13.09.2011

Verkaufsprospekthaftung: Zur Notwendigkeit der Angabe eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag

Es ist anerkannt dass ein Prospekt unvollständig ist, wenn eine Mittelverwendung in einem Tochterunternehmen erfolgen soll und dessen Geschäftsmodell und die sich daraus ergebenden Chancen und Risiken nicht dargestellt sind. Dies hat erst recht zu gelten, wenn die Mittel über einen Unternehmensvertrag dem Gesamtkonzern zugeführt werden.

OLG Frankfurt a.M. 21.6.2011, 5 U 51/10
Sachverhalt:
Die A-AG hatte bis 2006 Inhaberschuldverschreibungen ohne Börsenzulassung im Gesamtvolumen von 565 Mio. € aufgelegt. Im September 2006 wurde über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Beklagte, der ebenfalls insolvent ist, war unter der Firma B. zu 73% Mehrheitsaktionär der A-AG und auf der Grundlage eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags herrschender Unternehmer. Die A-AG war ihrerseits herrschendes Unternehmen bei mehreren Tochtergesellschaften. Für den Konzern wurde vom Beklagten aufgrund von Einzelweisungen ein Liquiditätsmanagement geführt, das dazu führte, dass hohe Einzelzahlungen von der A-AG an ihn erfolgten, die im Rechnungswesen der AG als werthaltige Forderungen ausgewiesen waren.

Der Kläger hatte im März 2005 für insgesamt 5.000 € Schuldverschreibungen der A-AG erworben. Diese waren mit einem Prospekt beworben, in dem ohne weitere Erläuterung erwähnt wurde, dass mit dem Beklagten als Einzelkaufmann der Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag besteht. Die finanzielle Lage des Beklagten bzw. des Konzerns wurde nicht dargestellt. Der Prospekt enthielt einen Abschnitt mit der Überschrift: "Risikohinweise". Die Möglichkeit eines Totalverlustes wurde dort wie folgt beschreiben: "Im Fall der Insolvenz der Gesellschaft besteht das Risiko, dass der Anleihegläubiger einen Totalverlust seiner Anlage erleidet."

Der Kläger verlangte im Wege der Verkaufsprospekthaftung vom Beklagten Schadensersatz Zug-um-Zug gegen Übertragung seiner Rechte im Insolvenzverfahren. Das LG wies die Klage ab. Der Prospekt sei nicht unrichtig, weil die Beteiligungsverhältnisse und der Beherrschungsvertrag dargestellt seien. Auf die Berufung des Klägers hob das OLG das Urteil auf und gab der Klage weitestgehend statt. Allerdings wurde die Revision zum BGH zugelassen.

Gründe:
Die Klage war in der Hauptforderung aus § 13 Abs.1 Nr.1 VerkProspG i.V.m. § 44 Abs.1 S. 1 BörsG a.F. begründet.

Das VerkProspG war anzuwenden, weil es sich bei den Inhaberschuldverschreibungen um öffentlich angebotene Wertpapiere handelte, die nicht an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen waren. Der Prospekt war i.S.d. § 13 Abs.1 VerkProspG unvollständig, weil er nicht darauf hinwies, dass der Beklagte in Abweichung von der Gesetzeslage dem Vorstand der A-AG nachteilige Weisungen erteilen konnte, die nur dem Beklagten oder anderen Konzerngesellschaften nützlich wären, wie dies in § 308 Abs.1 S. 2 AktG umschrieben ist, und weil er die Abhängigkeit der Rückzahlung von der nicht offen gelegten Vermögenslage des Beklagten verschwieg.

Eine Verpflichtung, hierauf hinzuweisen, ergab sich aus § 5 Nr.6 VerkProspV und aus § 2 VerkProspV. In § 5 Nr. 6 VerkProspV ist vorgesehen, dass der Prospekt eine kurze Beschreibung des Konzerns und der Stellung des Emittenten in diesem zu geben hat, wenn der Emittent, wie hier, § 18 Abs.1 AktG, ein Konzernunternehmen ist. In § 2 VerkProspV ist geregelt, dass der Prospekt über die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Beurteilung der angebotenen Anlage notwendig sind, Auskunft zu erteilen hat. Der Beklagte konnte sich nicht mit Hilfe des § 8 Abs.2 VerkProspV entlasten. Danach muss ein Konzernabschluss zwar nur dann mitgeteilt werden, wenn der Emittent zu dessen Erstellung verpflichtet war und dieser neben dem Einzelabschluss für die Anlage bedeutsame Informationen enthielt. Der Beklagte war jedoch als Einzelkaufmann nicht konzernabschlusspflichtig.

Auch das Risiko selbst konnte aus der Sicht eines aufmerksamen Lesers und durchschnittlichen Anlegers mit der Erwähnung des Unternehmensvertrags nicht erfasst werden. Vor allem genügte der allgemein gehaltene Hinweis auf die Möglichkeit eines Totalverlustes des Anleihekapitals nicht, um das besondere Risiko aus dem Unternehmensvertrag zu erfassen. Die Prospektrichtlinie 2003/71 EG verlangte in Art.5 Abs.1 S.2, dass die Informationen zur Beurteilung der Anlage, einschließlich der Zukunftsaussichten des Emittenten, "in leicht zu analysierender und verständlicher Form" dargelegt werden (jetzt auch § 5 Abs.1 S. 1 WpPG).

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