18.09.2024

Umfang des Anspruchs eines Versicherungsvertreters auf einen Buchauszug

Der Anspruch eines Versicherungsvertreters auf Erteilung eines Buchauszugs gem. § 92 Abs. 2 HGB i.V.m. § 87c Abs. 2 HGB umfasst auch Angaben zu prämien- oder provisionsrelevanten Sondervereinbarungen zwischen dem Unternehmer und dem Versicherungsnehmer.

BGH v. 25.7.2024 - VII ZR 145/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin war für die Beklagte von 1995 bis September 2018 als selbständige Handelsvertreterin tätig. Sie erhielt Abschlussprovisionen, Betreuungs- und Verwaltungsprovisionen sowie Verlängerungsprovisionen, über welche die Beklagte monatlich abrechnete. Am 17.7.2017 hatte die Beklagte den mit der Klägerin bestehenden Vertrag zum 30.9.2018 gekündigt. Nach Ende ihrer Tätigkeit forderte die Klägerin die Beklagte auf, ihr eine Berechnung ihres Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB nach den "Grundsätzen zur Errechnung der Höhe des Ausgleichsanspruchs (§ 89b HGB)" sowie einen Buchauszug zukommen zu lassen.

Die Beklagte war der Ansicht, dass der Klägerin kein Ausgleichsanspruch zustehe. Auf das Buchauszugsverlangen der Klägerin reagierte die Beklagte zunächst nicht. Erst nach Anhängigkeit der Klage teilte die Beklagte der Klägerin im Januar 2019 mit, dass der Buchauszug erstellt sei und bei ihr abgeholt werden könne. Die Klägerin tat dies im September 2019.

Die Klägerin war der Auffassung, ihr Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs sei noch nicht erfüllt worden. Da das Abrechnungssystem der Beklagten fehlerhaft sei und zu fehlerhaften Abrechnungen führe, sei auch der vorgelegte Buchauszug fehlerhaft. Anhand des von der Beklagten als Buchauszug vorgelegten Dokuments sei es nicht möglich, den tatsächlich verdienten Provisionsanspruch zu berechnen. Die von ihr geltend gemachten Auskunftsansprüche rechtfertigten sich aus § 87c Abs. 3 HGB und aus § 89b HGB. Die Beklagte habe ferner seit Oktober 2018 keine Provisionsabrechnungen mehr erteilt und rechne auch nicht über eine in unzulässiger Weise gebildete Stornoreserve ab.

LG und OLG haben der Klage nur teilweise stattgegeben. Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, auf Angaben zu "Art und Inhalt des Vertrages (Sparte, Tarifart, prämien- oder provisionsrelevante Sondervereinbarungen)" bestehe zur Prämienberechnung ein Anspruch, soweit sie sich auf Sparte und Tarifart bezögen. Hingegen bestehe kein Anspruch auf Angaben zu "prämien- oder provisionsrelevanten Sondervereinbarungen". Dieser Begriff sei wertungsabhängig und damit für die Zwangsvollstreckung nicht genügend bestimmt. Angaben hierzu könnten deshalb vom Handelsvertreter im Rahmen eines Buchauszugs nicht verlangt werden.

Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin war vor dem BGH erfolgreich.

Gründe:
Der Anspruch eines Versicherungsvertreters auf Erteilung eines Buchauszugs gem. § 92 Abs. 2 HGB i.V.m. § 87c Abs. 2 HGB umfasst auch Angaben zu prämien- oder provisionsrelevanten Sondervereinbarungen zwischen dem Unternehmer und dem Versicherungsnehmer.

Der Versicherungsvertreter kann gem. § 92 Abs. 2 HGB i.V.m. § 87c Abs. 2 HGB bei der Abrechnung einen Buchauszug über alle Geschäfte verlangen, für die ihm nach § 87 HGB Provision gebührt. Der Buchauszug muss die im Zeitpunkt seiner Aufstellung für die Berechnung, die Höhe und die Fälligkeit der Provisionen relevanten Geschäftsverhältnisse vollständig widerspiegeln, soweit sie sich aus den Büchern des Unternehmers entnehmen lassen (BGH, Urt. v. 21.3.2001 - VIII ZR 149/99). Welche Angaben über die Geschäfte für die Provision des Handelsvertreters im Einzelfall von Bedeutung sind, hängt von der zwischen dem Handelsvertreter und dem Unternehmer geltenden Provisionsregelung ab. Diese ergibt sich in erster Linie aus der zwischen ihnen getroffenen Provisionsvereinbarung und aus den zwingenden gesetzlichen Regelungen (§ 87a Abs. 2 - 4 HGB) sowie, soweit eine besondere Vereinbarung nicht getroffen wurde, aus den dispositiven gesetzlichen Vorschriften (§§ 92, 87, 87a Abs. 1 HGB).

Der Buchauszug soll es dem Handelsvertreter ermöglichen, sich über seine Provisionsansprüche Klarheit zu verschaffen und die ihm vom Unternehmer erteilten oder noch zu erteilenden Provisionsabrechnungen zu überprüfen (vgl. BGH, Urt. v. 3.8.2017 - VII ZR 32/17). Er muss daher eine bis ins Einzelne gehende Bestandsaufnahme der Kundenbeziehungen des Unternehmers, soweit sie die Provisionsansprüche des Handelsvertreters berühren, einerseits und der vertraglichen Beziehungen zwischen Unternehmer und Handelsvertreter andererseits darstellen. Er hat deshalb neben der genauen Anschrift des Vertragspartners für den Vertreter wesentliche Inhalte der Verträge, nämlich die gelieferte Menge, Preise und sonstige Abreden, zu enthalten. Die Erteilung des Buchauszugs darf keine Vorwegnahme der Entscheidung enthalten, ob das in ihm aufgenommene Geschäft auch provisionspflichtig ist oder nicht. Nur die zweifelsfrei nicht provisionspflichtigen Geschäfte können bei der Erteilung des Buchauszugs unberücksichtigt bleiben.

Infolgedessen gehören zu den von einem Versicherungsvertreter zu verlangenden Angaben in einem Buchauszug über die zur Identifizierung des Geschäfts notwendigen Merkmale (Versicherungsnehmer, Versicherungsscheinnummer, Art und Sparte des Vertrags, Tarif) hinaus auch Angaben zu dem für die Provision wesentlichen Inhalt des Versicherungsvertrags (Jahresprämie, prämien- und provisionsrelevante Sondervereinbarungen). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der auf Aufnahme dieser Angaben gerichtete Klageantrag der Klägerin hinreichend bestimmt.

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