20.05.2014

Unbefugte Abhebung mit Originalkarte: Anscheinsbeweis spricht für unsorgfältige Aufbewahrung der PIN

Bei unbefugten Abhebungen mit einer Originalkarte mit Eingabe der PIN spricht der Anscheinsbeweis dafür, dass der Karteninhaber die PIN grob unsorgfältig verwahrt hat und deshalb ein unbefugter Dritter die PIN erfahren hat. Es steht demgegenüber außerhalb der Lebenswahrscheinlichkeit, dass jemand eine Originalkarte erst stiehlt und dann mittels einer Kartendoublette ohne Verwendung der gerade gestohlenen Originalkarte Abhebungen vornimmt.

AG München 8.2.2014, 121 C 10360/12
Der Sachverhalt:
Die 76 Jahre alte Klägerin hat bei der beklagten Bank in München ein Aktiv-Sparcard Konto. Für dieses Konto besitzt die Klägerin eine Sparcard mit Magnetstreifen, mit der unter Eingabe der persönlichen Geheimzahl (PIN) an Bankautomaten Geld abgehoben werden kann. Am 2.12.2011 hielt sich die Klägerin in Spanien im Urlaub auf. Sie ging dort in einem Supermarkt einkaufen. An der Kasse stellte sie um 12:28 Uhr fest, dass ihr Geldbeutel mit der Sparcard nicht mehr in ihrer Handtasche war.

Daraufhin informierte sie sofort telefonisch ihre Tochter zu Hause, die die Sperrung der Karte veranlasste. Die Sperrung wurde von der beklagten Bank um 13:03 Uhr bestätigt. Am 2.12.11 wurden von der Karte neun Abhebungen vorgenommen i.H.v. insgesamt 2.000 €. Die Abhebungen erfolgten sechs Mal i.H.v. jeweils 300 €, 140 €, 20 € und 40 € in der Zeit von 11:37 bis 11:43 Uhr. Die Klägerin hat noch nie selbst Geld mit ihrer Sparcard von einem Geldautomaten mit der PIN abgehoben. Sie behauptet, die persönliche PIN nicht schriftlich in ihrem Geldbeutel aufbewahrt zu haben und sie auch nicht an Dritte weitergegeben zu haben. Sie wisse die PIN nur aus dem Gedächtnis. Daher könne die Abhebung nur durch elektronische Manipulation mittels Skimming erfolgt sein.

Die Beklagte behauptet demgegenüber, die Abhebungen hätten aufgrund der Winterzeit tatsächlich von 12:37 Uhr bis 12:43 Uhr stattgefunden. Die Datensatzverarbeitung erfolge über VISA London, so dass entsprechend derartige Verbuchungen auf den Kontoauszügen nicht den tatsächlichen Zeitpunkt der Verfügung aufwiesen, sondern die immer gleichbleibende Greenwich Meantime (GMT), bei der Sommer- und Winterzeit nicht berücksichtigt würden. Die beklagte Bank gibt an, sie verwende seit dem Jahr 2000 ein sicheres Verschlüsselungssystem, das nicht auslesbar und vor unberechtigtem Zugriff Dritter sicher sei.

Das AG wies die Klage, mit der die Klägerin Rückbuchung der Abhebungen von ihrem Konto begehrt, ab. Das Urteil ist rechtskräftig.

Die Gründe:
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rückbuchung der von ihrem Konto abgehobenen Beträge.

Der durch das Gericht vernommene sachkundige Zeuge, ein Mitarbeiter der beklagten Bank, hat erläutert, dass für die Transaktionsarten am Geldautomaten Codes vergeben werden. Sofern eine falsche PIN eingegeben werde, stehe in den Notizknotenpunktprotokollen der Code 55. Code 13 bedeute, dass das Tageslimit überschritten war und Code 04 bedeute, dass die Auszahlung aufgrund einer erfolgten Sperrung verweigert wurde. Anhand der Transaktionsart 14211, die für die unberechtigten Abhebungen angegeben wurde, sei erwiesen, dass es sich um Bargeldabhebungen an einem Bankautomaten durch eine natürliche Person mittels Eingabe der PIN gehandelt haben muss und nicht um beispielsweise einen Onlinebanking-Vorgang oder eine EC-Cash-Zahlung an einer Kasse.

Damit steht fest, dass die Abhebungen mit der Originalkarte unter Verwendung der PIN vorgenommen wurden. Es steht außerhalb der Lebenswahrscheinlichkeit, dass jemand eine Originalkarte erst stiehlt und dann mittels einer Kartendoublette ohne Verwendung der gerade gestohlenen Originalkarte Abhebungen vornimmt. Bei missbräuchlicher Abhebung an einem Geldautomaten unter Eingabe der richtigen PIN zeitnah nach dem Diebstahl spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Karteninhaber pflichtwidrig die PIN auf der Karte notiert hat oder gemeinsam mit dieser verwahrt hat.

AG München PM vom 19.5.2014
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