08.05.2024

Umstrukturierungsbeihilfe für Condor nichtig

Der Beschluss der Kommission, mit dem zugunsten der Charter-Fluggesellschaft Condor eine Umstrukturierungsbeihilfe genehmigt wurde, wird für nichtig erklärt. Angesichts der Bedenken, die die Kommission in Bezug auf die Vereinbarkeit dieser Beihilfe mit dem Unionsrecht hätte hegen müssen, wäre sie zur Einleitung eines förmlichen Prüfverfahrens verpflichtet gewesen.

EuG v. 8.5.2024 - T-28/22
Der Sachverhalt:
Im Juli 2021 genehmigte die EU-Kommission, ohne ein förmliches Prüfverfahren einzuleiten, eine Umstrukturierungsbeihilfe i.H.v. 321 Mio. €, die Deutschland der deutschen Charter-Fluggesellschaft Condor zu gewähren beabsichtigte. Durch diese Beihilfe sollte Condor bei ihrer Umstrukturierung und bei der Fortsetzung ihrer Tätigkeit unterstützt werden. Mit ihr sollten die Schwierigkeiten überbrückt werden, in denen sich Condor aufgrund der Insolvenz ihrer ehemaligen Muttergesellschaft Thomas Cook befand. Ryanair focht den Beschluss der Kommission beim EuG an.

Im Zusammenhang mit der Thomas-Cook-Insolvenz war Condor bereits eine Rettungsbeihilfe gewährt worden, die die Kommission im Oktober 2019 genehmigt hatte. Die von Ryanair gegen diesen Beschluss erhobene Klage hatte das EuG mit Urteil vom 18.5.2022 (T-577/20) abgewiesen. Gegen dieses Urteil hatte Ryanair kein Rechtsmittel beim EuGH eingelegt.

Das EuG erklärt den streitgegenständlichen Beschluss der Kommission für nichtig. Gegen Entscheidungen des EuG kann ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel eingelegt werden.

Die Gründe:
Die Kommission hätte die in Rede stehende Umstrukuturierungsbeihilfe nicht ohne Einleitung eines förmlichen Prüfverfahrens genehmigen dürfen. Ryanair hat hinreichend dargelegt, dass die Kommission Bedenken hätte hegen müssen, die die Einleitung eines solchen Verfahrens rechtfertigen.

So hätte die Kommission sich fragen müssen, ob die in Rede stehende Beihilfe dem Erfordernis einer angemessenen Lastenverteilung gerecht wird. Dieses Erfordernis stellt die Kommission in ihren Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten auf. Insbesondere sollen diesem Erfordernis zufolge alle staatlichen Beihilfen, die die Eigenkapitalposition des begünstigten Unternehmens verbessern, zu Konditionen gewährt werden, die dem Staat einen angemessenen Anteil an künftigen Wertgewinnen des Empfängers zusichern.

Nach Auffassung des EuG verbessert die in Rede stehende Umstrukturierungsbeihilfe, die namentlich in Form einer teilweisen Abschreibung der Schulden von Condor gewährt wird, die Eigenkapitalposition des begünstigten Unternehmens. Nichts im angefochtenen Beschluss deutet indessen darauf hin, dass die Kommission geprüft hätte, ob die fragliche Maßnahme zu Konditionen erlassen worden sei, die Deutschland einen angemessenen Anteil am künftigen Wertgewinn von Condor zusichere.

Im Übrigen wirken sich diese Bedenken, die die Kommission hätte hegen müssen, zwangsläufig auf deren Beurteilung dessen aus, wie weit die in ihrem Beschluss vorgesehen und auf Condor anwendbaren Maßnahmen zur Begrenzung der Wettbewerbsverzerrungen reichen. Das EuG hat dem Antrag von Ryanair auf Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission daher stattgegeben. Es hat aber klagestellt, dass Ryanair den fraglichen Beschluss beim EuG nur insoweit anfechten kann, als sie damit ihre Verfahrensrechte im Rahmen des förmlichen Prüfverfahrens wahren will. Dagegen kann Ryanair die Rechtmäßigkeit des Inhalts des Beschlusses nicht beanstanden. Denn Ryanair hat nicht nachgewiesen, dass ihre wettbewerbliche Stellung durch die fragliche Beihilfe spürbar beeinträchtigen werden könne und dass sie mithin vom Beschluss der Kommission individuell betroffen sei.

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EuGH PM Nr. 83 vom 8.5.2024
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