Unwirksame Klausel über Vermittlungsprovision bei Leiharbeitern
OLG Stuttgart v. 30.3.2021 - 10 U 318/20
Der Sachverhalt:
Die Klägerin betreibt gewerblich Arbeitnehmerüberlassung. Die Beklagte ist Inhaberin eines Betriebes für Metallbau und Schlosserei. Am 14.8.2018 hatten die Parteien einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag (AÜV) abgeschlossen, der eine Laufzeit ab 15.8.2018 bis 14.2.2020 vorsah. Der Kläger überließ der Beklagten zwei Leiharbeitnehmer. Die Beklagte teilte am 18.11.2018 der Klägerin mit, dass der Einsatz der beiden Mitarbeiter am 21.12.2018 ende und diese am 7.1.2019 wiederkommen sollten. Zum 21.12.2018 endete die Beschäftigung der Leiharbeitnehmer bei der Beklagten. Der Kläger kündigte den Leiharbeitnehmern zum 21.12.2018.
Der Kläger fertigte neue Arbeitsverträge vom 12.12.2018 mit den beiden Leiharbeitnehmern mit Arbeitsbeginn 7.1.2019. Mit Schreiben vom 21.12.2018 kündigte die Beklagte sodann den AÜV zum 4.1.2019. Zum 7.1.2019 stellte die Beklagte die beiden Mitarbeiter bei sich ein, der Zeitpunkt des Arbeitsvertragsschlusses ist streitig, ebenso ob die Mitarbeiter zu diesem Zeitpunkt noch in einem Arbeitsvertrag zur Klägerin standen.
Mit Rechnung vom 25.2.2019 stellte der Kläger der Beklagten insgesamt 14.994 € brutto als Vermittlungsprovision in Rechnung, berechnet auf Grundlage des § 11 Abs. 5 AÜV. Das von der Klägerin beauftragte Inkassobüro forderte unter Vorlage der Rechnung die Bezahlung mit Schreiben vom 18.3.2019 an. Diese darin geforderte Vermittlungsprovision ließ die Beklagte am 20.3.2019 zurückweisen. Der Kläger ließ mit Anwaltsschreiben vom 11.4.2019 die Rechnung vergeblich anmahnen.
Das LG hat der auf Vergütung gerichteten Klage im Wesentlichen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Gründe:
Die Klägerin kann von der Beklagten keine Vermittlungsprovision verlangen.
Zwar liegen die vertraglichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 S. 1, 5 AÜV vor. Jedoch ist die Vertragsklausel über die Vermittlungsprovision, welche der Kläger gestellt hat, gem. § 9 Abs. 1 Nr. 3 AÜG bzw. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Es handelt sich um eine von der Klägerin gestellte Geschäftsbedingung, die unter § 305 BGB fällt. Nach § 307 Abs. 1 BGB ist eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 AÜG ist eine Vereinbarung, die dem Entleiher untersagt, den Leiharbeitnehmer zu einem Zeitpunkt einzustellen, in dem dessen Arbeitsverhältnis zum Verleiher nicht mehr besteht, unwirksam; dies schließt die Vereinbarung einer angemessenen Vergütung zwischen Verleiher und Entleiher für die nach vorangegangenem Verleih oder mittels vorangegangenem Verleih erfolgte Vermittlung nicht aus.
Zwar ist die streitgegenständliche Provisionsklausel nicht deshalb unwirksam, weil sie nach der Dauer des neuen Arbeitsverhältnisses nicht differenziert. Die Vertragsklausel ist aber hinsichtlich der Provisionshöhe zu beanstanden (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 AÜG). Diese knüpft nicht an den Bruttoverdienst des Arbeitnehmers beim neuen Arbeitgeber, dem Entleiher, an. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine Provisionshöhe wie die streitgegenständliche angemessen ist, ist höchstrichterlich nicht geklärt. Der Senat legt bei der Prüfung der Angemessenheit die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde. In der BGH-Rechtsprechung wird ein die Grenze von zwei Bruttomonatsgehältern nicht überschreitender Provisionshöchstsatz selbst dann noch im Rahmen des Angemessenen i.S.v. § 9 Nr. 3 Halbsatz 2 AÜG akzeptiert, wenn die Vergütungsregelung - wie hier - undifferenziert und ohne Beschränkung auf bestimmte Tätigkeitsbereiche sämtliche Segmente des Arbeitsmarkts erfasst.
Diesen Kriterien wird die streitgegenständliche Provisionsklausel auf den ersten Blick gerecht, indem die Provision aus dem Produkt von Arbeitsstunden und Verrechnungssatz errechnet und die Arbeitsstunden max. 300 Arbeitsstunden und damit nicht mehr als die Arbeitsstunden von zwei Monaten betragen, wenn man von einer 40 Wochenstunden ausgeht. Jedoch stellt die vorliegende Klausel nicht auf das künftige Jahresbruttoeinkommen der Arbeitnehmer bei der Beklagten ab, sondern legt unabhängig von der Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses immer die von der Überlassungsdauer abhängige Stundenzahl multipliziert mit dem bislang angesetzten Verrechnungssatz zu Grunde. Die Klausel berücksichtigt, indem sie nicht auf das künftige Bruttogehalt des Arbeitnehmers abstellt, nicht hinreichend den wirtschaftlichen Vorteil, den der Entleiher erhält, und schränkt mit dieser Klausel die Berufsausübungsfreiheit der Arbeitnehmer unangemessen ein.
Landesrechtsprechung Baden-Württemberg
Die Klägerin betreibt gewerblich Arbeitnehmerüberlassung. Die Beklagte ist Inhaberin eines Betriebes für Metallbau und Schlosserei. Am 14.8.2018 hatten die Parteien einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag (AÜV) abgeschlossen, der eine Laufzeit ab 15.8.2018 bis 14.2.2020 vorsah. Der Kläger überließ der Beklagten zwei Leiharbeitnehmer. Die Beklagte teilte am 18.11.2018 der Klägerin mit, dass der Einsatz der beiden Mitarbeiter am 21.12.2018 ende und diese am 7.1.2019 wiederkommen sollten. Zum 21.12.2018 endete die Beschäftigung der Leiharbeitnehmer bei der Beklagten. Der Kläger kündigte den Leiharbeitnehmern zum 21.12.2018.
Der Kläger fertigte neue Arbeitsverträge vom 12.12.2018 mit den beiden Leiharbeitnehmern mit Arbeitsbeginn 7.1.2019. Mit Schreiben vom 21.12.2018 kündigte die Beklagte sodann den AÜV zum 4.1.2019. Zum 7.1.2019 stellte die Beklagte die beiden Mitarbeiter bei sich ein, der Zeitpunkt des Arbeitsvertragsschlusses ist streitig, ebenso ob die Mitarbeiter zu diesem Zeitpunkt noch in einem Arbeitsvertrag zur Klägerin standen.
Mit Rechnung vom 25.2.2019 stellte der Kläger der Beklagten insgesamt 14.994 € brutto als Vermittlungsprovision in Rechnung, berechnet auf Grundlage des § 11 Abs. 5 AÜV. Das von der Klägerin beauftragte Inkassobüro forderte unter Vorlage der Rechnung die Bezahlung mit Schreiben vom 18.3.2019 an. Diese darin geforderte Vermittlungsprovision ließ die Beklagte am 20.3.2019 zurückweisen. Der Kläger ließ mit Anwaltsschreiben vom 11.4.2019 die Rechnung vergeblich anmahnen.
Das LG hat der auf Vergütung gerichteten Klage im Wesentlichen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Gründe:
Die Klägerin kann von der Beklagten keine Vermittlungsprovision verlangen.
Zwar liegen die vertraglichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 S. 1, 5 AÜV vor. Jedoch ist die Vertragsklausel über die Vermittlungsprovision, welche der Kläger gestellt hat, gem. § 9 Abs. 1 Nr. 3 AÜG bzw. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Es handelt sich um eine von der Klägerin gestellte Geschäftsbedingung, die unter § 305 BGB fällt. Nach § 307 Abs. 1 BGB ist eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 AÜG ist eine Vereinbarung, die dem Entleiher untersagt, den Leiharbeitnehmer zu einem Zeitpunkt einzustellen, in dem dessen Arbeitsverhältnis zum Verleiher nicht mehr besteht, unwirksam; dies schließt die Vereinbarung einer angemessenen Vergütung zwischen Verleiher und Entleiher für die nach vorangegangenem Verleih oder mittels vorangegangenem Verleih erfolgte Vermittlung nicht aus.
Zwar ist die streitgegenständliche Provisionsklausel nicht deshalb unwirksam, weil sie nach der Dauer des neuen Arbeitsverhältnisses nicht differenziert. Die Vertragsklausel ist aber hinsichtlich der Provisionshöhe zu beanstanden (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 AÜG). Diese knüpft nicht an den Bruttoverdienst des Arbeitnehmers beim neuen Arbeitgeber, dem Entleiher, an. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine Provisionshöhe wie die streitgegenständliche angemessen ist, ist höchstrichterlich nicht geklärt. Der Senat legt bei der Prüfung der Angemessenheit die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde. In der BGH-Rechtsprechung wird ein die Grenze von zwei Bruttomonatsgehältern nicht überschreitender Provisionshöchstsatz selbst dann noch im Rahmen des Angemessenen i.S.v. § 9 Nr. 3 Halbsatz 2 AÜG akzeptiert, wenn die Vergütungsregelung - wie hier - undifferenziert und ohne Beschränkung auf bestimmte Tätigkeitsbereiche sämtliche Segmente des Arbeitsmarkts erfasst.
Diesen Kriterien wird die streitgegenständliche Provisionsklausel auf den ersten Blick gerecht, indem die Provision aus dem Produkt von Arbeitsstunden und Verrechnungssatz errechnet und die Arbeitsstunden max. 300 Arbeitsstunden und damit nicht mehr als die Arbeitsstunden von zwei Monaten betragen, wenn man von einer 40 Wochenstunden ausgeht. Jedoch stellt die vorliegende Klausel nicht auf das künftige Jahresbruttoeinkommen der Arbeitnehmer bei der Beklagten ab, sondern legt unabhängig von der Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses immer die von der Überlassungsdauer abhängige Stundenzahl multipliziert mit dem bislang angesetzten Verrechnungssatz zu Grunde. Die Klausel berücksichtigt, indem sie nicht auf das künftige Bruttogehalt des Arbeitnehmers abstellt, nicht hinreichend den wirtschaftlichen Vorteil, den der Entleiher erhält, und schränkt mit dieser Klausel die Berufsausübungsfreiheit der Arbeitnehmer unangemessen ein.