28.04.2023

Treuhänder haftet wegen Auskehr des nach Restschuldbefreiung eingezogenen Neuerwerbs an die Gläubiger

Wird dem Schuldner rechtskräftig vorzeitige Restschuldbefreiung erteilt, steht das Vermögen, das der Schuldner nach Eintritt der tatbestandlichen Voraussetzungen für die vorzeitige Restschuldbefreiung erwirbt, ihm auch dann zu, wenn das Insolvenzverfahren vor Erteilung der Restschuldbefreiung aufgehoben worden ist; diesen Neuerwerb hat der Treuhänder bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag des Schuldners weiter einzuziehen, für die Masse zu sichern und nach rechtskräftiger Erteilung der Restschuldbefreiung an den Schuldner herauszugeben. Kehrt der Treuhänder den von ihm nach Eintritt der tatbestandlichen Voraussetzungen für die vorzeitige Restschuldbefreiung eingezogenen Neuerwerb an die Gläubiger aus statt ihn nach rechtskräftiger Erteilung der Restschuldbefreiung an den Schuldner herauszugeben, so hat er insoweit persönlich dem Schuldner Schadensersatz zu leisten.

BGH v. 16.3.2023 - IX ZR 150/22
Der Sachverhalt:
Mit Beschluss vom 17.8.2018 wurde das am 18.9.2015 eröffnete Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin aufgehoben und der Beklagte zu 2) zum Treuhänder bestellt. Dieser zog vom 18.9.2020 bis einschließlich Dezember 2020 die pfändbaren Gehaltsanteile der Klägerin von deren Konto ein. Nachdem die Klägerin bis zum 18.9.2020 die Kosten des Insolvenzverfahrens vollständig bezahlt hatte und ihr mit Beschluss vom 16.12.2020 die Restschuldbefreiung erteilt worden war, erstattete der Beklagte zu 2) der Klägerin den im Dezember 2020 eingezogenen Gehaltsanteil vollständig zurück, lehnte jedoch die Rückzahlung der vom 18.9. bis zum 30.11.2020 eingezogenen Beträge i.H.v. insgesamt rd. 2.000 € ab und kehrte diese an die Gläubiger aus. Die Klägerin nimmt - soweit noch von Interesse - den Beklagten zu 2) persönlich auf Rückerstattung der 2.000 € in Anspruch.

AG und LG verurteilten den Beklagten zu 2) antragsgemäß und wiesen die weitergehende Klage ab. Die Revision des Beklagten zu 2) hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Mit Recht ist das LG davon ausgegangen, dass der Beklagte zu 2) die ihn auf Grund der Treuhänderstellung gegenüber der Klägerin treffenden Pflichten verletzt hat, indem er die streitbefangenen Beträge i.H.v. 2.000 € aus den Monaten September bis November 2020 nicht an die Klägerin herausgegeben, sondern mit der Rechtsfolge des § 301 Abs. 3 InsO an die Gläubiger ausgekehrt hat. Damit liegt entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung der Revision ein Schaden vor.

Wie das LG zutreffend angenommen hat, sind auf das vorliegende Verfahren nach Maßgabe des Art. 103k Abs. 1 und 2 EGInsO die Vorschriften der InsO in der vor dem 1.10.2020 geltenden Fassung anzuwenden (InsO a.F.). Gem. § 300 Abs. 4 Satz 3 InsO a.F. (jetzt: § 300 Abs. 2 Satz 4 InsO) gelten die Vorschriften der §§ 299, 300a InsO a.F. entsprechend, wenn Restschuldbefreiung - wie hier - nach § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 InsO a.F. erteilt wird. Demnach gehört das Vermögen, das der Schuldner nach Eintritt der Voraussetzungen des § 300 Abs. 1 Satz 2 InsO a.F. erwirbt, nicht mehr zur Insolvenzmasse (§ 300a Abs. 1 Satz 1 InsO a.F.) und hat der Treuhänder bei Rechtskraft der Erteilung der Restschuldbefreiung dem Schuldner den Neuerwerb herauszugeben (§ 300a Abs. 2 Satz 3 InsO). Diese gesetzliche Regelung begründet eine entsprechende Verpflichtung des Treuhänders. Verletzt er sie pflichtwidrig, haftet der Treuhänder dem Schuldner persönlich auf Schadensersatz.

Nach dem Wortlaut des § 300a Abs. 1 Satz 1 InsO a.F., auf den § 300 Abs. 4 Satz 3 InsO a.F. verweist, ist für den Neuerwerb allein auf den Eintritt der Voraussetzungen des § 300 Abs. 1 Satz 2 InsO a.F. abzustellen. Die Gesetzesmaterialien belegen, dass keine die Rechtsfolgen des § 300a InsO a.F. modifizierende Verweisung beabsichtigt war. Der BGH hatte für sog. asymmetrische Verfahren, in denen die Restschuldbefreiung zu erteilen ist, bevor das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren aufgehoben hat, entschieden, dass der Insolvenzverwalter bis zur Rechtskraft der Entscheidung, mit der im laufenden Verfahren Restschuldbefreiung erteilt wird, den pfändbaren Neuerwerb einzuziehen, für die Masse zu sichern und nach rechtskräftiger Erteilung der Restschuldbefreiung an den Schuldner auszukehren hat.

Im Gesetzesentwurf der Bundesregierung war zunächst nur § 300a InsO-RegE enthalten, der diese höchstrichterliche Rechtsprechung umsetzen sollte. § 300 Abs. 4 Satz 3 InsO a.F. ist auf Vorschlag des Bundesrates eingefügt worden. Laut der Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages soll die entsprechende Anwendung von § 300a InsO a.F. verhindern, dass die Abtretung im Fall einer vorzeitigen Erteilung der Restschuldbefreiung erst mit Rechtskraft der Entscheidung endet. Das Abstellen auf den Eintritt der Voraussetzungen des § 300 Abs. 1 Satz 2 InsO a.F. ist i.Ü. auch nach Sinn und Zweck und auf Grund des systematischen Zusammenhangs der Regelung geboten.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung:
Zur Massezugehörigkeit von (Einkommen-)Steuererstattungsansprüchen bei Restschuldbefreiung im laufenden Insolvenzverfahren
BGH vom 13.01.2022 - IX ZR 64/21
ZIP 2022, 332

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