Übernahme der Postbank: Keine Aussetzung des erstinstanzlichen Klageverfahrens gegen den Willen der Kläger
OLG Köln 16.8.2018, 4 W 34/18Die Beklagte hatte im Jahr 2010 ein Angebot veröffentlicht, die Aktien der E-AG zum Preis von 25 €/Aktie zu erwerben. Nachdem sie auf der Grundlage dieses Angebots in erheblichem Umfang Aktien erworben hatte, haben verschiedene Aktionäre, die ihre Aktien entsprechend dem Angebot der Beklagten an diese veräußert hatten, Nachforderungen gem. § 31 Abs. 1 S. 1 WpÜG geltend gemacht, weil der Übernahmepreis unangemessen gewesen sei.
In einem dieser Verfahren hat der BGH mit Urteil vom 29.7.2014 (Az.: II ZR 353/12) entschieden, dass ein solcher Anspruch in Betracht komme, weil bei der Ermittlung des angemessenen Preises möglicherweise ein anderer Referenzzeitraum zugrunde zu legen sei. Er hat die Entscheidung des Berufungsgerichts (OLG Köln, Urt. v. 31.10.2012, Az.: 13 U 166/11) deshalb aufgehoben und das Verfahren zur weiteren Aufklärung zurück verwiesen. Der für dieses Verfahren zuständige 13. Zivilsenat des OLG Köln hat Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 27.3.2019 bestimmt. An diesem Tag soll auch über die weitere bei diesem Senat bereits anhängige Berufung aus diesem Komplex (Az.: 13 U 231/17) verhandelt werden, die sich gegen das Urteil des LG Köln vom 20.10.2017 (Az.: 82 O 11/15) richtet.
Zurzeit sind vor dem für Banksachen zuständigen 13. Zivilsenat zwei Zivilrechtsstreite anhängig, die sich mit der Frage beschäftigen, ob und ggf. in welcher Höhe die Minderheitsaktionäre zu entschädigen sind. Weitere über 40 Verfahren mit häufig mehreren, teilweise über 100 Klägern sind in der ersten Instanz vor dem LG Köln anhängig. In zahlreichen Verfahren haben sich die Parteien erstinstanzlich darauf geeinigt, den rechtskräftigen Ausgang des Verfahrens vor dem Oberlandesgericht Köln abzuwarten und so lange das Verfahren ruhend zu stellen. Das LG hat daraufhin alle Verfahren zum Ruhen gebracht. Einige Kläger haben dagegen Beschwerde zum OLG eingelegt.
Das OLG hat den Beschluss der Vorinstanz aufgehoben. Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Die erstinstanzlichen Verfahren können nicht gegen den Willen der Kläger zum Ruhen gebracht werden.
Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kommt eine Aussetzung in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO nicht in Betracht. Das Gesetz sieht keine entsprechende Möglichkeit vor. Insbesondere ist das Verfahren nicht "vorgreiflich" i.S.v. § 148 ZPO, da nach geltendem Prozessrecht die Entscheidung der beim Banksenat anhängigen Verfahren keine rechtliche Bindungswirkung für die anderen Verfahren hat. Zwar kann es praktisch sinnvoll sein, den rechtskräftigen Abschluss eines Verfahrens abzuwarten, da wegen des gleich gelagerten Sachverhalts vieles dafür spricht, dass die Verfahren gleich zu entscheiden sind. Dies ist aber eine rein "faktische Vorgreiflichkeit", die nicht unter § 148 ZPO fällt.
Gegen eine Aussetzung spricht zudem, dass der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage mit Wirkung zum 1.11.2018 eine neue Regelung in § 148 Abs. 2 ZPO eingeführt hat. Diese sieht für einen eng umgrenzten Bereich eine Aussetzungsmöglichkeit im Hinblick auf anhängige Musterfeststellungsklagen bei "faktischer Vorgreiflichkeit" für die Klagen von Unternehmen vor, die sich einer Musterfeststellungsklage nicht anschließen können, weil diese Möglichkeit nur Verbrauchern offensteht.
Der Gesetzgeber hat also das Problem der Parallelität von Klagen mit einer "Musterklage" ersichtlich gesehen, sich aber darauf beschränkt, nur für einen eng umgrenzten Bereich eine zusätzliche Aussetzungsmöglichkeit zu schaffen und dies auch nur im Interesse des jeweiligen Klägers und nicht etwa zur Schonung der "knappen Ressource Justiz". Daraus folgt, dass die Gerichte keine darüberhinausgehende Aussetzungsmöglichkeit haben.
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