20.06.2011

Urheberrecht: Zur Erhebung eines gerechten Ausgleichs wegen der Erlaubnis kostenloser privater Kopien

Die Mitgliedstaaten, die die Privatkopieausnahme eingeführt haben, müssen eine wirksame Erhebung des gerechten Ausgleichs gewährleisten, der dazu bestimmt ist, die Urheber zu entschädigen. Diese Ergebnispflicht besteht auch dann, wenn der gewerbliche Verkäufer der Vervielfältigungsmedien in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist.

EuGH 16.6.2011, C-462/09.
Hintergrund:
Nach der Richtlinie 2001/29/EG über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, haben die Urheber, die ausübenden Künstler und die Hersteller das ausschließliche Recht der Vervielfältigung von Ton-, Bild- und audiovisuellem Material. Ausnahmsweise können die Mitgliedstaaten jedoch private Kopien erlauben, sofern die Inhaber des Urheberrechts einen "gerechten Ausgleich" erhalten. Dieser muss dazu beitragen, dass den Rechtsinhabern die Nutzung ihrer geschützten Werke oder sonstigen Schutzgegenstände angemessen vergütet wird. Das niederländische Recht sieht eine solche Ausnahme für Kopien zum privaten Gebrauch vor. Die Entrichtung der Privatkopievergütung ist Sache des Herstellers oder Importeurs des Vervielfältigungsträgers.

Der Sachverhalt:
Die klagende "Stichting De Thuiskopie" ist die mit der Erhebung der Privatkopievergütung betraute niederländische Einrichtung. Beklagte ist die in Deutschland niedergelassene Gesellschaft "Opus", die über das Internet Rohlinge für Vervielfältigungsträger, also unbespielte Träger, vertreibt. Ihre Tätigkeit ist mittels niederländischsprachiger Websites, die auf die niederländischen Verbraucher abzielen, insbes. auf die Niederlande ausgerichtet.

Der von der Beklagten aufgesetzte Kaufvertrag sieht vor, dass eine von einem niederländischen Verbraucher aufgegebene Online-Bestellung in Deutschland bearbeitet wird und die Waren von Deutschland aus in die Niederlande für Rechnung und im Namen des Kunden durch ein Postbeförderungsunternehmen versandt werden. Die Beklagte zahlt für die an ihre Kunden in den Niederlanden gelieferten Datenträger weder dort noch in Deutschland eine Privatkopievergütung. Die Klägerin vertritt die Ansicht, die Beklagte sei als "Importeur" und infolgedessen als Schuldnerin der Privatkopievergütung zu betrachten, und erhob bei den niederländischen Gerichten Klage. Die Beklagte ist dagegen der Ansicht, dass die niederländischen Käufer als Importeure einzustufen seien.

Die niederländischen Gerichte wiesen die Zahlungsklage im ersten und zweiten Rechtszug ab. Hiergegen legte die Klägerin beim Hoge Raad der Nederlanden (Oberstes Gericht der Niederlande) Kassationsbeschwerde ein. Dieser rief daraufhin den EuGH an. Der Hoge Raad führt insbes. aus, mit der Annahme, dass der Käufer, also der einzelne Verbraucher, Importeur und damit Schuldner der Privatvergütung sei, werde letztlich eingeräumt, dass diese Vergütung faktisch nicht vereinnahmt werden könne, da der einzelne Käufer in der Praxis schwer zu ermitteln sei.

Die Gründe:
Da der Verursacher des dem ausschließlichen Inhaber eines Vervielfältigungsrechts entstandenen Schadens die Person ist, die ohne vorherige Genehmigung des Rechtsinhabers eine solche Vervielfältigung eines geschützten Werks für ihren privaten Gebrauch vornimmt, ist grundsätzlich diese Person verpflichtet, den mit dieser Vervielfältigung verbundenen Schaden wiedergutzumachen, indem sie den Ausgleich finanziert, der an den betroffenen Rechtsinhaber gezahlt wird. Allerdings hat der EuGH unter Berücksichtigung der praktischen Schwierigkeiten, die privaten Nutzer zu identifizieren, eine Ausnahme von diesem Grundsatz anerkannt.

Demnach steht es den Mitgliedstaaten frei, zur Finanzierung des gerechten Ausgleichs eine "Abgabe für Privatkopien" einzuführen, die nicht die betroffenen Privatpersonen, sondern diejenigen belastet, die über Anlagen, Geräte und Medien zur digitalen Vervielfältigung verfügen. Durch die Einführung der Privatkopieausnahme dürfen die berechtigten Interessen der Inhaber des Urheberrechts aber nicht ungebührlich verletzt werden. Daher erlegen die Bestimmungen der Urheberrechtsrichtlinie dem Mitgliedstaat, der die Privatkopieausnahme einführt, eine Ergebnispflicht in dem Sinne auf, dass er im Rahmen seiner Zuständigkeiten eine wirksame Erhebung des gerechten Ausgleichs gewährleisten muss.

Im Zusammenhang mit Verträgen wie im Streitfall erweist es sich als unmöglich, einen solchen Ausgleich bei den Endnutzern als Importeuren dieser Träger in die Niederlande zu erheben. Unter diesen Umständen ist es Sache der Träger der öffentlichen Gewalt, insbes. der Gerichte, dieses Mitgliedstaats, sich um eine Auslegung des nationalen Rechts zu bemühen, die im Einklang mit dieser Ergebnispflicht steht und die Erhebung dieses Ausgleichs bei dem Verkäufer gewährleistet, der zur Einfuhr dieser Träger dadurch beigetragen hat, dass er sie den Endnutzern zur Verfügung stellt.

In diesem Zusammenhang ist es ohne Einfluss auf diese Verpflichtung des Mitgliedstaats, dass bei Versandkäufen wie den im Ausgangsverfahren fraglichen der gewerbliche Verkäufer, der den im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats ansässigen Käufern als Endnutzern Anlagen, Geräte oder Medien zur Vervielfältigung zur Verfügung stellt, in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 60 vom 16.6.2011
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