Vermutungswirkung für Vergütungspauschale nach § 649 S. 3 BGB greift erst bei schlüssigem Abrechnungsvortrag
BGH 28.7.2011, VII ZR 45/11Die Klägerin hatte im Januar 2009 mit der Beklagten einen Internet-System-Vertrag abgeschlossen. Der Vertrag beinhaltete u.a. die Registrierung einer Domain, die Gestaltung einer individuellen Internetpräsenz und das Hosting der Website. Die Beklagte verpflichtete sich, für die Laufzeit von 48 Monaten ein monatliches Entgelt von 200 € zuzüglich Mehrwertsteuer sowie Abschlusskosten i.H.v. 199 € zuzüglich Mehrwertsteuer bei Vertragsschluss zu zahlen.
Die Beklagte zahlte nicht, sondern trat nur einen Tag später vom Vertrag zurück. Im September 2009 erklärte sie die Anfechtung des Vertrags. In der Klageerwiderung vom November 2009 kündigte sie.
Die Klägerin machte zunächst die laufenden monatlichen Entgelte für das erste Vertragsjahr ab Januar 2009 und die Anschlusskosten sowie Ersatz der außergerichtlichen Kosten geltend. AG und LG wiesen die Klage ab. Mit der Revision vor dem BGH verfolgte die Klägerin nur noch einen Anspruch i.H.v. 5 % der vertraglich vereinbarten Gesamtvergütung zuzüglich Abschlusskosten. Diesen errechnete sie mit rund 381 €. Die Revision blieb allerdings erfolglos.
Die Gründe:
Die Klägerin hatte den Teil der vereinbarten Vergütung, der auf die nicht erbrachte Leistung entfiel, nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht dargelegt. Sie hatte deshalb zum Anspruch auf die Pauschale von 5 % nicht schlüssig vorgetragen.
Die Klägerin stützt ihr Begehren in der Revision nur noch auf die in § 649 S. 3 BGB geregelte Vermutung, dass dem Unternehmer 5 % der auf den noch nicht erbrachten Teil der Werkleistung entfallenden vereinbarten Vergütung zustehen. Diese durch das Forderungssicherungsgesetz vom 23.10.2008 eingefügte Regelung ist auf Schuldverhältnisse anwendbar, die - wie hier - nach dem 1.1.2009 entstanden sind. Voraussetzung für den Anspruch auf die Pauschale von 5 % ist, dass der Unternehmer die auf den noch nicht erbrachten Teil der Werkleistung entfallende vereinbarte Vergütung darlegt.
Infolgedessen reicht es nicht, die Gesamtvergütung darzulegen, denn diese ist nicht Grundlage für die Berechnung der Pauschale. Vielmehr muss der Unternehmer darlegen, welche Leistungen er erbracht hat und welche Leistungen nicht erbracht wurden. Er muss auf der Grundlage der vertraglichen Vergütungsvereinbarung darlegen, welcher Teil der vereinbarten Vergütung auf die erbrachten und welcher Teil auf die nicht erbrachten Leistungen entfallen. Der Gesetzgeber hat insoweit die sekundäre Darlegungslast des Unternehmers nicht erleichtern wollen.
Aus der Begründung zum Entwurf des Forderungssicherungsgesetzes ergibt sich unmissverständlich, dass lediglich die Darlegungslast zur Ersparnis erleichtert wurde und als Bemessungsgrundlage für die Pauschale von vornherein nicht die vereinbarte Vergütung vorgesehen war, sondern der Teil der Vergütung, auf den sich die Ersparnis bezieht. In Abkehr von der in der Begründung zum Gesetzesentwurf in Bezug genommenen Regelung in § 648a Abs. 5 S. 4 BGB a.F. wurde offenbar bewusst nicht mehr "die Vergütung" als Bemessungsgrundlage gewählt, sondern der Teil der vereinbarten Vergütung, der auf den noch nicht erbrachten Teil der Werkleistung entfällt. Damit sollte offensichtlich den Bedenken Rechnung getragen werden, die gegen eine Pauschalierung mit einer Anknüpfung an die Gesamtvergütung erhoben wurden.
Diese Anknüpfung ist konsequent, weil damit eine von vornherein überhöhte Pauschale bei kurz vor Vertragsbeendigung erfolgter Kündigung vermieden wird und für den Besteller in aller Regel nur nach einem Vortrag des Unternehmers zu dem Teil der vereinbarten Vergütung, der auf die nicht erbrachte Leistung entfällt, die Möglichkeit besteht, die Vermutung einer höheren Ersparnis als 95 % zu widerlegen.
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