Weder in dem Vertrag noch in den AGB befand sich eine Zinsanpassungsklausel.
Die Beklagte senkte den variablen Zinssatz schrittweise ab. Die konkrete Berechnungsgrundlage, anhand welcher sie dies getan hatte, wurde der Klägerin nicht bekannt gegeben. Am 20.3.2019 kündigte die Beklagte den Sparvertrag. Am 24.10.2019 wurden der Klägerin 45.566 € gutgeschrieben. Die Klägerin forderte die Beklagte zur Nachberechnung von Zinsen und Zahlung eines weiteren Betrages i.H.v. 9.321 € auf. Der Forderungsbetrag ergab sich aus einer von der Verbraucherzentrale vorgenommenen Berechnung, die als Referenzzins die Zinsreihe für Umlaufrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen/Hypothekenpfandbriefe mit 10 Jahre gleitendem Durchschnitt und einem relativen Zinsabstand zugrunde legte. Die Beklagte lehnte die Forderung mit der Begründung ab, sie habe die Zinsanpassungen unter laufender Berücksichtigung der Kapitalmarktzinsen vorgenommen.
Die Beklagte hat die Forderung i.H.v. 5.395 € anerkannt. Das LG hat die hierüber hinausgehende Forderung der Klägerin abgewiesen.
Die Gründe:
Der Klägerin hat aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Prämiensparvertrag wegen der infolge einer ergänzenden Vertragsauslegung höheren variablen Verzinsung ein Anspruch auf Zahlung der anerkannten 5.395 € zugestanden. Ein Anspruch auf Zahlung von insgesamt 9.321 €) bestand unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.
Die durch die Unwirksamkeit der Zinsänderungsklausel bei gleichzeitiger Wirksamkeit der Vereinbarung über die Variabilität der Zinshöhe entstandene Regelungslücke konnte hier nicht nach § 306 Abs. 2 BGB durch ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht der Beklagten entsprechend § 315 Abs. 1 BGB oder durch ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht der Klägerin gem. § 316 BGB geschlossen werden, da das in der unwirksamen Preisanpassungsklausel enthaltene einseitige Leistungsbestimmungsrecht ersatzlos weggefallen ist. Infolgedessen hat das Gericht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) die maßgeblichen Parameter einer Zinsanpassung selbst festzustellen, die in sachlicher Hinsicht (Bindung des Vertragszinssatzes an einen aussagekräftigen Referenzzinssatz, Festlegung der Anpassungschwelle) und in zeitlicher Hinsicht (Festlegung des Anpassungsintervalls) dem mutmaßlichen Parteiwillen entsprechen. Dabei sind vom Gericht präzise Parameter zu wählen, die dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit von Zinsänderungen genügen (BGH, Urt. v. 6.10.2021 - XI ZR 234 / 20).
Maßgebend für die vorzunehmende ergänzende Vertragsauslegung waren die in dem streitgegenständlichen Vertrag mit der Bezeichnung "S-Prämiensparen flexibel" enthaltenen Bedingungen. Zu diesen gehörten die von der Klägerin in einem monatlichen Rhythmus zu leistende Spareinlage, die variable Verzinsung der Spareinlage, die ab dem 3. Sparjahr der Höhe nach - bis zu 50 % ab dem 15. Sparjahr - gestaffelte verzinsliche Prämie, die Kündigungsfrist von 3 Monaten und der Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts der Beklagten bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe. Darüber hinaus war davon auszugehen, dass das Recht der Klägerin, den Vertrag ordentlich mit einer Frist von 3 Monaten zu kündigen, angesichts der nach Jahren gestaffelten Sparprämie keine wirtschaftlich vernünftige Handlungsoption für sie darstellte, weil die Prämie auch nach dem 15. Sparjahr noch attraktiv war.
Da die Parteien Individualabreden zur variablen Verzinsung im konkreten Fall nicht behauptet hatten, war für die ergänzende Vertragsauslegung ebenso wie für die Auslegung und Inhaltskontrolle von AGB auf die typischen Vorstellungen der an Geschäften gleicher Art beteiligten Verkehrskreise abzustellen. Infolgedessen ging die Kammer, gestützt auf das Gutachten des Sachverständigen in Übereinstimmung mit dem OLG Naumburg, davon aus, dass die Anpassung des variablen Zinses nach der Variante IV des Gutachtens auf der Grundlage der von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Zinssätze des Kapitalmarktes für börsennotierte Bundeswertpapiere mit 8 bis 15-jähriger Restlaufzeit vorzunehmen ist (OLG Naumburg, Urt. v. 8.2.2023 - 5 MK 1/20).
Es kam nicht darauf an, ob Sparkassen heute bei Ratensparverträgen mit variablem Zins anbieten, den Referenzzins auf der Grundlage gleitender Durchschnittszinssätze zu ermitteln. Die ergänzende Vertragsauslegung hat zwr auf den hypothetischen Willen der Vertragsparteien im Zeitpunkt des Prämiensparvertragschlusses abzustellen. Es konnte hier aber nicht davon ausgegangen werden, dass die Parteien einen nichtveröffentlichten gleitenden Durchschnittszins vereinbart hätten.
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Landesrecht Sachsen-Anhalt
Die Klägerin hatte mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten 1994 einen Sparvertrag "S-Prämiensparen flexibel" vereinbart. Darin verpflichtete sie sich zu einer monatlichen Sparrate i.H.v. 200 DM (102,26 €), die sie auch regelmäßig zahlte. Die Sparkasse verpflichtete sich neben dem jeweils gültigen Zinssatz, z. Zt. 5 %, am Ende eines Kalender -/Sparjahres eine verzinsliche Prämie gemäß einer Prämienstaffel auf die geleisteten Sparbeiträge des jeweils abgelaufenen Sparjahres. Die Prämie betrug nach 3 Sparjahren 3 %, nach 4 Sparjahren 4 %... ab dem 15. Sparjahr 50 %. Vertragsbestandteil waren die bei Vertragsabschluss geltenden Bedingungen für den Sparverkehr und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten. Weder in dem Vertrag noch in den AGB befand sich eine Zinsanpassungsklausel.
Die Beklagte senkte den variablen Zinssatz schrittweise ab. Die konkrete Berechnungsgrundlage, anhand welcher sie dies getan hatte, wurde der Klägerin nicht bekannt gegeben. Am 20.3.2019 kündigte die Beklagte den Sparvertrag. Am 24.10.2019 wurden der Klägerin 45.566 € gutgeschrieben. Die Klägerin forderte die Beklagte zur Nachberechnung von Zinsen und Zahlung eines weiteren Betrages i.H.v. 9.321 € auf. Der Forderungsbetrag ergab sich aus einer von der Verbraucherzentrale vorgenommenen Berechnung, die als Referenzzins die Zinsreihe für Umlaufrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen/Hypothekenpfandbriefe mit 10 Jahre gleitendem Durchschnitt und einem relativen Zinsabstand zugrunde legte. Die Beklagte lehnte die Forderung mit der Begründung ab, sie habe die Zinsanpassungen unter laufender Berücksichtigung der Kapitalmarktzinsen vorgenommen.
Die Beklagte hat die Forderung i.H.v. 5.395 € anerkannt. Das LG hat die hierüber hinausgehende Forderung der Klägerin abgewiesen.
Die Gründe:
Der Klägerin hat aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Prämiensparvertrag wegen der infolge einer ergänzenden Vertragsauslegung höheren variablen Verzinsung ein Anspruch auf Zahlung der anerkannten 5.395 € zugestanden. Ein Anspruch auf Zahlung von insgesamt 9.321 €) bestand unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.
Die durch die Unwirksamkeit der Zinsänderungsklausel bei gleichzeitiger Wirksamkeit der Vereinbarung über die Variabilität der Zinshöhe entstandene Regelungslücke konnte hier nicht nach § 306 Abs. 2 BGB durch ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht der Beklagten entsprechend § 315 Abs. 1 BGB oder durch ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht der Klägerin gem. § 316 BGB geschlossen werden, da das in der unwirksamen Preisanpassungsklausel enthaltene einseitige Leistungsbestimmungsrecht ersatzlos weggefallen ist. Infolgedessen hat das Gericht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) die maßgeblichen Parameter einer Zinsanpassung selbst festzustellen, die in sachlicher Hinsicht (Bindung des Vertragszinssatzes an einen aussagekräftigen Referenzzinssatz, Festlegung der Anpassungschwelle) und in zeitlicher Hinsicht (Festlegung des Anpassungsintervalls) dem mutmaßlichen Parteiwillen entsprechen. Dabei sind vom Gericht präzise Parameter zu wählen, die dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit von Zinsänderungen genügen (BGH, Urt. v. 6.10.2021 - XI ZR 234 / 20).
Maßgebend für die vorzunehmende ergänzende Vertragsauslegung waren die in dem streitgegenständlichen Vertrag mit der Bezeichnung "S-Prämiensparen flexibel" enthaltenen Bedingungen. Zu diesen gehörten die von der Klägerin in einem monatlichen Rhythmus zu leistende Spareinlage, die variable Verzinsung der Spareinlage, die ab dem 3. Sparjahr der Höhe nach - bis zu 50 % ab dem 15. Sparjahr - gestaffelte verzinsliche Prämie, die Kündigungsfrist von 3 Monaten und der Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts der Beklagten bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe. Darüber hinaus war davon auszugehen, dass das Recht der Klägerin, den Vertrag ordentlich mit einer Frist von 3 Monaten zu kündigen, angesichts der nach Jahren gestaffelten Sparprämie keine wirtschaftlich vernünftige Handlungsoption für sie darstellte, weil die Prämie auch nach dem 15. Sparjahr noch attraktiv war.
Da die Parteien Individualabreden zur variablen Verzinsung im konkreten Fall nicht behauptet hatten, war für die ergänzende Vertragsauslegung ebenso wie für die Auslegung und Inhaltskontrolle von AGB auf die typischen Vorstellungen der an Geschäften gleicher Art beteiligten Verkehrskreise abzustellen. Infolgedessen ging die Kammer, gestützt auf das Gutachten des Sachverständigen in Übereinstimmung mit dem OLG Naumburg, davon aus, dass die Anpassung des variablen Zinses nach der Variante IV des Gutachtens auf der Grundlage der von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Zinssätze des Kapitalmarktes für börsennotierte Bundeswertpapiere mit 8 bis 15-jähriger Restlaufzeit vorzunehmen ist (OLG Naumburg, Urt. v. 8.2.2023 - 5 MK 1/20).
Es kam nicht darauf an, ob Sparkassen heute bei Ratensparverträgen mit variablem Zins anbieten, den Referenzzins auf der Grundlage gleitender Durchschnittszinssätze zu ermitteln. Die ergänzende Vertragsauslegung hat zwr auf den hypothetischen Willen der Vertragsparteien im Zeitpunkt des Prämiensparvertragschlusses abzustellen. Es konnte hier aber nicht davon ausgegangen werden, dass die Parteien einen nichtveröffentlichten gleitenden Durchschnittszins vereinbart hätten.
Aufsatz
Kai-Oliver Knops
Zinsanpassung bei Prämiensparverträgen durch Wahl des geeigneten Referenzzinssatzes
ZIP 2022, 1951
Beratermodul Kapitalmarktrecht
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