09.09.2024

Versicherungsbedingungen der Allianz bei fondsgebundenen Verträgen zur Riester-Rente sind wirksam

Eine Regelung in AVB, die einen Versicherer einseitig zu einer Herabsetzung des Rentenfaktors berechtigt, verstößt weder gegen zwingende gesetzliche Vorschriften noch benachteiligt sie einen Versicherungsnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, wenn diesem seinerseits dies ausreichend kompensierende Rechte zustehen. Eine solche ausreichende Kompensation wird dadurch erreicht, dass der Versicherungsnehmer einmal jährlich eine einmalige Zuzahlung leisten und auch einmal jährlich - und damit auch für künftige Jahre - den "vereinbarten Beitrag" erhöhen kann.

LG Stuttgart v. 10.7.2023 - 53 O 214/22
Der Sachverhalt:
Der in Anspruch genommene Versicherer sah in seinen Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die teilweise in im Jahr 2006 abgeschlossene Riesterrenten-Verträge einbezogen worden sind, die Möglichkeit vor, den sog. Rentenfaktor unter bestimmten Voraussetzungen abzusenken. Die Absenkung soll möglich sein, wenn die Rendite der Kapitalanlagen, in die der Versicherer die Prämien anlegt, unvorhergesehen so stark sinken sollte, dass die Rentenzahlungen auf Dauer nicht mehr gesichert werden können. Dies führt bei den betroffenen Verträgen zu einer geringeren Rentenzahlung. Voraussetzung hierfür ist die Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders.

Die klagende Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e.V. sieht diese Regelungen vor allem deswegen als unwirksam an, da sie Verbraucher unangemessen benachteilige, weil nicht zugleich bei erneuter Änderung der Umstände (z.B. bei einer Erholung am Kapitalmarkt) eine Erhöhung der Leistungen vorgesehen ist.

Die Klage wurde abgewiesen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Die Gründe:
Die Regelung in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen verstößt weder gegen zwingende gesetzliche Vorschriften noch benachteiligt sie die Versicherungsnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§ 307 BGB).

Heranzuziehen ist zunächst eine vergleichbare Regelung im Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Der Gesetzgeber hat dem Versicherer in § 163 VVG eine Berechtigung zu einer Neufestsetzung der vereinbarten Prämie zugebilligt. Er hat sich dort aber bewusst für ein einseitiges Recht zur Prämienerhöhung durch den Versicherer entschieden, ohne dass bei  - erneut - geänderten Voraussetzungen der Versicherer verpflichtet ist, die Prämienerhöhung wieder rückgängig zu machen. Vor diesem Hintergrund kann ein Versicherer in einem ähnlichen Sachverhalt, wie er hier besteht, in den Versicherungsbedingungen ein einseitiges Anpassungsrecht vorsehen, ohne dies wieder rückgängig machen zu müssen. Nach der Rechtsprechung des BGH kann bei Verträgen über eine Lebensversicherung auch nicht auf den Grundsatz zurückgegriffen werden, dass Anpassungsklauseln eine spiegelbildliche Rückanpassung vorsehen müssen, wenn sich Umstände zugunsten der Verbraucher ändern.

Zwar muss dem Versicherungsnehmer, der sich für eine fondsgebundene Versicherung entschieden hat, bei der sich die Entwicklung nicht prognostizieren lässt, eine Möglichkeit zur Reaktion auf die Anpassung durch den Versicherer gewährt werden, um ihn nicht unangemessen zu benachteiligen. Das ist hier aber der Fall. Die Versicherungsbedingungen räumen eine Möglichkeit freiwilliger Zuzahlungen ein. Der Versicherungsnehmer kann einmal jährlich eine einmalige Zuzahlung leisten; er kann auch einmal jährlich - und damit auch für künftige Jahre - die vereinbarte Prämie erhöhen. Damit steht ihm die Option zu einer Erhöhung des für die Bildung der Rente zur Verfügung stehenden garantierten Kapitals offen, um so das bei Vertragsschluss in Aussicht genommene Niveau der späteren Rente sichern zu können.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung:
Wirksamkeit einer Regelung in AVB zur einseitigen Herabsetzung des Rentenfaktors
LG Stuttgart vom 10.7.2023 - 53 O 214/22
VersR 2023, 1215

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