19.05.2014

Verletzung bestimmten Schutzrechts kann Verhängung eines Ordnungsmittels für kerngleiche Verletzungen anderer Schutzrechte rechtfertigen

Die Verletzung eines bestimmten Schutzrechts kann die Verhängung eines Ordnungsmittels für kerngleiche Verletzungen anderer Schutzrechte rechtfertigen. Voraussetzung dafür ist, dass die kerngleichen Verletzungshandlungen in das Erkenntnisverfahren und die Verurteilung einbezogen sind.

BGH 3.4.2014, I ZB 42/11
Der Sachverhalt:
Der Gläubiger erstellt Fotografien von Speisen, die zusammen mit den entsprechenden Rezepten unter der von ihm und seiner Ehefrau betriebenen Internetadresse kostenlos abgerufen werden können. Die Schuldnerin bietet unter der Internetadresse "www.c .de" ebenfalls eine kostenfrei abrufbare Rezeptsammlung an. Diese Rezepte stammen zu einem erheblichen Teil von Privatpersonen, die nach Eingabe von Namen, Anschrift und E-Mail-Adresse selbständig Rezepttexte und Bilder auf die Internetseite "www.c .de" hochladen können.

In der Vergangenheit stellten Dritte vom Gläubiger angefertigte Fotografien ohne dessen Wissen und Zustimmung auf der Internetseite der Schuldnerin ein. Auf die daraufhin vom Gläubiger wegen Verletzung seines Rechts an Fotografien erhobene Klage verurteilte das LG die Schuldnerin unter Androhung von Ordnungsmitteln, es zu unterlassen, die vom Gläubiger erstellten und unter "www.marions-kochbuch.de" abrufbaren Fotografien und/oder Teile davon ohne Erlaubnis öffentlich zugänglich zu machen, insbes. auf der unter "www.c .de" abrufbaren Seite zur Schau zu stellen und/oder durch das Aufspielen oder Aufspielenlassen der Inhalte auf andere Server oder Speichermedien Dritter zu vervielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen.

Dieses Urteil ist nach erfolgloser Berufung der Schuldnerin und Zurückweisung ihrer Revision rechtskräftig geworden. Der Gläubiger beantragte daraufhin die Festsetzung eines Ordnungsgelds mit der Begründung, die Schuldnerin habe dem Unterlassungsgebot zuwidergehandelt, weil auf ihrer Internetseite die Fotos "Malaga-Eis" und "Körner-Buttermilch-Brot" eingestellt worden seien, die vom Gläubiger stammten und unter der von ihm und seiner Ehefrau betriebenen Internetadresse abrufbar seien.

Das LG wies den Ordnungsmittelantrag zurück, weil der BGH den Unterlassungsantrag des Gläubigers in der Revisionsentscheidung dahin ausgelegt habe, dass er sich allein auf die drei Lichtbilder "Schinkenkrustenbraten", "Amerikaner" und "Sigara Börek mit Hack" gemäß der dort vorgelegten Anlage K 13 beziehe. Die dagegen vom Gläubiger eingelegte Beschwerde blieb ohne Erfolg. Die Rechtsbeschwerde des Gläubigers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das titulierte Unterlassungsgebot ist auf die drei Lichtbilder "Schinkenkrustenbraten", "Amerikaner" und "Sigara Börek mit Hack" beschränkt. Der Senat hat im Zusammenhang mit der Frage der Bestimmtheit des Unterlassungsantrags ausgeführt, dass sich das Unterlassungsbegehren auf die drei genannten Lichtbilder als konkrete Verletzungsform bezieht. Daraus folgt eine entsprechende Beschränkung des antragsgemäß ausgesprochenen Unterlassungsgebots.

Zwar umfasst das in einem Unterlassungstitel ausgesprochene Verbot über die mit der verbotenen Form identischen Handlungen hinaus auch im Kern gleichartige Abwandlungen, in denen das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt. Das gilt auch dann, wenn das Verbot auf die konkrete Verletzungsform beschränkt ist. In diesem Fall haben die neben der in Bezug genommenen konkreten Verletzungshandlung abstrakt formulierten Merkmale die Funktion, den Kreis der Varianten näher zu bestimmen, die von dem Verbot als kerngleiche Verletzungsformen erfasst sein sollen. Insoweit kann die Verletzung eines bestimmten Schutzrechts die Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht nur für Verletzungen desselben Schutzrechts, sondern auch für Verletzungen anderer Schutzrechte begründen, soweit die Verletzungshandlungen trotz Verschiedenheit der Schutzrechte im Kern gleichartig sind. Voraussetzung ist, dass die kerngleichen Verletzungshandlungen in das Erkenntnisverfahren und die Verurteilung einbezogen sind.

Die Kerntheorie erlaubt hingegen nicht, die Vollstreckung aus einem Unterlassungstitel auf Schutzrechte zu erstrecken, die nicht Gegenstand des vorhergehenden Erkenntnisverfahrens gewesen sind. Insbes. kommt keine Vollstreckung von Ordnungsmitteln wegen der Verletzung solcher Schutzrechte in Betracht, die zur Zeit des Erkenntnisverfahrens noch nicht einmal entstanden waren. Denn dies wäre eine wegen des Sanktionscharakters der Ordnungsmittel des § 890 ZPO unzulässige Titelerweiterung. Demgegenüber beschränkt sich die Kerntheorie darauf, ein im "Kern" feststehendes und bei dessen sachgerechter Auslegung auch eine abweichende Handlung bereits umfassendes Verbot auf Letztere anzuwenden.

Das rechtlich Charakteristische der konkreten Verletzungs-form, das für die Bestimmung des Kerns der verbotenen Handlung maßgeblich ist, ist daher auf das beschränkt, was bereits Prüfungsgegenstand im Erkenntnisverfahren gewesen ist. Da jedes Schutzrecht im Streitfall jedes vom Gläubiger angefertigte Lichtbild einen eigenen Streitgegenstand darstellt, kann sich das rechtlich Charakteristische der konkreten Verletzungsform nicht über die konkreten Schutzrechte hinaus erstrecken, die Gegenstand des Erkenntnisverfahrens waren. Eine Ausnahme davon ist auch dann nicht gerechtfertigt, wenn es sich um gleichartige Schutzrechte desselben Rechtsinhabers handelt. Nur so ist der Umfang der Rechtskraft sicher feststellbar und eine Grundlage der Vollstreckung gegeben, die den Bestimmtheitsanforderungen genügt.

Vorliegend stellen die Lichtbilder "Malaga-Eis" und "Körner-Buttermilch-Brot", die Gegenstand des Ordnungsmittelverfahrens sind, gegenüber den zur Konkretisierung des Unterlassungsgebots herangezogenen Fotografien "Schinkenkrustenbraten", "Amerikaner" und "Sigara Börek mit Hack" andere Schutzgegenstände dar. Sie werden deshalb von dem im Verfahren I ZR 166/07 ergangenen Unterlassungstitel nicht erfasst.

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