Verbraucherschutzverbände zu wettbewerbsrechtlichen Klagen wegen Verstößen gegen das Datenschutzrecht befugt
BGH v. 27.3.2025 - I ZR 186/17
Der Sachverhalt:
Die in Irland ansässige Beklagte betreibt das soziale Netzwerk "Facebook". Auf der Internetplattform dieses Netzwerks befindet sich ein "App-Zentrum", in dem die Beklagte den Nutzern ihrer Plattform kostenlos Online-Spiele anderer Anbieter zugänglich macht. Im November 2012 wurden in diesem App-Zentrum mehrere Spiele angeboten, bei denen unter dem Button "Sofort spielen" folgende Hinweise zu lesen waren: "Durch das Anklicken von 'Spiel spielen' oben erhält diese Anwendung: Deine allgemeinen Informationen (?), Deine E-Mail-Adresse, Über Dich, Deine Statusmeldungen. Diese Anwendung darf in deinem Namen posten, einschließlich dein Punktestand und mehr." Bei einem Spiel endeten die Hinweise mit dem Satz: "Diese Anwendung darf Statusmeldungen, Fotos und mehr in deinem Namen posten."
Der Kläger ist der Dachverband der Verbraucherzentralen der Bundesländer. Er ist der Ansicht, dass die Beklagte die Nutzer ihres Netzwerks mit den unter dem Button "Sofort spielen" gegebenen Hinweisen nicht hinreichend über Umfang und Zweck der Erhebung und Verwendung ihrer personenbezogenen Daten unterrichtet und damit gegen die gesetzlichen Anforderungen an die Einholung einer wirksamen datenschutzrechtlichen Einwilligung verstößt. Er sieht darin zugleich ein wettbewerbswidriges Verhalten und hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen. In dem abschließenden Hinweis bei einem Spiel sieht der Kläger eine den Nutzer unangemessen benachteiligende AGB.
Das KG gab der Klage statt. Dagegen wandte sich die Beklagte mit ihrer Revision. Der BGH setzte das Verfahren zwischenzeitlich aus und legte dem EuGH Fragen zur Auslegung der DSGVO zur Vorabentscheidung vor. Nach Beantwortung dieser Fragen durch den EuGH hatte die Revision nunmehr vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Art. 80 Abs. 2 DSGVO bildet eine geeignete Grundlage für die Verfolgung von Verstößen gegen die DSGVO durch Verbände nach dem UWG und dem UKlaG. Den genannten Verbraucherverbänden steht daher nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG und § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG die Befugnis zu, gegen Verletzungen von Informationspflichten gem. Art. 12 Abs. 1 Satz 1 DSGVO i.V.m. Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und e DSGVO wegen Verstößen gegen das UWG und gegen ein Verbraucherschutzgesetz i.S.v. § 2 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 13 UKlaG sowie der Verwendung einer unwirksamen AGB gem. § 1 UKlaG im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten vorzugehen.
Unschädlich ist insoweit, dass der Kläger seine Klage unabhängig von der konkreten Verletzung von Datenschutzrechten einer betroffenen Person und ohne Auftrag einer solchen Person erhoben hat. Da von einer Einrichtung i.S.v. Art. 80 Abs. 2 DSGVO nicht verlangt werden kann, dass sie diejenige Person im Voraus individuell ermittelt, die von einer Verarbeitung von Daten, die mutmaßlich gegen die Bestimmungen der DSGVO verstößt, konkret betroffen ist, ist die Benennung einer Kategorie oder Gruppe von identifizierbaren natürlichen Personen für die Erhebung einer solchen Verbandsklage ausreichend. Es genügt außerdem, wenn sich die Einrichtung darauf beruft, dass die Verletzung der Rechte dieser Person anlässlich einer Verarbeitung personenbezogener Daten geschieht und auf einer Missachtung der Pflicht beruht, die dem Verantwortlichen gem. Art. 12 Abs. 1 Satz 1 und Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und e DSGVO obliegt, weil im Streitfall nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger mit seiner Klage rein hypothetische Verstöße geltend macht.
Die Präsentation von Spielen im App-Zentrum der Beklagten verstößt gegen Art. 12 Abs. 1 Satz 1, Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und e DSGVO, weil der Nutzer zu Beginn des Nutzungsvorgangs nicht über Art, Umfang und Zweck der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten in allgemein verständlicher Form sowie über die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung und die Empfänger der persönlichen Daten unterrichtet wird.
In dem Verstoß gegen die datenschutzrechtlichen Informationspflichten liegt zugleich ein Verstoß gegen Lauterkeitsrecht unter dem Gesichtspunkt des Vorenthaltens einer wesentlichen Information gem. § 5a Abs. 1 UWG. Ausgehend von der wirtschaftlichen Bedeutung der Verarbeitung von personenbezogenen Daten für internetbasierte Geschäftsmodelle, deren Nutzung der Verbraucher mit der Preisgabe personenbezogener Daten vergütet, kommt den datenschutzrechtlichen Unterrichtungspflichten zentrale Bedeutung zu. Sie sollen sicherstellen, dass der Verbraucher bei seiner Nachfrageentscheidung, die mit einer Einwilligung in die Verarbeitung personenbezogener Daten verknüpft ist, möglichst umfassend über Umfang und Tragweite dieser Einwilligungserklärung ins Bild gesetzt wird, um eine informierte Entscheidung treffen zu können.
Der abschließende Hinweis "Diese Anwendung darf Statusmeldungen, Fotos und mehr in deinem Namen posten" stellt eine den Nutzer wegen des Verstoßes gegen die datenschutzrechtlichen Informationspflichten unangemessen benachteiligende und daher unwirksame AGB dar, deren Verwendung der Kläger nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG untersagen lassen kann.
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BGH PM Nr. 59 vom 27.3.2025
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Der Kläger ist der Dachverband der Verbraucherzentralen der Bundesländer. Er ist der Ansicht, dass die Beklagte die Nutzer ihres Netzwerks mit den unter dem Button "Sofort spielen" gegebenen Hinweisen nicht hinreichend über Umfang und Zweck der Erhebung und Verwendung ihrer personenbezogenen Daten unterrichtet und damit gegen die gesetzlichen Anforderungen an die Einholung einer wirksamen datenschutzrechtlichen Einwilligung verstößt. Er sieht darin zugleich ein wettbewerbswidriges Verhalten und hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen. In dem abschließenden Hinweis bei einem Spiel sieht der Kläger eine den Nutzer unangemessen benachteiligende AGB.
Das KG gab der Klage statt. Dagegen wandte sich die Beklagte mit ihrer Revision. Der BGH setzte das Verfahren zwischenzeitlich aus und legte dem EuGH Fragen zur Auslegung der DSGVO zur Vorabentscheidung vor. Nach Beantwortung dieser Fragen durch den EuGH hatte die Revision nunmehr vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Art. 80 Abs. 2 DSGVO bildet eine geeignete Grundlage für die Verfolgung von Verstößen gegen die DSGVO durch Verbände nach dem UWG und dem UKlaG. Den genannten Verbraucherverbänden steht daher nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG und § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG die Befugnis zu, gegen Verletzungen von Informationspflichten gem. Art. 12 Abs. 1 Satz 1 DSGVO i.V.m. Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und e DSGVO wegen Verstößen gegen das UWG und gegen ein Verbraucherschutzgesetz i.S.v. § 2 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 13 UKlaG sowie der Verwendung einer unwirksamen AGB gem. § 1 UKlaG im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten vorzugehen.
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