24.07.2023

Verjährung eines Schadensersatzanspruchs wegen Pflichtverletzung aus einem Anlageberatungsvertrag

Die Verjährung eines Schadensersatzanspruchs wegen Verletzung der Pflichten aus einem Anlageberatungsvertrag wird durch die Klageerhebung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB auch bezüglich solcher Pflichtverletzungen gehemmt, die in der Klageschrift nicht geltend gemacht sind.

BGH v. 13.6.2023 - XI ZR 464/21
Der Sachverhalt:
Ab 2008 hatte die Unternehmensgruppe, der die Klägerin angehört, einen Finanzierungsbedarf für anstehende Investitionen und zur Vorfinanzierung von Aufträgen. Zum Zwecke der Zinssicherung sowie Zinsbegrenzung bzw. zum Schutz gegen das Risiko ansteigender Zinsen schloss die Klägerin im Zeitraum von Februar 2008 bis Oktober 2011 vier aneinander anschließende Verträge mit der beklagten Bank ab. Am 13.2.2008 schlossen die Parteien einen Zinscollar-Vertrag mit einem Bezugsbetrag von 2 Mio. €, einer Laufzeit von fünf Jahren und dem Recht der Beklagten, den Collar in einen Zinssatzswap zu wandeln. Dieser Vertrag wurde mit Auflösungsvereinbarung vom 26.9.2008 an diesem Tag beendet und in den folgenden Vertrag "restrukturiert".

Am 24.9.2008 schlossen die Parteien einen neuen Zinscollar-Vertrag mit einem Bezugsbetrag von 3 Mio. €, einer Laufzeit von sechs Jahren und dem Recht der Beklagten zur Wandlung in einen Zinssatzswap. Dieser zweite Vertrag wurde im Oktober 2009 durch Auflösungsvereinbarung mit einem negativen Marktwert i.H.v. 312.000 € beendet. Unter Einbeziehung des vorstehenden Betrages schlossen die Parteien am 20.10.2009 einen Zinssatzswap-Vertrag mit einem Bezugsbetrag von 3 Mio. € und einer Laufzeit von sechs Jahren. Dieser Vertrag wurde im Oktober 2011 durch Auflösungsvereinbarung mit einem negativen Marktwert i.H.v. 571.400 € beendet.

Unter Einbeziehung des vorstehenden Betrages schlossen die Parteien zuletzt am 20.10.2011 einen Zinssatzswap-Vertrag mit einem Bezugsbetrag von 3 Mio. €, der bis zum vereinbarten Enddatum, dem 21.10.2020, durchgeführt wurde. Mit ihrer Klage hat die Klägerin unter Berufung auf eine in mehrfacher Hinsicht unzulängliche Beratung über die vier Zinscollar- und Zinssatzswap-Verträge u.a. die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von (zuletzt) knapp 1,5 Mio. € begehrt.

LG und OLG haben die Klage abgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hat der BGH das Berufungsurteil insoweit aufgehoben, als das OLG betreffend den Zahlungsantrag unter dem Gesichtspunkt einer unzureichenden Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert vor Abschluss der Verträge vom 13.2.2008, vom 24.9.2008 und vom 20.10.2009 zum Nachteil der Klägerin erkannt hatte und die Sache insoweit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung zurückgewiesen.

Gründe:
Zwar war das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, zwischen den Parteien seien im Zusammenhang mit dem Abschluss der vier Zinscollar- und Zinssatzswap-Verträge jeweils Beratungsverträge zustande gekommen, aufgrund deren die Beklagte verpflichtet gewesen sei, die Klägerin über den anfänglichen negativen Marktwert der Verträge aufzuklären. Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das Gericht angenommen, dass es sich bei den vier Beratungsverträgen und den daraufhin abgeschlossenen Zinscollar- und Zinssatzswap-Verträgen jeweils um einen selbständigen Geschehensablauf und damit um einen neuen Lebenssachverhalt handelte, so dass die auf eine fehlerhafte Beratung gestützten Schadensersatzansprüche jeweils einer eigenständigen Verjährung unterlagen.

Das Berufungsgericht hatte aber mit seiner Annahme, die Schadensersatzansprüche wegen unterbliebener Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert im Rahmen der Beratung vor Abschluss der ersten drei Verträge seien gem. § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB verjährt, weil diese Pflichtverletzung nicht in der Klageschrift, sondern erstmals in der Berufungsbegründung geltend gemacht worden sei, die Reichweite der Hemmungswirkung der Klageerhebung gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB verkannt. Die Verjährung eines Schadensersatzanspruchs wegen Verletzung der Pflichten aus einem Anlageberatungsvertrag wird durch die Klageerhebung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB auch bezüglich solcher Pflichtverletzungen gehemmt, die in der Klageschrift nicht geltend gemacht sind.

Dementsprechend wird die Verjährung der Ansprüche für jeden einer Anlageentscheidung zugrunde liegenden Beratungsfehler gehemmt, wenn in unverjährter Zeit wegen eines oder mehrerer Beratungsfehler Klage erhoben oder ein Mahn- oder Güteverfahren eingeleitet wird (BGH, Urt. v. 18.6.2015 - III ZR 198/14, v. 18.6.2015 - III ZR 303/14, v. 16.7.2015, und v. 15.10.2015), und steht die Rechtskraft einer Entscheidung über einen Schadensersatzanspruch gegen eine Bank wegen eines Fehlers bei der Kapitalanlageberatung einer Klage auf Ersatz desselben Schadens wegen eines anderen Beratungsfehlers in demselben Beratungsgespräch entgegen.

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Aufsatz:
Nachhaltigkeit im Kapitalmarktrecht
Lars Klöhn / Jakob Jochmann, KlimaRZ 2022, 12

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