18.10.2022

Touristen-Hotel vs. (Reise-)Unternehme - OLG lässt wegen ungeklärter Rechtsfolgen Revision zu

Der Gesetzgeber hat für die vorliegende rechtliche Unmöglichkeit mit den §§ 275, 326 BGB ein abgeschlossenes System von Rechtsnormen geschaffen, die zudem von dem Rechtsinstitut der Störung der Geschäftsgrundlage gerade streng zu unterscheiden sind. Da die Rechtsfolgen der coronabedingten Schließung eines touristischen Zwecken dienenden Hotels im Verhältnis zu einem mehrere Zimmer anmietenden (Reise-)Unternehmers in der ober- und höchstgerichtlichen Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt sind, wurde die Revision zum BGH zugelassen.

OLG Köln v. 7.9.2022 - 16 U 208/21
Der Sachverhalt:
Der Kläger veranstaltet mit seinem Reisebusunternehmen "A" u.a. touristische Gruppenreisen. Für seine Saisoneröffnungsfahrten vom 19.-22.3.2020 und vom 26.-29.9.2020 hatte er bei der Beklagten auf deren Angebot vom 17.10.2019 in deren Hotel Übernachtungen mit ALL-INKLUSIVE Angebot gebucht. In dem Angebot hieß es zudem "Einen Reiseleiter für Ausflüge können wir leider nicht stellen = vielleicht kann Ihnen die Touristeninformation D weiterhelfen?". Die Reservierungsbestätigung der Beklagten vom 25.10.2019 enthielt u.a. Hinweise auf die Stornierungsbedingungen, auf ein zwei Wochen vor Veranstaltungsbeginn zu zahlendes Deposit i.H.v. 80% der vereinbarten Gesamtsumme sowie auf die separat vor Ort zu leistende Kurtaxe.

Unter Berücksichtigung des tatsächlichen Buchungsumfangs stellte die Beklagte dem Kläger am 26.2.2020 eine Depositrechung i.H.v. insgesamt 10.356 € aus, auf die der Kläger vereinbarungsgemäß 8.426 € als Vorauszahlung überwies. Angesichts der einbrechenden Corona-Epidemie kam es am 16.3.2020 zum Lockdown. Das in ganz Niedersachsen angeordnete Beherbergungsverbot für Touristen war seinerzeit auch Gegenstand medialer Berichterstattung. Am 17.3.2020 telefonierte der Kläger mit der bei der Beklagten angestellten und für die Reservierung zuständigen Frau F. Mit E-Mail vom 18.3.2020 teilte diese dem Kläger unter dem Betreff "Storno" mit: "Die Gruppenreise für Rendezvous-Tours haben wir erstmals bei uns Storniert. Die Anzahlung haben wir auf ein "Gutschein" Konto umgebucht & halten dieses bis zum Umbuchungstermin offen. Wie würden uns sehr über einen Alternativtermin freuen."

Auf E-Mail-Aufforderungen des Klägers zur Rückzahlung seiner Vorauszahlung teilte die Beklagte diesem mit E-Mails vom 22.5.2020 (GA 184) bzw. 30.07.2020 mit, dass man den Vorgang an die Buchhaltung der Beklagten zur Rückzahlung weitergeleitet habe. Am 16.9.2020 forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung bis einschließlich 30.9.2020 u.a. auf, die geleistete Vorauszahlung zurückzuerstatten. Die Beklagte hat im erstinstanzlichen Verhandlungstermin die Klageforderung i.H. eines Teilbetrages von 1.343 € anerkannt.

Das LG hat dem Kläger die offenen Klageforderungen zugesprochen. Das OLG hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die Gründe:
Der Kläger kann von der Beklagten die Rückzahlung des vorgeleisteten Betrages i.H.v. noch 7.083 € gem. den §§ 346 Abs. 1, 275 Abs. 1, 326 Abs. 1 und 4 BGB verlangen. Denn der Beklagten ist die Erbringung ihrer vertraglichen Leistungspflicht - der Beherbergung von Touristen - aufgrund der coronabedingten Untersagung der Beherbergung von Personen zu touristischen Zwecken unmöglich geworden, ohne dass der Kläger zuvor die vereinbarte Leistung storniert hätte oder die Parteien eine eigenständige Vereinbarung zur Regelung der Corona-Auswirkungen getroffen hätten oder dass eine analoge Anwendung des § 313 BGB in Frage käme.

Aus der Angebots-E-Mail der Beklagten vom 17.10.2019 ergab sich der Zweck, dass die gebuchten Zimmer im Rahmen der "Saisoneröffnung" des Klägers der Unterbringung von touristischen Busreisegruppen dienen sollten. Andernfalls hätte sie diesem nicht den Rat erteilt, sich hinsichtlich einer Reiseleitung für Ausflüge an die örtliche Touristeninformation zu wenden. In der Reservierungsbestätigung vom 25.10.2019 erwähnte die Beklagte zudem eine "Kurtaxe" und bestätigte damit einen Tourismusbezug, denn dabei handelte es sich um eine allein von Touristen erhobene Abgabe zwecks Erhaltung/Ausbau der Tourismusinfrastruktur.

Im Streitfall war gerade die vertragsgegenständliche Bereitstellung der Hotelzimmer für touristische Übernachtungen durch die behördliche Anordnung untersagt, womit der vereinbarte Leistungserfolg nicht mehr herbeigeführt werden konnte und rechtliche Unmöglichkeit vorlag. Diese Zuordnung fügt sich in die bisherige BGH-Rechtsprechung zu den Auswirkungen coronabedingter Gewerbe-Schließungs-Anordnungen auf die dahinterstehenden zivilrechtlichen Rechtsverhältnisse ein. Auch wenn man zugunsten der Beklagten unterstellte, der Kläger habe am 17.3.2020 die Stornierung veranlasst, so war zu diesem Zeitpunkt bereits das Unmöglichkeits-Stadium eingetreten.

Entgegen der Ansicht der Beklagten schied auch vor dem Hintergrund ihres Vortrages, wonach allein sie die wirtschaftlichen Nachteile der Corona-Untersagung träfen und eine ungerechtfertigte Bereicherung des Klägers auf ihre Kosten möglich sei, eine analoge Anwendung des § 313 BGB aus. Insoweit fehlte es bereits an der für die Analogie erforderlichen Regelungslücke, denn der Gesetzgeber hat für die vorliegende rechtliche Unmöglichkeit mit den §§ 275, 326 BGB ein abgeschlossenes System von Rechtsnormen geschaffen, die zudem von dem Rechtsinstitut der Störung der Geschäftsgrundlage gerade streng zu unterscheiden sind. Da die Rechtsfolgen der coronabedingten Schließung eines touristischen Zwecken dienenden Hotels im Verhältnis zu einem mehrere Zimmer anmietenden (Reise-)Unternehmers in der ober- und höchstgerichtlichen Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt sind, wurde die Revision zum BGH zugelassen.

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MDR 2022, R219

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