Unwirksame Klausel in einem Kaufvertrag über einen Kommanditanteil an einer Fondsgesellschaft
BGH v. 26.3.2019 - II ZR 413/18
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine Gesellschaft, die gewerblich mit Geschäftsanteilen auf dem Zweitmarkt handelt. Mit Kauf- und Übertragungsvertrag vom 25./26.8.2008 verkaufte der Beklagte der Klägerin seinen Kommanditanteil an der MS "B. " Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. Reederei KG im Nennwert von 900.000 € für einen Kaufpreis von rd. 530.000 €. Nach Nr. 5 Satz 1 des Kaufvertrags war "Stichtag für die wirtschaftliche Wirkung des Verkaufs und der Übertragung der 1.8.2008." Nr. 2 des Vertrags verwies auf die umseitig abgedruckten Allgemeinen Vertragsbedingungen, die in § 3 folgende Regelung enthielten:
"§ 3 Stichtag, Abgrenzung, Kommanditistenhaftung
3.1 Da die dingliche Wirkung der Übertragung nicht zum Stichtag, sondern erst zum Übertragungszeitpunkt eintritt (vgl. § 5), werden sich die Parteien im Innenverhältnis so stellen, wie sie stehen würden, wäre die dingliche Wirkung zum Stichtag eingetreten.
3.2 Insbesondere, ohne Einschränkung des allgemeinen Grundsatzes nach vorstehendem Absatz soll Folgendes gelten:
a) Auszahlungen am oder nach dem Stichtag stehen dem Käufer zu, unabhängig davon, ob deren Grundlage vor oder nach dem Stichtag liegt. Insoweit tritt der Verkäufer bereits jetzt an den dies annehmenden Käufer sämtliche Rechte auf derartige Auszahlungen ab.
b) Die Parteien sind verpflichtet, im Innenverhältnis Lasten aus der Kommanditistenhaftung nach §§ 171 ff. HGB nach Maßgabe dieser Stichtagsabgrenzung zu tragen. Für Umstände, die die Kommanditistenhaftung vor dem Stichtag begründen, steht der Verkäufer ein, für Umstände, die die Kommanditistenhaftung ab dem Stichtag begründen, steht der Käufer ein. Die Parteien stellen sich insoweit wechselseitig frei.
c) Für Umstände, die zur Verpflichtung eines Kommanditisten zu Leistungen in das Vermögen der Fondsgesellschaft führen, gelten Sätze 2 und 3 des vorstehenden § 3.2 lit. b) entsprechend."
Nach § 5 der Allgemeinen Vertragsbedingungen stand die Übertragung der Beteiligung u.a. unter der aufschiebenden Bedingung der Zahlung des Kaufpreises an den Verkäufer und der Eintragung des Käufers als Kommanditist im Handelsregister.
Bis zu dem vereinbarten Stichtag hatte der Beklagte aus der Beteiligung Ausschüttungen i.H.v. insgesamt 288.000 € erhalten. Eine noch am 19.8.2008 an ihn erfolgte Ausschüttung von 36.000 € wurde mit dem Kaufpreis für die Beteiligung verrechnet und der übrige Betrag von der Klägerin gezahlt. Bis auf diese Ausschüttung erhielt die Klägerin aus der Beteiligung keine weiteren Auszahlungen. Das Ausscheiden des Beklagten aus der Kommanditgesellschaft wurde am 17.3.2009 in das Handelsregister eingetragen. Am 19.4.2014 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Kommanditgesellschaft eröffnet. Mit Schreiben vom 5.6.2015 forderte der Insolvenzverwalter die Klägerin unter Berufung auf § 172 Abs. 4, § 171 Abs. 1 HGB zur Rückzahlung der Ausschüttungen auf die von dem Beklagten erworbene Beteiligung auf.
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Freistellung durch Zahlung des Betrages von 288.000 € nebst Zinsen seit dem 15.7.2015 an den Insolvenzverwalter der Kommanditgesellschaft, hilfsweise auf Befreiung von der Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter in dieser Höhe in Anspruch.
Das LG gab dem Zahlungsantrag statt. Das OLG wies die Klage insgesamt ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das OLG hat zutreffend angenommen, dass der Klägerin kein vertraglicher Freistellungsanspruch aus § 3.2.b AGB gegen den Beklagten zusteht. Es hat die Klausel, die der Senat unabhängig von ihrem räumlichen Geltungsbereich selbst auslegen kann, jedenfalls zu Recht wegen Intransparenz gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BGB für unwirksam erachtet, weil die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
Gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners, die gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB die Unwirksamkeit der betreffenden Bestimmung zur Folge hat, auch daraus ergeben, dass diese nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender von AGB, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört nicht nur, dass die einzelne Regelung für sich genommen klar formuliert ist, vielmehr muss die Regelung auch im Kontext mit den übrigen Regelungen des Klauselwerks verständlich sein. Die Klausel muss zudem die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen für einen durchschnittlichen Vertragspartner so weit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Abzustellen ist dabei auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines typischen Vertragspartners bei Verträgen der geregelten Art.
Diesen Anforderungen wird die Freistellungsregelung in § 3.2.b der AGB ("Für Umstände, die die Kommanditistenhaftung vor dem Stichtag begründen, steht der Verkäufer ein, für Umstände, die die Kommanditistenhaftung ab dem Stichtag begründen, steht der Käufer ein. Die Parteien stellen sich insoweit wechselseitig frei.") nicht gerecht. Die Pflichten, die durch die darin enthaltene interne Verteilung der Kommanditistenhaftung und die daran anknüpfende Freistellungsverpflichtung für den Verkäufer der Kommanditbeteiligung begründet werden, sind weder hinreichend deutlich noch ausreichend klar und durchschaubar dargestellt, so dass auch die daraus folgenden wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen für einen durchschnittlichen Vertragspartner der Klägerin nicht genügend erkennbar und einschätzbar sind. Das gilt schon für die Regelung in § 3.2.b AGB für sich genommen, erst Recht aber in Gesamtschau mit den übrigen Regelungen in § 3 AGB. Die Klausel ist mithin nicht klar und verständlich und deshalb gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BGB unwirksam.
Die in Satz 2 der Klausel genannten "Umstände", die die Kommanditistenhaftung vor bzw. ab dem Stichtag "begründen" sollen, sind nicht hinreichend bestimmt. Mangels Konkretisierung, was mit diesen haftungsbegründenden Umständen gemeint sein soll, ist auch für einen mit den Grundzügen der Kommanditistenhaftung vertrauten durchschnittlichen Anleger nicht ersichtlich, in welchen Fällen er für Lasten aus seiner Kommanditbeteiligung noch nach deren Veräußerung einzustehen haben und zur Freistellung der Käuferin verpflichtet sein soll. Mangels Präzisierung der nach § 3.2.b AGB haftungsbegründenden Umstände kann der durchschnittliche Vertragspartner der Klägerin damit auch in keiner Weise erkennen oder einschätzen, welche möglicherweise erheblichen Nachteile und Belastungen aufgrund dieser Vertragsregelung ggf. auf ihn zukommen. Diese Intransparenz wird durch die übrigen Formulierungen und Regelungen in § 3 AGB noch verstärkt.
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Die Klägerin ist eine Gesellschaft, die gewerblich mit Geschäftsanteilen auf dem Zweitmarkt handelt. Mit Kauf- und Übertragungsvertrag vom 25./26.8.2008 verkaufte der Beklagte der Klägerin seinen Kommanditanteil an der MS "B. " Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. Reederei KG im Nennwert von 900.000 € für einen Kaufpreis von rd. 530.000 €. Nach Nr. 5 Satz 1 des Kaufvertrags war "Stichtag für die wirtschaftliche Wirkung des Verkaufs und der Übertragung der 1.8.2008." Nr. 2 des Vertrags verwies auf die umseitig abgedruckten Allgemeinen Vertragsbedingungen, die in § 3 folgende Regelung enthielten:
"§ 3 Stichtag, Abgrenzung, Kommanditistenhaftung
3.1 Da die dingliche Wirkung der Übertragung nicht zum Stichtag, sondern erst zum Übertragungszeitpunkt eintritt (vgl. § 5), werden sich die Parteien im Innenverhältnis so stellen, wie sie stehen würden, wäre die dingliche Wirkung zum Stichtag eingetreten.
3.2 Insbesondere, ohne Einschränkung des allgemeinen Grundsatzes nach vorstehendem Absatz soll Folgendes gelten:
a) Auszahlungen am oder nach dem Stichtag stehen dem Käufer zu, unabhängig davon, ob deren Grundlage vor oder nach dem Stichtag liegt. Insoweit tritt der Verkäufer bereits jetzt an den dies annehmenden Käufer sämtliche Rechte auf derartige Auszahlungen ab.
b) Die Parteien sind verpflichtet, im Innenverhältnis Lasten aus der Kommanditistenhaftung nach §§ 171 ff. HGB nach Maßgabe dieser Stichtagsabgrenzung zu tragen. Für Umstände, die die Kommanditistenhaftung vor dem Stichtag begründen, steht der Verkäufer ein, für Umstände, die die Kommanditistenhaftung ab dem Stichtag begründen, steht der Käufer ein. Die Parteien stellen sich insoweit wechselseitig frei.
c) Für Umstände, die zur Verpflichtung eines Kommanditisten zu Leistungen in das Vermögen der Fondsgesellschaft führen, gelten Sätze 2 und 3 des vorstehenden § 3.2 lit. b) entsprechend."
Nach § 5 der Allgemeinen Vertragsbedingungen stand die Übertragung der Beteiligung u.a. unter der aufschiebenden Bedingung der Zahlung des Kaufpreises an den Verkäufer und der Eintragung des Käufers als Kommanditist im Handelsregister.
Bis zu dem vereinbarten Stichtag hatte der Beklagte aus der Beteiligung Ausschüttungen i.H.v. insgesamt 288.000 € erhalten. Eine noch am 19.8.2008 an ihn erfolgte Ausschüttung von 36.000 € wurde mit dem Kaufpreis für die Beteiligung verrechnet und der übrige Betrag von der Klägerin gezahlt. Bis auf diese Ausschüttung erhielt die Klägerin aus der Beteiligung keine weiteren Auszahlungen. Das Ausscheiden des Beklagten aus der Kommanditgesellschaft wurde am 17.3.2009 in das Handelsregister eingetragen. Am 19.4.2014 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Kommanditgesellschaft eröffnet. Mit Schreiben vom 5.6.2015 forderte der Insolvenzverwalter die Klägerin unter Berufung auf § 172 Abs. 4, § 171 Abs. 1 HGB zur Rückzahlung der Ausschüttungen auf die von dem Beklagten erworbene Beteiligung auf.
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Freistellung durch Zahlung des Betrages von 288.000 € nebst Zinsen seit dem 15.7.2015 an den Insolvenzverwalter der Kommanditgesellschaft, hilfsweise auf Befreiung von der Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter in dieser Höhe in Anspruch.
Das LG gab dem Zahlungsantrag statt. Das OLG wies die Klage insgesamt ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das OLG hat zutreffend angenommen, dass der Klägerin kein vertraglicher Freistellungsanspruch aus § 3.2.b AGB gegen den Beklagten zusteht. Es hat die Klausel, die der Senat unabhängig von ihrem räumlichen Geltungsbereich selbst auslegen kann, jedenfalls zu Recht wegen Intransparenz gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BGB für unwirksam erachtet, weil die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
Gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners, die gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB die Unwirksamkeit der betreffenden Bestimmung zur Folge hat, auch daraus ergeben, dass diese nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender von AGB, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört nicht nur, dass die einzelne Regelung für sich genommen klar formuliert ist, vielmehr muss die Regelung auch im Kontext mit den übrigen Regelungen des Klauselwerks verständlich sein. Die Klausel muss zudem die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen für einen durchschnittlichen Vertragspartner so weit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Abzustellen ist dabei auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines typischen Vertragspartners bei Verträgen der geregelten Art.
Diesen Anforderungen wird die Freistellungsregelung in § 3.2.b der AGB ("Für Umstände, die die Kommanditistenhaftung vor dem Stichtag begründen, steht der Verkäufer ein, für Umstände, die die Kommanditistenhaftung ab dem Stichtag begründen, steht der Käufer ein. Die Parteien stellen sich insoweit wechselseitig frei.") nicht gerecht. Die Pflichten, die durch die darin enthaltene interne Verteilung der Kommanditistenhaftung und die daran anknüpfende Freistellungsverpflichtung für den Verkäufer der Kommanditbeteiligung begründet werden, sind weder hinreichend deutlich noch ausreichend klar und durchschaubar dargestellt, so dass auch die daraus folgenden wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen für einen durchschnittlichen Vertragspartner der Klägerin nicht genügend erkennbar und einschätzbar sind. Das gilt schon für die Regelung in § 3.2.b AGB für sich genommen, erst Recht aber in Gesamtschau mit den übrigen Regelungen in § 3 AGB. Die Klausel ist mithin nicht klar und verständlich und deshalb gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BGB unwirksam.
Die in Satz 2 der Klausel genannten "Umstände", die die Kommanditistenhaftung vor bzw. ab dem Stichtag "begründen" sollen, sind nicht hinreichend bestimmt. Mangels Konkretisierung, was mit diesen haftungsbegründenden Umständen gemeint sein soll, ist auch für einen mit den Grundzügen der Kommanditistenhaftung vertrauten durchschnittlichen Anleger nicht ersichtlich, in welchen Fällen er für Lasten aus seiner Kommanditbeteiligung noch nach deren Veräußerung einzustehen haben und zur Freistellung der Käuferin verpflichtet sein soll. Mangels Präzisierung der nach § 3.2.b AGB haftungsbegründenden Umstände kann der durchschnittliche Vertragspartner der Klägerin damit auch in keiner Weise erkennen oder einschätzen, welche möglicherweise erheblichen Nachteile und Belastungen aufgrund dieser Vertragsregelung ggf. auf ihn zukommen. Diese Intransparenz wird durch die übrigen Formulierungen und Regelungen in § 3 AGB noch verstärkt.
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