28.06.2024

Ungefragtes Übersenden von eigenen Nacktbildern kann Geldentschädigung begründen

Das ungefragte Übersenden von Textnachrichten, Bildern und eines Videos mit anzüglichem Inhalt (sog. Sexting), kann eine Geldentschädigung begründen. Solche Handlungen übersteigen in ihrer Intensität die bloße Beleidigungshandlung und erfordern eine entschiedenere Antwort des Rechtsstaats zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als einen strafbewehrten Unterlassungstitel.

LG Stralsund v. 6.6.2024 - 4 O 19/24
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist durch Auftritte in einer Serie einem breiten Publikum bekannt. Auf ihrem Instagram-Account folgen ihr mehr als eine halbe Million Follower. Am 11.4.2023 hatte der Beklagte ihr als Antwort auf verschiedene Instagram-Stories Textnachrichten mit anzüglichem Inhalt übersandt. Am 4.6.2023 übersandte er der Klägerin fünf Fotos mit Bildern von einem entblößten Penis in verschiedenen Erektionsstadien. Am 6.6.2023 stellte die Klägerin Strafanzeige gegen den Beklagten. Er wurde diesbezüglich am 12.9.2023 von der Polizei vernommen. Zuvor, am 19.8.2023 hatte der Kläger der Beklagte noch ein Video, bestehend aus einer Collage von Wiederholungen von Bildnissen der Klägerin, eigenen Penisfotos und einem eigenen Masturbationsvideo, übersandt.

Der Beklagte ist mit der Klägerin nicht bekannt und stand vor Übersendung der Nachrichten in keinem Kontakt mit der Klägerin. Am 20.10.2023 wurde gegen den Beklagten ein rechtskräftiger Strafbefehl i.H.v. 80 Tagessätzen erlassen. Zudem wurde dem Beklagten durch ein rechtskräftiges Versäumnisurteil vom 8.12.2023 aufgegeben, das inkriminierte Verhalten zu unterlassen. Am 21.12.2023 forderte die Klägerin den Beklagten zur Zahlung einer Geldentschädigung i.H.v. 10.000 €.

Das LG hat der Klage teilweise stattgegeben.

Die Gründe:
Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Geldentschädigung aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 184 Abs. 1 Ziff. 6, 185 StGB bzw. § 823 Abs. 1 BGB iVm Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG besteht i.H.v. 4.000 €.

Der Beklagte hatte mit dem beanstandeten Verhalten in einer Weise in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin eingegriffen, die eine Geldentschädigung unabweisbar machte. Eine Anspruchshöhe von 4.000 € hat das Gericht allerdings in Anbetracht der dargelegten Umstände als angemessen erachtet, aber auch ausreichend, um die erlittene Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin auszugleichen.

Hinsichtlich der Übersendung der Textnachrichten war die Zahlung einer Geldentschädigung nicht erforderlich. Bei den beanstandeten Äußerungen handelte es sich zwar um sexualisierte Beleidigungen. Die vorsätzliche, sexualisierte Beleidigung erfolgte aber ohne Breitenwirkung in der Öffentlichkeit. Zwar ist der Schutz der Persönlichkeit unabhängig davon, wie viele Personen an der Kommunikation teilnehmen. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht durch das Übersenden der Textnachrichten erwies sich insoweit auch im Zweipersonenverhältnis als rechtswidrig. Indessen war in diesem konkreten Einzelfall jedoch ein Bedürfnis für eine Geldentschädigung nicht gegeben. Die Klägerin erhielt für das Versenden der Textnachrichten nämlich hinreichende Genugtuung durch den rechtskräftigen Unterlassungstitel. Eine darüber hinausgehende Genugtuung oder Präventionswirkung war aufgrund der Strafbewehrung nicht erforderlich.

Der Unterlassungstitel bot jedoch keinen hinreichenden Ausgleich für die ungefragt übersandten Fotos und das Video. Insoweit war auch zu beachten, dass jedenfalls mehrere Beleidigungen in Folge, welche jede für sich genommen nicht geeignet sind eine Geldentschädigung nach sich zu ziehen, kumulativ eine solche rechtfertigen können (OLG Frankfurt, Urt. v. 7.7.2009, 16 U 15/09). Die Handlungen überstiegen in ihrer Intensität die bloße Beleidigungshandlung und erforderten eine entschiedenere Antwort des Rechtsstaats zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als einen strafbewehrten Unterlassungstitel.

Bei der konkreten Bemessung der Geldentschädigung war zu berücksichtigen, dass der Beklagte die Dateien jeweils als Direktnachricht an die Klägerin übersandt hatte. Die Verbreitung war somit denkbar gering. Eine nachhaltige und fortdauernde Interessen- oder Rufschädigung der Klägerin lag nicht vor. Letztlich war eine höhere Geldentschädigung nicht deswegen zuzusprechen, weil der Beklagte sich nicht gegen die Forderung gewehrt hatte. Allein der von der Klägerin vorgetragene Sachverhalt war Grundlage des Teilversäumnisurteils. Dieser vermochte aber eine Geldentschädigung i.H.v. 10.000 € nicht zu rechtfertigen.

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