08.06.2017

Verjährung eines Schadensersatzanspruchs wegen fehlerhafter Aufklärung über Nachteile einer Kombination aus Darlehen und Kapitallebensversicherung

Der Schadensersatzanspruch des Darlehensnehmers wegen fehlerhafter Aufklärung über die wirtschaftlichen Nachteile einer Kombination aus Darlehensvertrag und Kapitallebensversicherungsvertrag entsteht mit Abschluss der zur Finanzierung und Tilgung empfohlenen Verträge. Der auf einer Aufklärungspflichtverletzung beruhende Abschluss eines für den Darlehensnehmer nachteiligen, weil seinen Zielen und Vermögensinteressen nicht entsprechenden Finanzierungs- und Tilgungsmodells aus Darlehensvertrag und Kapitallebensversicherung stellt bereits für sich genommen einen Schaden dar.

BGH 16.5.2017, XI ZR 430/16
Der Sachverhalt:
Nach Vertragsverhandlungen zwischen der klagenden Augenärztin, ihrem Ehemann und der beklagten Bank schloss die Klägerin zwecks Finanzierung ihrer augenärztlichen Praxis am 5./11.10.2001 mit der Beklagten einen Universaldarlehensvertrag über 205.000 € mit einer Laufzeit von 12 Jahren ab. Während der Laufzeit waren nur Zinsen i.H.v. nominal 5,95 % p.a. zu zahlen, während die Darlehenssumme zum Ende der Laufzeit am 1.10.2013 mit einer Einmalzahlung getilgt werden sollte. Hierfür schloss die Klägerin auf Empfehlung und Vermittlung der Beklagten zugleich einen als "Tilgungsversicherung" bezeichneten Kapitallebensversicherungsvertrag bei der V-AG mit einer Versicherungsdauer von 12 Jahren und einer Versicherungssumme von rd. 152.000 € sowie einer prognostizierten Ablaufleistung von 140 % (rd. 212.000 €) ab.

In einer handschriftlich vermerkten ergänzenden Vereinbarung im Darlehensvertrag heißt es: "Die Kreditgewährung zu den umseitigen Konditionen setzt das Zustandekommen der Lebensversicherung bei der V voraus. Sollte die Versicherung nicht zustande kommen, ist ggf. der Einsatz einer anderen versicherten Person vorzunehmen. Alternativ erfolgt die Umstellung in ein Annuitätendarlehen mit einem nom. Zinsaufschlag von 0,25 % p.a." Bei Fälligkeit der Lebensversicherung zahlte der Lebensversicherer am 1.10.2013 entsprechend der vertraglichen Vereinbarung unmittelbar an die Beklagte lediglich rd. 166.000 € aus, was der Klägerin bereits mit Schreiben vom 13.3.2010 im Hinblick auf eine geringere Überschussbeteiligung angekündigt worden war. Zur restlichen Tilgung des Darlehens zahlte die Klägerin den Differenzbetrag zzgl. Tageszinsen für zehn Tage i.H.v. insgesamt rd. 39.000 € unter Vorbehalt selbst an die Beklagte.

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage von der Beklagten die Zahlung von rd. 39.000 € nebst Rechtshängigkeitszinsen. Ferner verlangt sie die Zahlung von weiteren rd. 3.700 € nebst Rechtshängigkeitszinsen und die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihr sämtliche weiteren eingetretenen und/oder künftigen Schäden aufgrund der unrichtigen Beratung im Zusammenhang mit dem Abschluss des Universaldarlehensvertrags vom 5./11.10.2001 zu ersetzen. Sie sei von der Beklagten nicht ausreichend darüber aufgeklärt worden, dass die Leistung aus dem Lebensversicherungsvertrag möglicherweise nicht zur vollständigen Tilgung des Darlehens am Ende der Laufzeit genügen würde. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätte sie ein Annuitätendarlehen aufgenommen, was zu einem Nominalzins von 6,2 % p.a. möglich gewesen wäre. Sie hätte dann insgesamt rd. 3.700 € weniger gezahlt als an Zinsen und Prämien für das von der Beklagten empfohlene Finanzierungsmodell.

Das LG gab der Klage überwiegend statt; das OLG wies sie ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das OLG hat zutreffend angenommen, dass ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen der im Jahr 2001 erfolgten Finanzierungsberatung nach § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 1 und 4 EGBGB mit Ablauf des 2.1.2012 verjährt ist.

Danach verjährt ein Anspruch des Darlehensnehmers gegen die finanzierende Bank auf Schadensersatz wegen Verletzung der Pflicht zur Information über etwaige wirtschaftliche Nachteile der empfohlenen Finanzierung in zehn Jahren hier gerechnet ab dem 1.1.2002 von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist. Für den Beginn der Verjährung richtet sich dies gem. Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 2 EGBGB nach § 198 S. 1 BGB in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung (a.F.), der indes inhaltlich der geltenden Regelung in § 199 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB entspricht. Der einheitliche Schadensersatzanspruch der Klägerin ist objektiv mit dem Abschluss der für sie wirtschaftlich nachteiligen Kombination aus Darlehensvertrag und Kapitallebensversicherungsvertrag entstanden. Zwar ist der für den Verjährungsbeginn maßgebliche Eintritt eines Schadens regelmäßig erst dann anzunehmen, wenn es zu einer konkreten Verschlechterung der Vermögenslage des Gläubigers gekommen ist, während der Eintritt einer risikobehafteten Situation dafür nicht ausreicht.

Jedoch stellt ähnlich wie bei der Empfehlung einer Kapitalanlage oder einer anteilsgebundenen Lebensversicherung der auf einer Aufklärungspflichtverletzung beruhende Abschluss eines für den Darlehensnehmer nachteiligen, weil seinen Zielen und Vermögensinteressen nicht entsprechenden Finanzierungs- und Tilgungsmodells aus Darlehensvertrag und Kapitallebensversicherung bereits für sich genommen einen Schaden dar und berechtigt ihn daher unabhängig von der Entwicklung der Lebensversicherung dazu, im Wege des Schadensersatzes die Erstattung der damit verbundenen wirtschaftlichen Nachteile zu verlangen. Der Anspruch entsteht hierbei schon mit dem Abschluss der zur Finanzierung und Tilgung empfohlenen Verträge. Der geltend gemachte Schaden ist der Klägerin nicht erst in dem Zeitpunkt entstanden, in dem der Betrag der Versicherungsleistung, der zur Tilgung des Darlehens dienen sollte, endgültig festgestanden oder dessen Zurückbleiben hinter dem für die Tilgung erforderlichen Betrag ernsthaft in Rede gestanden hat.

Vielmehr hätte die Klägerin bei ordnungsgemäßer Beratung ein Annuitätendarlehen mit einem Zinssatz von 6,2 % p.a. abgeschlossen und dabei von Anfang an eine geringere mtl. Ratenzahlung erbringen müssen, als sie nach der vertraglichen Vereinbarung mit der Beklagten tatsächlich geleistet hat. Dieser Vermögensnachteil ist ihr bereits im Oktober 2001 entstanden. Danach begann vorliegend die zehnjährige Verjährungsfrist des § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB, weil kürzer als die regelmäßige Verjährungsfrist von 30 Jahren nach §§ 195, 198 S. 1 BGB a.F., gem. Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB am 1.1.2002 und endete gem. § 188 Abs. 2, § 193 BGB mit Ablauf des 2.1.2012. Da die Klägerin ihre Klage erst im August 2013 eingereicht hat, konnte sie damit eine Hemmung der Verjährung gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht mehr erreichen.

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