Urheberrechtliche Haftung von Anbietern von Online-Sharing-Diensten
EuGH v. 26.4.2022 - C-401/19
Der Sachverhalt:
Nach Art. 17 der Richtlinie (EU) 2019/790 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt gilt der Grundsatz, dass die Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten (sog. "Web 2.0") unmittelbar haften, wenn Schutzgegenstände (Werke usw.) von den Nutzern ihrer Dienste rechtswidrig hochgeladen werden. Die betroffenen Diensteanbieter können sich jedoch von dieser Haftung befreien. Hierfür müssen sie insbesondere gem. Art. 17 die von den Nutzern hochgeladenen Inhalte aktiv überwachen, um das Hochladen von Schutzgegenständen zu verhindern, die die Rechteinhaber nicht über diese Dienste zugänglich machen wollen.
Polen hat beim EuGH Klage auf Nichtigerklärung von Art. 17 der Richtlinie erhoben. Dieser Artikel verletze die Freiheit der Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit, die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verbürgt sind.
Der EuGH wies die Klage ab.
Die Gründe:
Möchten die Diensteanbieter in den Genuss der in Art. 17 der Richtlinie vorgesehenen Haftungsbefreiung kommen, sind sie für das Teilen von Online-Inhalten de facto verpflichtet, eine vorherige Kontrolle der Inhalte durchzuführen, die Nutzer auf ihre Plattformen hochladen möchten, sofern sie von den Rechteinhabern die insoweit einschlägigen und notwendigen Informationen erhalten haben. In Abhängigkeit von der Zahl der hochgeladenen Dateien und der Art des fraglichen Schutzgegenstands sind die Anbieter gezwungen, auf Instrumente zur automatischen Erkennung und Filterung zurückzugreifen. Kontrolle und Filterung sind jedoch auch dazu angetan, ein wichtiges Mittel zur Verbreitung von Inhalten im Internet einzuschränken. Unter diesen Umständen bewirkt die für die Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten eingeführte spezielle Haftungsregelung eine Einschränkung der Ausübung des Rechts der Nutzer der entsprechenden Dienste auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit.
Um der Gefahr vorzubeugen, die u.a. die Nutzung von Instrumenten zur automatischen Erkennung und Filterung für das Recht der Nutzer von Diensten für das Teilen von Online-Inhalten auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit darstellt, hat der Unionsgesetzgeber eine klare und präzise Grenze für die Maßnahmen aufgestellt, die in Umsetzung der in dieser Bestimmung vorgesehenen Verpflichtungen getroffen oder verlangt werden können, indem er insbesondere Maßnahmen ausgeschlossen hat, die rechtmäßige Inhalte beim Hochladen filtern oder sperren. Ein Filtersystem, dass u.U. nicht hinreichend zwischen einem unzulässigen Inhalt und einem zulässigen Inhalt unterscheiden kann wäre danach jedenfalls mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit unvereinbar und würde das angemessene Gleichgewicht zwischen ihm und dem Recht des geistigen Eigentums nicht beachten.
Art. 17 der Richtlinie sieht vor, dass es den Nutzern dieser Dienste mit dem nationalen Recht gestattet wird, von ihnen z.B. zum Zweck von Parodien oder Pastiches generierte Inhalte hochzuladen, und dass sie von den Anbietern dieser Dienste darüber informiert werden, dass sie Werke und sonstige Schutzgegenstände im Rahmen der im Unionsrecht vorgesehenen Ausnahmen und Beschränkungen in Bezug auf das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte nutzen können. Ferner kann nach Art. 17 die Haftung der Diensteanbieter für die Sicherstellung der Nichtverfügbarkeit bestimmter Inhalte nur unter der Voraussetzung ausgelöst werden, dass die betreffenden Rechteinhaber ihnen die einschlägigen und notwendigen Informationen über diese Inhalte übermitteln.
Art. 17 sieht weiter vor, dass seine Anwendung nicht zu einer Pflicht zur allgemeinen Überwachung führen darf, was bedeutet, dass die Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten nicht verpflichtet sein können, das Hochladen und die öffentliche Zugänglichmachung von Inhalten zu verhindern, die sie im Hinblick auf die von den Rechteinhabern bereitgestellten Informationen sowie etwaige Ausnahmen und Beschränkungen in Bezug auf das Urheberrecht eigenständig inhaltlich beurteilen müssten, um ihre Rechtswidrigkeit festzustellen. Art. 17 führt darüber hinaus mehrere verfahrensrechtliche Garantien ein, die das Recht der Nutzer dieser Dienste auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit in den Fällen schützen, in denen die Anbieter dieser Dienste trotz der Garantien, die in diesen Bestimmungen vorgesehen sind, dennoch irrtümlich oder ohne Grundlage zulässige Inhalte sperren sollten.
Nach alldem ist festzuhalten, dass die sich aus der mit der Richtlinie eingeführten speziellen Haftungsregelung ergebende Verpflichtung der Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten, die Inhalte, die Nutzer auf ihre Plattformen hochladen möchten, vor ihrer öffentlichen Verbreitung zu kontrollieren, vom Unionsgesetzgeber mit angemessenen Garantien versehen wurde, um die Wahrung des Rechts der Nutzer dieser Dienste auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit und das angemessene Gleichgewicht zwischen diesem Recht und dem Recht des geistigen Eigentums sicherzustellen. Nichtsdestoweniger ist es Sache der Mitgliedstaaten, bei der Umsetzung von Art. 17 der Richtlinie in ihr innerstaatliches Recht darauf zu achten, dass sie sich auf eine Auslegung dieser Bestimmung stützen, die es erlaubt, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen durch die Charta geschützten Grundrechten sicherzustellen.
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EuGH PM Nr. 65 vom 26.4.2022
Nach Art. 17 der Richtlinie (EU) 2019/790 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt gilt der Grundsatz, dass die Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten (sog. "Web 2.0") unmittelbar haften, wenn Schutzgegenstände (Werke usw.) von den Nutzern ihrer Dienste rechtswidrig hochgeladen werden. Die betroffenen Diensteanbieter können sich jedoch von dieser Haftung befreien. Hierfür müssen sie insbesondere gem. Art. 17 die von den Nutzern hochgeladenen Inhalte aktiv überwachen, um das Hochladen von Schutzgegenständen zu verhindern, die die Rechteinhaber nicht über diese Dienste zugänglich machen wollen.
Polen hat beim EuGH Klage auf Nichtigerklärung von Art. 17 der Richtlinie erhoben. Dieser Artikel verletze die Freiheit der Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit, die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verbürgt sind.
Der EuGH wies die Klage ab.
Die Gründe:
Möchten die Diensteanbieter in den Genuss der in Art. 17 der Richtlinie vorgesehenen Haftungsbefreiung kommen, sind sie für das Teilen von Online-Inhalten de facto verpflichtet, eine vorherige Kontrolle der Inhalte durchzuführen, die Nutzer auf ihre Plattformen hochladen möchten, sofern sie von den Rechteinhabern die insoweit einschlägigen und notwendigen Informationen erhalten haben. In Abhängigkeit von der Zahl der hochgeladenen Dateien und der Art des fraglichen Schutzgegenstands sind die Anbieter gezwungen, auf Instrumente zur automatischen Erkennung und Filterung zurückzugreifen. Kontrolle und Filterung sind jedoch auch dazu angetan, ein wichtiges Mittel zur Verbreitung von Inhalten im Internet einzuschränken. Unter diesen Umständen bewirkt die für die Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten eingeführte spezielle Haftungsregelung eine Einschränkung der Ausübung des Rechts der Nutzer der entsprechenden Dienste auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit.
Um der Gefahr vorzubeugen, die u.a. die Nutzung von Instrumenten zur automatischen Erkennung und Filterung für das Recht der Nutzer von Diensten für das Teilen von Online-Inhalten auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit darstellt, hat der Unionsgesetzgeber eine klare und präzise Grenze für die Maßnahmen aufgestellt, die in Umsetzung der in dieser Bestimmung vorgesehenen Verpflichtungen getroffen oder verlangt werden können, indem er insbesondere Maßnahmen ausgeschlossen hat, die rechtmäßige Inhalte beim Hochladen filtern oder sperren. Ein Filtersystem, dass u.U. nicht hinreichend zwischen einem unzulässigen Inhalt und einem zulässigen Inhalt unterscheiden kann wäre danach jedenfalls mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit unvereinbar und würde das angemessene Gleichgewicht zwischen ihm und dem Recht des geistigen Eigentums nicht beachten.
Art. 17 der Richtlinie sieht vor, dass es den Nutzern dieser Dienste mit dem nationalen Recht gestattet wird, von ihnen z.B. zum Zweck von Parodien oder Pastiches generierte Inhalte hochzuladen, und dass sie von den Anbietern dieser Dienste darüber informiert werden, dass sie Werke und sonstige Schutzgegenstände im Rahmen der im Unionsrecht vorgesehenen Ausnahmen und Beschränkungen in Bezug auf das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte nutzen können. Ferner kann nach Art. 17 die Haftung der Diensteanbieter für die Sicherstellung der Nichtverfügbarkeit bestimmter Inhalte nur unter der Voraussetzung ausgelöst werden, dass die betreffenden Rechteinhaber ihnen die einschlägigen und notwendigen Informationen über diese Inhalte übermitteln.
Art. 17 sieht weiter vor, dass seine Anwendung nicht zu einer Pflicht zur allgemeinen Überwachung führen darf, was bedeutet, dass die Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten nicht verpflichtet sein können, das Hochladen und die öffentliche Zugänglichmachung von Inhalten zu verhindern, die sie im Hinblick auf die von den Rechteinhabern bereitgestellten Informationen sowie etwaige Ausnahmen und Beschränkungen in Bezug auf das Urheberrecht eigenständig inhaltlich beurteilen müssten, um ihre Rechtswidrigkeit festzustellen. Art. 17 führt darüber hinaus mehrere verfahrensrechtliche Garantien ein, die das Recht der Nutzer dieser Dienste auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit in den Fällen schützen, in denen die Anbieter dieser Dienste trotz der Garantien, die in diesen Bestimmungen vorgesehen sind, dennoch irrtümlich oder ohne Grundlage zulässige Inhalte sperren sollten.
Nach alldem ist festzuhalten, dass die sich aus der mit der Richtlinie eingeführten speziellen Haftungsregelung ergebende Verpflichtung der Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten, die Inhalte, die Nutzer auf ihre Plattformen hochladen möchten, vor ihrer öffentlichen Verbreitung zu kontrollieren, vom Unionsgesetzgeber mit angemessenen Garantien versehen wurde, um die Wahrung des Rechts der Nutzer dieser Dienste auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit und das angemessene Gleichgewicht zwischen diesem Recht und dem Recht des geistigen Eigentums sicherzustellen. Nichtsdestoweniger ist es Sache der Mitgliedstaaten, bei der Umsetzung von Art. 17 der Richtlinie in ihr innerstaatliches Recht darauf zu achten, dass sie sich auf eine Auslegung dieser Bestimmung stützen, die es erlaubt, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen durch die Charta geschützten Grundrechten sicherzustellen.
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