20.08.2018

Verbraucherdarlehensvertrag: Zum Widerruf mehrerer Darlehensnehmer

Widerrufen mehrere Darlehensnehmer ihre auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen oder wandelt sich nach Widerruf nur eines der Darlehensnehmer der Verbraucherdarlehensvertrag im Verhältnis zu sämtlichen Darlehensnehmern in ein (einheitliches) Rückgewährschuldverhältnis um, sind die Darlehensnehmer nicht nur Mitgläubiger der aus dem Rückgewährschuldverhältnis resultierenden Ansprüche, sondern, sofern sie an den Darlehensgeber nach dem Wirksamwerden des Widerrufs weitere Leistungen erbringen, auch Mitgläubiger bereicherungsrechtlicher Ansprüche.

BGH 17.7.2018, II ZR 452/17
Der Sachverhalt:

Die Parteien hatten im August 2008 im Wege des Fernabsatzes zwei in einer Vertragsurkunde zusammengefasste Darlehensverträge über ein endfälliges Darlehen i.H.v. 114.000 € und ein Annuitätendarlehen i.H.v. 9.130 zu einem effektiven Jahreszins von 5,79% abgeschlossen. In dem Darlehensvertrag hieß es unter der Überschrift "Auszahlungsvoraussetzungen/Auflagen" u.a.: "Vor erster Auszahlung müssen vorliegen: [...] Widerrufsbelehrung(en) zum Darlehensvertrag, von allen Darlehensnehmern gesondert zu unterschreiben; Auszahlung erst nach Ablauf der Widerrufsfrist". Außerdem erhielten die Kläger eine "Verbraucherinformation nach den Vorschriften über Fernabsatzverträge", in die unter der Überschrift "Information über das Zustandekommen des Darlehensvertrages" folgender Passus eingefügt war:

"Die Bank unterbreitet dem Darlehensnehmer mit der beigefügten Vertragsurkunde "Darlehensvertrag" nebst ihren Anlagen ein schriftliches Angebot. Der Darlehensvertrag kommt zustande, indem der Darlehensnehmer die Vertragsurkunde "Darlehensvertrag" unterzeichnet und diese der Bank so übermittelt, dass sie innerhalb der in der Vertragsurkunde "Darlehensvertrag" angegebenen Annahmefrist bei der Bank eingeht".

Bei Abschluss der Darlehensverträge belehrte die Beklagte die Kläger über ihr Widerrufsrecht u.a. mit dem Zusatz nach der Überschrift "Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen und Entgelten bei Vertragsausführung vor Ablauf der Widerrufsfrist".

Die Kläger erbrachten zunächst Zins- und Tilgungsleistungen. Im Juni 2014 widerriefen sie ihre auf den Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen. Sie ließen die Darlehen im Januar 2015 von einer dritten Bank ablösen. Zugleich leisteten sie eine "Vorfälligkeitsentschädigung" i.H.v. 18.978 €. LG und OLG entsprachen ihrem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger "als Gesamtgläubiger" 18.978 € zu zahlen. Die Revision der Beklagten blieb vor dem BGH weitestgehend erfolglos.

Gründe:

Die Vorinstanzen waren zu Recht davon ausgegangen, die Beklagte habe die Kläger unzureichend deutlich über das ihnen zustehende Widerrufsrecht belehrt. Der Senat hat nach Erlass des Berufungsurteils dahin erkannt, dass die Beklagte durch den Zusatz nach der Überschrift "Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen und Entgelten bei Vertragsausführung vor Ablauf der Widerrufsfrist" die bis dahin klare Belehrung über die Widerrufsfolgen verunklart hatte.

Soweit die Revision mit dem OLG Karlsruhe meint, § 312d Abs. 6 BGB aF normiere lediglich eine Anspruchsvoraussetzung und nicht eine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Widerrufsbelehrung, verfehlt sie die Argumentation des Senats. Der Senat hat, indem er an die gesetzliche Verpflichtung der Beklagten zur Belehrung über die mit dem Widerruf verbundenen Rechtsfolgen und an den soweit hier von Interesse gleichlautenden Gestaltungshinweis (6) des Musters für die Widerrufsbelehrung (hier maßgeblich: gem. Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der zwischen dem 1.4.2008 und dem 3.8.2009 geltenden Fassung) angeknüpft hat, keine übersteigerten Anforderungen an die Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung gestellt. Er hat vielmehr im Anschluss an das Senatsurteil vom 23.6.2009 (Az.: XI ZR 156/08) die Unwirksamkeit des von der Beklagten konkret verwendeten Belehrungstextes aus dem Umstand hergeleitet, dass die Beklagte aufgrund der unvollständigen Übernahme des Wortlauts des § 312d Abs. 6 BGB aF den unrichtigen Eindruck erweckt hat, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Leistung von Wertersatz seien tatsächlich geringer als in § 312d Abs. 6 BGB aF vorgesehen.

Darüber hinaus wäre die Widerrufsbelehrung der Beklagten auch unwirksam, wenn man annehmen wollte, zwischen (vermeintlich geringeren) inhaltlichen Anforderungen an eine klare und verständliche Belehrung und (vermeintlich höheren) inhaltlichen Anforderungen an eine deutliche Belehrung bestehe ein Unterschied und die Belehrung der Beklagten sei höchstens undeutlich, aber nicht unklar. Auch dann standen die Vorgabe des nationalen Rechts, der Unternehmer habe deutlich zu belehren, und die mit der unzureichend deutlichen Belehrung verbundene Rechtsfolge Fortbestand des Widerrufsrechts nach § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB in der zwischen dem 8.12.2004 und dem 10.6.2010 geltenden Fassung in Einklang mit dem Unionsrecht.

Zum Nachteil der Beklagten rechtsfehlerhaft war das Berufungsurteil indessen, soweit es hinsichtlich eines Anspruchs (richtig:) aus § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB (Senatsurteil vom 21.2.2017, Az.: XI ZR 467/15; Senatsbeschluss vom 10.1.2017, Az.: XI ZB 17/16) angenommen hat, die Kläger seien Gesamtgläubiger, nicht Mitgläubiger. Widerrufen mehrere Darlehensnehmer ihre auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen oder wandelt sich nach Widerruf nur eines der Darlehensnehmer der Verbraucherdarlehensvertrag im Verhältnis zu sämtlichen Darlehensnehmern in ein (einheitliches) Rückgewährschuldverhältnis um, sind die Darlehensnehmer nicht nur Mitgläubiger der aus dem Rückgewährschuldverhältnis resultierenden Ansprüche, sondern, sofern sie an den Darlehensgeber nach dem Wirksamwerden des Widerrufs weitere Leistungen erbringen, auch Mitgläubiger bereicherungsrechtlicher Ansprüche (Fortführung von Senatsurteil vom 10.10.2017, Az.: XI ZR 449/16).

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