Urheberrechtliche Ansprüche wegen des Angebots eines sog. Adblockers
LG Hamburg v. 14.1.2022 - 308 O 130/19
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist ein Verlagshaus, das u.a. mehrere Webseiten betreibt. Die Beklagte vertreibt das Programm "A. Plus", bei dem es sich um ein Browser-Plugin handelt. Das Programm arbeitet mit Filterlisten. Die sog. Black Lists (in Deutschland ist die "Easylist Germany" voreingestellt) enthalten u.a. spezifische Serverpfade bestimmter Online-Anbieter und deren AdServer. Sie enthalten auch globale Dateimerkmale, mit denen eine Mehrzahl von Seiteninhalten aufgrund von Gemeinsamkeiten im Pfad- und Dateinamen blockiert werden können. Das Programm führt dazu, dass bei eingeschaltetem AdBlocker die Webseiten auf dem Bildschirm des Nutzers ohne die den Eintragungen in der Blacklist entsprechende Werbung angezeigt werden, sofern die entsprechende Werbung nicht in einer sog. Whitelist eingetragen ist.
"A. Plus" sorgt in zwei Varianten dafür, dass als Werbung erkannte Elemente nicht auf dem Bildschirm des Nutzes erscheinen. Eine Variante besteht darin, dass ein Abruf von Inhalten von AdServern nicht durch den Browser ausgeführt wird. Eine weitere Variante ("Element Hiding") führt dazu, dass ein in den Arbeitsspeicher beim Nutzer geladenes Werbeelement nicht auf dem Monitor angezeigt wird. Nachdem ein gerichtliches, auf wettbewerbsrechtliche Anspruchsgrundlagen gestütztes Vorgehen der Klägerin vor dem LG Köln in erster Instanz ohne Erfolg geblieben war, setzte die Klägerin bei der Webseite Bild.de ein Programm ein, durch das Nutzer mit eingeschaltetem AdBlocker von der Nutzung ausgeschlossen werden.
Im Jahr 2016 kam es bei einer Seite der Klägerin dazu, dass bei eingeschaltetem "A. Plus" auch bestimmte redaktionelle Elemente nicht angezeigt wurden. Grund hierfür war die Aufnahme eines bestimmten "Element Hiding"-Filterbefehls ("codeteaser") in die EasyList Germany. Dies war Gegenstand eines Eilverfahrens vor der Kammer (Az. 308 O 244/16) und dem Hanseatischen OLG. Die Klägerin war der Ansicht, dass es sich bei der Programmierung ihrer Webseiten aufgrund der enthaltenen Steuerungselemente insgesamt um Computerprogramme i.S.d. § 69a Abs. 1 UrhG handele, an denen der Klägerin die ausschließlichen Nutzungsrechte zustünden.
Das LG hat die Unterlassungsklage abgewiesen.
Die Gründe:
Der Klägerin stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche gem. § 97 Abs. 1 UrhG nicht zu. Es liegt nämliche gerade keine unberechtigte Vervielfältigung und/oder Umarbeitung von urheberrechtlich geschützten Computerprogrammen i.S.d. §§ 69a, 69c Nr. 1 und 2 UrhG vor.
Dabei konnte es offenbleiben, ob die Dateien, die beim Abruf der Webseiten der Klägerin bzw. ihrer Tochterfirmen an die Nutzer übermittelt werden, als Computerprogramme i.S.d. § 69a UrhG geschützt sind. Auch konnte dahinstehen, ob die Klägerin hinsichtlich dieser Programme über ausschließliche Nutzungsrechte verfügt und damit aktivlegitimiert ist. Jedenfalls haben die Beklagten die Rechte der Klägerin an den Programmen zur Erstellung der Webseiten nicht verletzt. Die Beklagten sind nicht - gemeinsam mit dem jeweiligen Nutzer - Mittäter einer Urheberrechtsverletzung. Somit liegt keine unberechtigte Vervielfältigung i.S.d. § 69c Nr. 1 UrhG vor.
Die im Anschluss an das Speichern des Webseitenprogramms erfolgenden Vorgänge, die durch "A. Plus" erzeugt werden und die dazu führen, dass Werbung ausgeblendet wird, stellen keine Umarbeitung i.S.d. § 69c Nr. 2 UrhG dar. § 69c Nr. 2 UrhG gewährt dem Inhaber der Rechte an einem Computerprogramm ein umfassendes Umarbeitungs- und Bearbeitungsrecht unter Einschluss des Rechts, das Ergebnis einer Umarbeitung zu vervielfältigen. § 69c Nr. 2 UrhG nennt als Oberbegriff in wörtlicher Übernahme des entsprechenden Wortlauts der Computerprogrammrichtlinie und der internationalen Konventionen die "Umarbeitung" und fasst darunter in S. 1 beispielhaft die Übersetzung, Bearbeitung und das Arrangement. Es handelt sich dabei um ein weit gefasstes Recht, dem alle Abänderungen eines geschützten Computerprogramms unterfallen.
Die seitens der Klägerin übermittelten Dateien (u.a. HTML-Dokument) werden durch das Programm "A. Plus" nicht geändert. Das Programm hat aber Auswirkungen auf die Datenstrukturen, die vom Browser erzeugt werden. Unstreitig werden der DOM-Datenbaum und - in der Variante des "Element Hiding" - auch die CSS-Datenstrukturen (u.a. CSSOM) jedenfalls anders erstellt als dies von der Klägerin intendiert ist. In der Variante des Nichtabrufs von Werbung fehlt im DOM-Baum der entsprechende Inhalt (z.T. kommt es in der Folge auch zu "Ersatzhandlungen"). In der Variante des "Element Hiding" stellt "A. Plus" Formatierungsvorgaben (CSS) bereit, die die CSS-Datenstrukturen verändern, was auch zur Folge hat, dass an DOM-Elemente die durch "A. Plus" eingefügten CSS "angehängt" werden. Bei den durch "A. Plus" bewirkten Handlungen, die sich auf die Datenstrukturen auswirken, handelt es sich nicht um Umarbeitungen i.S.d. § 69c Nr. 2 UrhG. Vielmehr sind die Abläufe als Eingriffe in den Ablauf des Programms zu werten, die nicht von § 69c Nr. 2 UrhG erfasst sind.
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Landesrecht Hamburg
Die Klägerin ist ein Verlagshaus, das u.a. mehrere Webseiten betreibt. Die Beklagte vertreibt das Programm "A. Plus", bei dem es sich um ein Browser-Plugin handelt. Das Programm arbeitet mit Filterlisten. Die sog. Black Lists (in Deutschland ist die "Easylist Germany" voreingestellt) enthalten u.a. spezifische Serverpfade bestimmter Online-Anbieter und deren AdServer. Sie enthalten auch globale Dateimerkmale, mit denen eine Mehrzahl von Seiteninhalten aufgrund von Gemeinsamkeiten im Pfad- und Dateinamen blockiert werden können. Das Programm führt dazu, dass bei eingeschaltetem AdBlocker die Webseiten auf dem Bildschirm des Nutzers ohne die den Eintragungen in der Blacklist entsprechende Werbung angezeigt werden, sofern die entsprechende Werbung nicht in einer sog. Whitelist eingetragen ist.
"A. Plus" sorgt in zwei Varianten dafür, dass als Werbung erkannte Elemente nicht auf dem Bildschirm des Nutzes erscheinen. Eine Variante besteht darin, dass ein Abruf von Inhalten von AdServern nicht durch den Browser ausgeführt wird. Eine weitere Variante ("Element Hiding") führt dazu, dass ein in den Arbeitsspeicher beim Nutzer geladenes Werbeelement nicht auf dem Monitor angezeigt wird. Nachdem ein gerichtliches, auf wettbewerbsrechtliche Anspruchsgrundlagen gestütztes Vorgehen der Klägerin vor dem LG Köln in erster Instanz ohne Erfolg geblieben war, setzte die Klägerin bei der Webseite Bild.de ein Programm ein, durch das Nutzer mit eingeschaltetem AdBlocker von der Nutzung ausgeschlossen werden.
Im Jahr 2016 kam es bei einer Seite der Klägerin dazu, dass bei eingeschaltetem "A. Plus" auch bestimmte redaktionelle Elemente nicht angezeigt wurden. Grund hierfür war die Aufnahme eines bestimmten "Element Hiding"-Filterbefehls ("codeteaser") in die EasyList Germany. Dies war Gegenstand eines Eilverfahrens vor der Kammer (Az. 308 O 244/16) und dem Hanseatischen OLG. Die Klägerin war der Ansicht, dass es sich bei der Programmierung ihrer Webseiten aufgrund der enthaltenen Steuerungselemente insgesamt um Computerprogramme i.S.d. § 69a Abs. 1 UrhG handele, an denen der Klägerin die ausschließlichen Nutzungsrechte zustünden.
Das LG hat die Unterlassungsklage abgewiesen.
Die Gründe:
Der Klägerin stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche gem. § 97 Abs. 1 UrhG nicht zu. Es liegt nämliche gerade keine unberechtigte Vervielfältigung und/oder Umarbeitung von urheberrechtlich geschützten Computerprogrammen i.S.d. §§ 69a, 69c Nr. 1 und 2 UrhG vor.
Dabei konnte es offenbleiben, ob die Dateien, die beim Abruf der Webseiten der Klägerin bzw. ihrer Tochterfirmen an die Nutzer übermittelt werden, als Computerprogramme i.S.d. § 69a UrhG geschützt sind. Auch konnte dahinstehen, ob die Klägerin hinsichtlich dieser Programme über ausschließliche Nutzungsrechte verfügt und damit aktivlegitimiert ist. Jedenfalls haben die Beklagten die Rechte der Klägerin an den Programmen zur Erstellung der Webseiten nicht verletzt. Die Beklagten sind nicht - gemeinsam mit dem jeweiligen Nutzer - Mittäter einer Urheberrechtsverletzung. Somit liegt keine unberechtigte Vervielfältigung i.S.d. § 69c Nr. 1 UrhG vor.
Die im Anschluss an das Speichern des Webseitenprogramms erfolgenden Vorgänge, die durch "A. Plus" erzeugt werden und die dazu führen, dass Werbung ausgeblendet wird, stellen keine Umarbeitung i.S.d. § 69c Nr. 2 UrhG dar. § 69c Nr. 2 UrhG gewährt dem Inhaber der Rechte an einem Computerprogramm ein umfassendes Umarbeitungs- und Bearbeitungsrecht unter Einschluss des Rechts, das Ergebnis einer Umarbeitung zu vervielfältigen. § 69c Nr. 2 UrhG nennt als Oberbegriff in wörtlicher Übernahme des entsprechenden Wortlauts der Computerprogrammrichtlinie und der internationalen Konventionen die "Umarbeitung" und fasst darunter in S. 1 beispielhaft die Übersetzung, Bearbeitung und das Arrangement. Es handelt sich dabei um ein weit gefasstes Recht, dem alle Abänderungen eines geschützten Computerprogramms unterfallen.
Die seitens der Klägerin übermittelten Dateien (u.a. HTML-Dokument) werden durch das Programm "A. Plus" nicht geändert. Das Programm hat aber Auswirkungen auf die Datenstrukturen, die vom Browser erzeugt werden. Unstreitig werden der DOM-Datenbaum und - in der Variante des "Element Hiding" - auch die CSS-Datenstrukturen (u.a. CSSOM) jedenfalls anders erstellt als dies von der Klägerin intendiert ist. In der Variante des Nichtabrufs von Werbung fehlt im DOM-Baum der entsprechende Inhalt (z.T. kommt es in der Folge auch zu "Ersatzhandlungen"). In der Variante des "Element Hiding" stellt "A. Plus" Formatierungsvorgaben (CSS) bereit, die die CSS-Datenstrukturen verändern, was auch zur Folge hat, dass an DOM-Elemente die durch "A. Plus" eingefügten CSS "angehängt" werden. Bei den durch "A. Plus" bewirkten Handlungen, die sich auf die Datenstrukturen auswirken, handelt es sich nicht um Umarbeitungen i.S.d. § 69c Nr. 2 UrhG. Vielmehr sind die Abläufe als Eingriffe in den Ablauf des Programms zu werten, die nicht von § 69c Nr. 2 UrhG erfasst sind.
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