18.11.2024

Verleger scheitern mit Klage gegen App einer Rundfunkanstalt

Bei der Frage, ob es sich bei der die App um ein neues oder wesentliches verändertes und damit gem. § 32 MStV genehmigungsbedürftiges Telemedienangebot handelt, steht eine Marktzutrittsregel in Rede, denn es geht darum, "ob" die App (ohne Genehmigung) vertrieben werden darf, und nicht darum, "wie", also in welcher Art und Weise, sie vertrieben werden darf. Verstöße gegen reine Marktzutrittsregelungen fallen nicht unter § 3a UWG und können auch nicht über die Generalklausel des § 3 Abs. 1 UWG erfasst werden.

LG Stuttgart v. 14.11.2024 - 53 O 213/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerinnen sind Verlagsunternehmen für Presseerzeugnisse wie u.a. von Online-Nachrichten-Portalen. Die Beklagte ist eine Rundfunkanstalt des öffentlichen Rechts, die neben TV- und Hörfunkprogrammen auch die Telemedien-App N betreibt. Diese stellt auf Smartphones und andere onlinefähigen Mobilgeräte abgestimmte Nachrichteninhalte aus dem von der Beklagten betriebenen Internetauftritt D.de dar. Daneben existiert eine App von D. Die Beklagte hat die App N mit folgenden Angaben beworben:

"Keine Werbung, kein Abo

Unsere App hat keine Werbung, keine Abo-Fallen und keine versteckten Kosten, wir schwören! Das geht, weil N ein Angebot des sogenannten öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist. Heißt: Wir werden finanziert durch den "Rundfunkbeitrag."


Dem Rechtsstreit war ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorausgegangen, in dem die Kammer am 21.10.2022 (53 O 177/22) dem Antrag teilweise hinsichtlich der Unterlassung des Angebots der App N, stattgegeben hat. Das OLG hat die Entscheidung am 28.6.2023 (4 U 31/23) aufgehoben und die Verfügungsklage unter Hinweis auf einen bestehenden Schlichtungszwang als derzeit unzulässig abgewiesen. Im Anschluss an das Ausgangsverfahren hat zwischen den Parteien ein Schlichtungsverfahren vor der von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und den Spitzenverbänden der Presse eingerichteten Schlichtungsstelle i.S.d. § 30 Abs. 7 Satz 6 MStV (inhaltsgleich mit § 11d Abs. 7 Satz 4 RStV a.F.) erfolglos stattgefunden.

Die Klägerinnen waren weiterhin der Ansicht, dass die App N ein eigenständiges Telemedienangebot der Beklagten darstelle, das nach § 32 (MStV) genehmigungspflichtig sei. Es sei nicht von der Genehmigung des Telemedienkonzepts D.de erfasst und dürfe daher nicht zum Abruf bereitgehalten werden. Hieraus ergebe sich ein Unterlassungsanspruch. Außerdem sei das Unterlassungsbegehren wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Presseähnlichkeit nach § 30 Abs. 7 MStV begründet.

Das LG hat die Unterlassungsklage abgewiesen.

Die Gründe:
Den Klägerinnen steht ein Anspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1; 3 Abs. 1; 3a UWG auf Unterlassung der Verbreitung usw. der App N nicht zu.

Zwischen den Klägerinnen und der Beklagten bestand zum maßgeblichen Zeitpunkt zwar ein Wettbewerbsverhältnis bezogen auf Online-Nachrichtenangebote. Dies zeigte sich nicht zuletzt daran, dass § 30 Abs. 7 MStV letztlich gerade der Grenzziehung zwischen zulässiger Konkurrenz durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und unzulässiger Einschränkung der Pressefreiheit der Verlage diente. Die Genehmigungspflicht gem. § 32 MStV mit der Zielrichtung der Feststellung der Presseunähnlichkeit ist überdies gerade dazu bestimmt, die Interessen der privaten Presseverlage als konkurrierende Marktteilnehmer i.S.d. § 3a UWG zu schützen. Die Klägerinnen konnten sich vor den Zivilgerichten allerdings nicht darauf berufen, dass die App N ein nach § 32 MStV genehmigungsbedürftiges, aber nicht genehmigtes Telemedienangebot darstelle.

Bei der Frage, ob es sich bei der die App um ein neues oder wesentliches verändertes und damit gem. § 32 MStV genehmigungsbedürftiges Telemedienangebot handelt, steht eine Marktzutrittsregel in Rede, denn es geht darum, "ob" die App (ohne Genehmigung) vertrieben werden darf, und nicht darum, "wie", also in welcher Art und Weise, sie vertrieben werden darf. Reine Marktzutrittsregelungen sind solche Normen, die Personen den Marktzutritt aus Gründen verwehren, die nichts mit ihrem Marktverhalten, also der Art und Weise des Agierens am Markt, zu tun haben (BGH, Urt. v. 28.11.2019 - I ZR 23/19). Dazu gehören insbesondere Normen, die bestimmten Personen zu ihrem eigenen Schutze oder zum Schutze des Unternehmens, in dem sie tätig sind, den Marktzutritt nicht oder nur unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen gewähren. Verstöße gegen reine Marktzutrittsregelungen fallen nicht unter § 3a UWG und können auch nicht über die Generalklausel des § 3 Abs. 1 UWG erfasst werden.

Ob die App N ein neues oder wesentlich verändertes Telemedienangebot darstellt und deshalb gem. § 32 MStV genehmigungsbedürftig ist, ist daher grundsätzlich zivilrichterlich nicht kontrollfähig (OLG Stuttgart, Urt. v. 28.6.2023 - 4 U 31/23). Außerdem konnten die Klägerinnen nicht mit Erfolg geltend machen, die App N verstoße gegen das Verbot der Presseähnlichkeit gem. § 30 Abs. 7 Satz 1 MStV. Denn nach § 30 Abs. 7 Satz 1 MStV dürfen Telemedienangebote nicht presseähnlich sein. Das Verbot der Presseähnlichkeit stellt dabei nicht auf die Presseähnlichkeit einzelner Inhalte bzw. Beiträge in einem Telemedienangebot ab, sondern grundsätzlich auf das gesamte Telemedienangebot als solches. Dies entspricht auch der Intention der Länder bei Abschluss des neuen Medienstaatsvertrags. Somit ist die Prüfung der Presseähnlichkeit anhand des Telemedienangebots von D.de vorzunehmen und nicht isoliert nur anhand der App N. Von einer Presseähnlichkeit von D.de ist allerdings nicht auszugehen.

Die Klägerinnen konnten einen Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 UWG auch nicht mit Erfolg dahingehend geltend machen, dass die Beklagte es zu unterlassen hätte, das App-Angebot "N" mit "Keine Werbung" und/oder "kein Abo" und/oder "keine Abo-Fallen und keine versteckten Kosten" zu bewerben. Schließlich wirbt die Beklagte nicht - wettbewerbsrechtlich unzulässig - mit Selbstverständlichkeiten. Sie beschreibt lediglich ihr Angebot, bei dem es keine Werbung, kein Abo und auch keine vom Nutzer direkt zu tragenden Kosten gibt. Diesem Hinweis kommt vor dem Hintergrund verschiedener Nachrichtenangebote, wie sie etwa auch von den Klägerinnen vorgehalten werden, ein Informationswert zu, an dem potentielle Nutzer ein berechtigtes Interesse haben.

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