Verbraucherdarlehensvertrag: Information über Verzugszinssatz erfordert Angabe des bei Vertragsschluss geltenden Prozentsatzes
BGH v. 12.4.2022 - XI ZR 179/21
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des Klägers. Der Kläger erwarb im Juni 2016 einen Gebrauchtwagen BMW 318d zum Kaufpreis von rd. 20.800 €. Zur Finanzierung des über die Anzahlung von 3.000 € hinausgehenden Kaufpreises, zweier Ratenschutzversicherungen und eines Kaufpreisschutzes schlossen die Parteien mit Datum vom 8.6.2016 einen Darlehensvertrag über rd. 20.000 €. Das Darlehen sollte in 47 Monatsraten zu je 250 € und einer Schlussrate von rd. 9.400 € zurückgezahlt werden. Seite 5 des Darlehensvertrags enthält folgende Angabe über die Verzugsfolgen: "Für ausbleibende Zahlungen werden die gesetzlichen Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz pro Jahr berechnet."
Nummer 3.3 der Allgemeinen Darlehensbedingungen der Beklagten beinhaltet eine gleichlautende Regelung nebst der Ergänzung, dass der Basiszinssatz jeweils zum 1.1. und 1.7 eines Jahres ermittelt und von der Deutschen Bundesbank im Bundesanzeiger bekannt gegeben wird. Mit Schreiben vom 1.7.2019 erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung und forderte die Beklagte zur Rückabwicklung des Vertrags auf. Die Beklagte wies den Widerruf als verfristet zurück. Mit Anwaltsschreiben vom 6.9.2019 verlangte der Kläger von der Beklagten die Rückzahlung der von ihm geleisteten Zins- und Tilgungsraten Zug um Zug gegen Rückgabe des finanzierten Fahrzeugs. Im Juni 2020 löste der Kläger das Darlehen mit Zahlung der Schlussrate vollständig ab.
LG und OLG wiesen die Klage, mit der der Kläger zuletzt die Zahlung von rd. 25.400 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des finanzierten Fahrzeugs, die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs in Verzug befinde, und die Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten begehrte, ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Mit der vom OLG gegebenen Begründung kann ein wirksamer Widerruf des streitgegenständlichen, gem. § 358 Abs. 3 BGB u.a. mit einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug verbundenen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrags nicht verneint werden. Das OLG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger bei Abschluss des Darlehensvertrags gem. § 495 Abs. 1 i.V.m. § 355 BGB ein Widerrufsrecht zustand und die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann, bevor der Kläger die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hatte. Es hat aber zu Unrecht angenommen, dass die Beklagte ihre aus § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB resultierende Verpflichtung, über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung zu unterrichten, ordnungsgemäß erfüllt hat.
Nach der Rechtsprechung des BGH erfordert zwar die Information über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB nicht die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes. Der EuGH hat aber mit Urteil vom 9.9.2021 (C-33/20) entschieden, dass Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.4.2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (Verbraucherkreditrichtlinie) dahin auszulegen ist, dass in dem Kreditvertrag der zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Vertrags geltende Satz der Verzugszinsen in Form eines konkreten Prozentsatzes anzugeben ist.
Auf der Grundlage dieses Urteils hält der Senat im Geltungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie in Bezug auf Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge an seiner bislang entgegenstehenden Rechtsprechung nicht fest, wonach die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes nicht erforderlich ist. Die nationale Regelung in Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB lässt nach ihrem Wortlaut offen, ob im Darlehensvertrag der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende konkrete Verzugszinssatz mitzuteilen ist. Die Vorschrift erfordert die Unterrichtung über den "Verzugszinssatz". Dieser Wortlaut ist auslegungsfähig, so dass bei einer richtlinienkonformen Auslegung die bloße Wiedergabe der abstrakten gesetzlichen Regelung den Anforderungen des Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB nicht genügt, sondern der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende konkrete Prozentsatz anzugeben ist. Dies ist hier nicht erfolgt.
Das Berufungsurteil erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig, so dass die Revision zurückzuweisen war (§ 561 ZPO).
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Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des Klägers. Der Kläger erwarb im Juni 2016 einen Gebrauchtwagen BMW 318d zum Kaufpreis von rd. 20.800 €. Zur Finanzierung des über die Anzahlung von 3.000 € hinausgehenden Kaufpreises, zweier Ratenschutzversicherungen und eines Kaufpreisschutzes schlossen die Parteien mit Datum vom 8.6.2016 einen Darlehensvertrag über rd. 20.000 €. Das Darlehen sollte in 47 Monatsraten zu je 250 € und einer Schlussrate von rd. 9.400 € zurückgezahlt werden. Seite 5 des Darlehensvertrags enthält folgende Angabe über die Verzugsfolgen: "Für ausbleibende Zahlungen werden die gesetzlichen Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz pro Jahr berechnet."
Nummer 3.3 der Allgemeinen Darlehensbedingungen der Beklagten beinhaltet eine gleichlautende Regelung nebst der Ergänzung, dass der Basiszinssatz jeweils zum 1.1. und 1.7 eines Jahres ermittelt und von der Deutschen Bundesbank im Bundesanzeiger bekannt gegeben wird. Mit Schreiben vom 1.7.2019 erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung und forderte die Beklagte zur Rückabwicklung des Vertrags auf. Die Beklagte wies den Widerruf als verfristet zurück. Mit Anwaltsschreiben vom 6.9.2019 verlangte der Kläger von der Beklagten die Rückzahlung der von ihm geleisteten Zins- und Tilgungsraten Zug um Zug gegen Rückgabe des finanzierten Fahrzeugs. Im Juni 2020 löste der Kläger das Darlehen mit Zahlung der Schlussrate vollständig ab.
LG und OLG wiesen die Klage, mit der der Kläger zuletzt die Zahlung von rd. 25.400 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des finanzierten Fahrzeugs, die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs in Verzug befinde, und die Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten begehrte, ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Mit der vom OLG gegebenen Begründung kann ein wirksamer Widerruf des streitgegenständlichen, gem. § 358 Abs. 3 BGB u.a. mit einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug verbundenen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrags nicht verneint werden. Das OLG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger bei Abschluss des Darlehensvertrags gem. § 495 Abs. 1 i.V.m. § 355 BGB ein Widerrufsrecht zustand und die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann, bevor der Kläger die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hatte. Es hat aber zu Unrecht angenommen, dass die Beklagte ihre aus § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB resultierende Verpflichtung, über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung zu unterrichten, ordnungsgemäß erfüllt hat.
Nach der Rechtsprechung des BGH erfordert zwar die Information über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB nicht die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes. Der EuGH hat aber mit Urteil vom 9.9.2021 (C-33/20) entschieden, dass Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.4.2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (Verbraucherkreditrichtlinie) dahin auszulegen ist, dass in dem Kreditvertrag der zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Vertrags geltende Satz der Verzugszinsen in Form eines konkreten Prozentsatzes anzugeben ist.
Auf der Grundlage dieses Urteils hält der Senat im Geltungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie in Bezug auf Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge an seiner bislang entgegenstehenden Rechtsprechung nicht fest, wonach die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes nicht erforderlich ist. Die nationale Regelung in Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB lässt nach ihrem Wortlaut offen, ob im Darlehensvertrag der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende konkrete Verzugszinssatz mitzuteilen ist. Die Vorschrift erfordert die Unterrichtung über den "Verzugszinssatz". Dieser Wortlaut ist auslegungsfähig, so dass bei einer richtlinienkonformen Auslegung die bloße Wiedergabe der abstrakten gesetzlichen Regelung den Anforderungen des Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB nicht genügt, sondern der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende konkrete Prozentsatz anzugeben ist. Dies ist hier nicht erfolgt.
Das Berufungsurteil erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig, so dass die Revision zurückzuweisen war (§ 561 ZPO).
- Rechtsprechung: OLG Stuttgart vom 22.03.2022, 6 U 326/18 - Rückzahlungspflicht des Darlehensgebers nach Widerruf eines Verbraucherdarlehens bereits bei Eintritt der Unmöglichkeit der Rückgabe des finanzierten Fahrzeugs durch Darlehensnehmer (ZIP 2022, 790)
- Rechtsprechung: EuGH vom 09.09.2021, verb. Rs C-33/20 - Zu den Pflichtangaben in einem Kfz-Darlehensvertrag ("Volkswagen Bank") (ZIP 2021, 1957)
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