Verfassungsbeschwerde gegen angebliches Falschzitat erfolglos
BVerfG 25.10.2012, 1 BvR 2720/11Die Beschwerdeführerin ist Buchautorin und ehemalige Tagesschau-Sprecherin. Im Rahmen einer Pressekonferenz im September 2007 in Berlin präsentierte die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrem Verleger das von ihr verfasste Buch "Das Prinzip Arche Noah - Warum wir die Familie retten müssen". Bei dieser Gelegenheit äußerte sie sich gegenüber den anwesenden Journalisten wie folgt:
"Wir müssen den Familien Entlastung und nicht Belastung zumuten und müssen auch 'ne Gerechtigkeit schaffen zwischen kinderlosen und kinderreichen Familien. Wir müssen vor allem das Bild der Mutter in Deutschland auch wieder wertschätzen, das leider ja mit dem Nationalsozialismus und der darauf folgenden 68er Bewegung abgeschafft wurde. Mit den 68ern wurde damals praktisch alles das - alles was wir an Werten hatten - es war 'ne grausame Zeit, das war ein völlig durchgeknallter hochgefährlicher Politiker, der das deutsche Volk ins Verderben geführt hat, das wissen wir alle - aber es ist eben auch das, was gut war - das sind die Werte, das sind Kinder, das sind Mütter, das sind Familien, das ist Zusammenhalt - das wurde abgeschafft. Es durfte nichts mehr stehen bleiben."
In der von der beklagten Axel Springer AG herausgegebenen Tageszeitung "Hamburger Abendblatt" erschien daraufhin ein Artikel unter der Überschrift "Wann ist der Mann ein Mann? Die Moderatorin stellte ihr Buch Das Prinzip Arche Noah vor, das nahtlos an Das Eva-Prinzip anschließt. - Eine Ansichtssache". Dort heißt es u.a.:
"In diesem Zusammenhang machte die Autorin einen Schlenker zum Dritten Reich. Da sei vieles sehr schlecht gewesen, zum Beispiel Adolf Hitler, aber einiges eben auch sehr gut. Zum Beispiel die Wertschätzung der Mutter. Die hätten die 68er abgeschafft, und deshalb habe man nun den gesellschaftlichen Salat. Kurz danach war diese Buchvorstellung Gott sei Dank zu Ende."
Mit der Begründung, es handle sich um ein Falschzitat, nahm die Beschwerdeführerin die Axel Springer AG auf Unterlassung und Richtigstellung sowie auf Geldentschädigung in Anspruch.
LG und OLG gaben der Klage im Wesentlichen statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Klage ab. Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde nahm das BVerfG nicht zur Entscheidung an.
Die Gründe:
Das klageabweisende Urteil des BGH verletzt die Beschwerdeführerin nicht in ihren Grundrechten.
Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der BGH den streitgegenständlichen Absatz in dem Artikel des Hamburger Abendblatts nicht für ein Falschzitat hält. Dies gilt auch schon unabhängig von der Frage, ob die Äußerung der Beschwerdeführerin auf der Pressekonferenz eindeutig oder mehrdeutig ist. Denn die streitgegenständliche Passage im "Hamburger Abendblatt" genügt im konkreten Kontext in jedem Fall den Anforderungen an die Wiedergabe eines - auch eventuell mehrdeutigen - Zitats.
Die Passage ist in ihrem Gesamtzusammenhang zu betrachten und stellt sich dabei als Meinungsäußerung dar. Der Artikel im Hamburger Abendblatt ist schon überschrieben mit "Eine Ansichtssache" und insgesamt in einem süffisanten Ton geschrieben. So heißt es z.B., dass die Ex-Tagesschau-Sprecherin ihre Ideen von einer heilen Welt mit allem garniere, was ihr zufällig in die Finger komme: "Mal ist es Aristoteles, mal Astrid Lindgren, mal der Papst, mal Gorbatschow. War es vor einem Jahr noch ihr Anliegen, dem Mann das Heim mit Blumen und Apfelkuchen so gemütlich wie möglich zu gestalten, so geht es ihr heute um den Mann an sich."
In dieser Weise ist auch die streitgegenständliche Passage zu lesen, der geforderte Interpretationsvorbehalt ergibt sich gleichsam aus der Süffisanz. Hinzu kommt, dass es sich bei der Passage auch nicht um ein wörtliches Zitat handelt, sondern um eine ironisch pointierte Zusammenfassung der Äußerung der Beschwerdeführerin. Schließlich zeigt der letzte Satz des Artikels "Kurz danach war diese Buchvorstellung Gott sei Dank zu Ende" noch einmal, dass die Autorin ihre Meinung über die Beschwerdeführerin und deren Ansichten niedergeschrieben hat. Der Leser erkennt, dass es sich um eine verkürzende und verschärfende Zusammenfassung der Buchvorstellung handelt.
Vor diesem Hintergrund ist das Recht der Beschwerdeführerin am eigenen Wort gewahrt; ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht hat hinter die Meinungsfreiheit des Zeitungsherausgebers zurückzutreten. Die Beschwerdeführerin, der es nicht gelungen war, sich unmissverständlich auszudrücken, muss die streitgegenständliche Passage als zum "Meinungskampf" gehörig hinnehmen.
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