26.01.2022

Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch einen das Sexualleben betreffenden Pressebericht nach Selbstöffnung des Partners

Der Schutz der Privatsphäre ist sowohl thematisch als auch räumlich bestimmt. Er umfasst insbesondere Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsgehalts typischerweise als "privat" eingestuft werden, etwa weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst. Dies ist bei identifizierenden Informationen über die Häufigkeit sexueller Kontakte in einer Paarbeziehung ohne Weiteres der Fall.

BGH v. 14.12.2021 - VI ZR 403/19
Der Sachverhalt:
Beim Kläger handelt es sich um den Lebensgefährten einer Moderatorin. Die Beklagte betreibt die Internetseite www.bild.de. Auf dieser Seite hatte sie am 28.11.2017 unter voller Namensnennung der betroffenen Personen einen Artikel mit folgender Überschrift veröffentlicht:

"Bei den Promi-Ladys herrscht Sex-Flaute!"

In dem Artikel heißt es u.a.: "Drei schöne Frauen, dreimal dasselbe 'Problemchen': Sie stehen mitten im Leben und sind glücklich vergeben. Trotzdem: Es rappelt nicht mehr ... in der Kiste!"

Schließlich heißt es im Artikel:

"Das Paar hat schon zwei Jungs im Alter von vier und zwei. Und S[...] K[...] reicht es: 'Drittes Kind und noch `n Junge? Näää! Ich bring mich um! Mein Mann kann nur Jungs!'"

Der Kläger war der Ansicht, die Berichterstattung unter Nennung seines Namens verletze ihn in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Er nahm die Beklagte deshalb - neben der Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten - darauf in Anspruch, es zu unterlassen, den oben genannten Artikel zu veröffentlichen.

Das LG hat der Klage stattgegeben. Das KG hat sie abgewiesen. Auf  die Revision des Klägers hat der BGH das Urteil der Vorinstanz aufgehoben und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 823 Abs. 1, § 1004 (analog) BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG darauf, es zu unterlassen, ihn im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Berichterstattung als Partner der bekannten Moderatorin namentlich zu erwähnen. Zudem steht dem Kläger gegen die Beklagte jedenfalls aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG ein Anspruch auf Ersatz seiner außergerichtlichen Kosten zu.

Ob die absolut geschützte Intimsphäre des Klägers durch die Berichterstattung berührt ist, kann offenbleiben. Wegen der jedenfalls bestehenden Nähe zur Intimsphäre des Klägers ist zumindest der innere Bereich seiner Privatsphäre betroffen. Der Schutz der Privatsphäre ist sowohl thematisch als auch räumlich bestimmt. Er umfasst insbesondere Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsgehalts typischerweise als "privat" eingestuft werden, etwa weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst. Dies ist bei identifizierenden Informationen über die Häufigkeit sexueller Kontakte in einer Paarbeziehung ohne Weiteres der Fall.

Anderes ergibt sich für den Streitfall auch nicht daraus, dass die Moderatorin als Lebenspartnerin des Klägers die im angegriffenen Artikel wiedergegebenen Informationen über ihr Beziehungs- und Sexualleben selbst preisgegeben hatte. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Schutz der Privatsphäre vor öffentlicher Kenntnisnahme dort entfallen kann, wo sich der Betroffene selbst damit einverstanden gezeigt hat, dass bestimmte, gewöhnlich als privat geltende Angelegenheiten öffentlich gemacht werden. Allerdings hatte der Kläger weder selbst öffentlich gemacht, dass er als Partner von der "Sex-Flaute" mitbetroffen sei, noch hatte die Moderatorin den Kläger im Zusammenhang mit ihren Aussagen über die wenigen sexuellen Kontakte namentlich benannt. Dass er - wovon das KG ausging - die die Grundlage der Berichterstattung bildenden Äußerungen gebilligt hatte und in seinem näheren Umfeld auch ohne Namensnennung als der Partner der Moderatorin erkennbar ist, ändert daran nichts.

Das Schutzinteresse des Klägers überwiegt das durch Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK geschützte Recht auf Meinungsfreiheit der Beklagten. Zwar mag es zutreffen, dass die Beklagte mit den Auswirkungen familiärer und beruflicher Belastungen auf das Beziehungsleben der Eltern ein Thema von öffentlichem Interesse aufgegriffen und dieses Thema jedenfalls vor dem Hintergrund der öffentlichen Äußerungen der Moderatorin bezogen auf ihre Person auch in zulässiger Weise behandelt hatte. Dies bedeutet aber nicht, dass die Abwägung auch in Bezug auf den Kläger dazu führte, dass seine berechtigten Interessen am Unterbleiben der ihn identifizierenden Berichterstattung die berechtigten Interessen der Beklagten an der Berichterstattung nicht überwiegen. Denn anders als bei seiner Partnerin handelt es sich beim Kläger, der sich zu seinem Sexualleben nicht öffentlich geäußert hat, nicht um eine Person des öffentlichen Lebens.

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