24.03.2022

Unzulässiger Vertrieb nachgeahmter Plastikuhren

Der Vertrieb einer nachgeahmten "Plastikuhr" kann trotz markenähnlicher Kennzeichnung wettbewerbswidrig sein. Es kann zu einer mittelbaren Herkunftstäuschung kommen, wenn dem Verkehr bekannt ist, dass etwa für Mode- und Sportartikelhersteller Uhren in Lizenz hergestellt werden und Kooperationen mit Künstlern im Uhrenmarkt nicht unüblich sind.

OLG Frankfurt a.M. v. 17.2.2022 - 6 U 202/20
Der Sachverhalt:
Die Klägerin vertreibt seit 1983 aus Kunststoff hergestellte Uhren. Die streitgegenständliche Modellserie wird in verschiedenen Designvarianten vertrieben, wobei die Klägerin hinsichtlich der farblichen Gestaltung der Uhren auch mit zeitgenössischen Künstlern zusammenarbeitet. Ihre Uhren sind ab einem Preis von 63 € erhältlich. Die Beklagte bot über die Plattform amazon.de Plastikarmbanduhren in unterschiedlichen Farben mit im Ziffernblatt aufgedruckten - von den klägerischen Bezeichnungen abweichenden - Kennzeichnungen zu Preisen zwischen 12,48 € und 13,67 € an.

Das LG wies die auf Unterlassen des Anbietens der gegenständlichen Uhrenmodelle gerichtete Klage ab. Auf die Berufung der Klägerin gab das OLG der Klage statt. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Revision zum BGH wurde nicht zugelassen. Die Beklagte kann jedoch mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision begehren.

Die Gründe:
Der Vertrieb der Uhren stellt eine unlautere Nachahmung der klägerischen Uhrenmodelle dar.

Dem Uhrenmodell der Klägerin kommt eine gesteigerte wettbewerbliche Eigenart zu. Es handelt sich um eine sehr reduzierte Uhrenserie zu einem vergleichsweise günstigen Preis aus einem damals für Uhren ungewöhnlichen Material, nämlich Plastik. Aufgrund der hohen Bekanntheit des Produktes ist hier von einem gesteigerter Grad an Eigenheit auszugehen. Diese wettbewerbliche Eigenart werde nicht durch wahllos von der Beklagten herangezogene andere Plastikuhren in Frage gestellt, die mit dem klägerischen Modell außer dem Material nicht viel Gemeinsames hätten.

Die Beklagte hat das klägerische Modell auch nachgeahmt. Nahezu sämtliche die Eigenart begründenden Merkmale wurden von ihr übernommen. Die im Ziffernblatt vorhandene abweichende Kennzeichnung schließt zwar eine unmittelbare Herkunftstäuschung aus. Es liegt aber eine sog. mittelbare Herkunftstäuschung vor. Auf dem Uhrenmarkt ist es üblich, dass mit Zweitmarken operiert wird. Verbreitet werden auch Uhren über Lizenzverträge für bekannte Mode- und Sportartikellabel hergestellt. Der Verkehr nimmt deshalb hier hinsichtlich der abweichenden Kennzeichnung der Uhren der Beklagten an, dass eine lizenzrechtliche Beziehung zur Klägerin besteht oder eine Zweitmarke vorliegt.

Die Beklagte beutet zudem den guten Ruf der Klägerin aus. Dabei kommt es nicht darauf an, dass es sich hier nicht um eine Luxus-Uhr handele. Auch niedrigpreisige Produkte können einer Rufausbeutung unterliegen, wenn der Verkehr ihnen eine besondere Wertschätzung entgegenbringt. Hier genießen die Plastikuhren des streitgegenständlichen Modells einen außerordentlichen Ruf. Sie sind das Synonym für die Produktgruppe der Plastikuhren, die die Klägerin erstmals großflächig auf den Markt gebracht hat. An dieses positive Image hat sich die Beklagte ohne Grund in so starkem Maße angelehnt, dass sie unlauter an der von der Klägerin durch eigene langjährige Anstrengungen am Markt erworbenen Wertschätzung profitiert.

Mehr zum Thema:
  • Aufsatz: Kloss - Der eingeschränkte "fliegende Gerichtsstand" im UWG (IPRB 2022, 40)
  • Aufsatz: Kelp - Rechtliche Möglichkeiten zur Bekämpfung von Markenpiraterie - Teil I (IPRB 2022, 15)
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OLG Frankfurt a.M. PM Nr. 24 vom 23.3.2022
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