05.09.2024

Verwehrter Zugang zur Plattform Android Auto

Die Weigerung von Google, Dritten Zugang zur Plattform Android Auto zu gewähren, verstößt möglicherweise gegen das Wettbewerbsrecht.

EuGH, C-233/23: Schlussanträge des Generalanwalts vom 5.9.2024
Der Sachverhalt:
Google (Google Italy Srl, die italienische Tochtergesellschaft der Google LLC, die wiederum der Alphabet Inc gehört. Die drei Unternehmen werden vorliegend zusammen als "Google" bezeichnet.) ist Urheberin und Entwicklerin von Android OS, eines Open-Source-Betriebssystems für Android-Mobilgeräte. 2015 brachte sie Android Auto auf den Markt, eine App für Mobilgeräte mit dem Betriebssystem Android, mit dem es Benutzern möglich ist, über einen in das Fahrzeug integrierten Bildschirm auf bestimmte Apps auf ihrem Smartphone zuzugreifen. Drittentwickler können mit Hilfe von Templates, die Google bereitstellt, Versionen eigener Apps erstellen, die mit Android Auto kompatibel sind.

Enel X, die zur Enel Group gehört, erbringt Dienstleistungen für das Laden von Elektrofahrzeugen. Im Mai 2018 brachte sie die App JuicePass auf den Markt, die eine Reihe von Funktionen für das Laden von Elektrofahrzeugen anbietet. Im September 2018 ersuchte Enel X Google, JuicePass mit Android Auto kompatibel zu machen. Google lehnte dies mit der Begründung ab, dass in Ermangelung eines speziellen Templates Medien- und Messaging-Apps die einzigen Apps von Drittanbietern seien, die mit Android Auto kompatibel seien. Sie rechtfertigte ihre Weigerung mit Sicherheitserwägungen und der Notwendigkeit, die für die Entwicklung eines neuen Templates notwendigen Ressourcen bereitzustellen.

Die italienische Wettbewerbsbehörde stellte fest, dass das Verhalten von Google gegen das Wettbewerbsrecht der Union verstoße. Mit der Behinderung und Verzögerung der Veröffentlichung der JuicePass-App auf der Plattform Android Auto habe Google ihre beherrschende Stellung missbraucht. Google focht diese Entscheidung vor dem italienischen Staatsrat an. Diese setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vor.

Die Gründe:
Zu prüfen ist, ob die ständige Rechtsprechung zur Zugangsverweigerung durch ein beherrschendes Unternehmen einschlägig ist, d.h., ob die sog. Bronner-Voraussetzungen gelten. Diese Bezeichnung geht auf das Urteil des EuGH vom 26.11.1998 (C-7/97; Bronner) zurück. Nach diesen Kriterien können Verhaltensweisen, die in der Weigerung bestehen, Zugang zu einer Infrastruktur zu gewähren, die einem beherrschenden Unternehmen gehört und von ihm für seine eigenen Tätigkeiten entwickelt wurde, einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen, wenn nicht nur die Weigerung geeignet ist, jeglichen Wettbewerb durch das Unternehmen, das um den Zugang ersucht, auf dem relevanten Markt auszuschalten, und nicht objektiv zu rechtfertigen ist, sondern auch die Infrastruktur selbst für die Ausübung der Tätigkeit durch das ersuchende Unternehmen in dem Sinne unentbehrlich ist, dass kein tatsächlicher oder potenzieller Ersatz für diese Infrastruktur besteht. Weiterhin ist zu untersuchen, ob Zugangsverpflichtungen im Hinblick auf die Interoperabilität für beherrschende Unternehmen bedeuten, dass sie ein aktives Verhalten an den Tag legen, also z.B. die erforderliche Software entwickeln müssen.

Festzuhalten ist, dass die Bronner-Voraussetzungen nicht anwendbar sind, wenn die Plattform, zu der Zugang gefordert wird, von dem beherrschenden Unternehmen nicht zu dessen ausschließlicher Nutzung entwickelt, sondern so konzipiert und gestaltet worden ist, dass sie die Apps von Drittentwicklern aufnimmt. In einem solchen Fall ist es nicht erforderlich, nachzuweisen, dass diese Plattform für den benachbarten Markt unentbehrlich ist. Dagegen missbraucht ein Unternehmen seine beherrschende Stellung, wenn es mit seinem Verhalten den Zugang einer von einem Drittanbieter entwickelten App zur Plattform ausschließt, behindert oder verzögert, vorausgesetzt, dass sein Verhalten geeignet ist, wettbewerbswidrige Wirkungen zum Nachteil der Verbraucher zu entfalten, und nicht objektiv gerechtfertigt ist.

Die Weigerung eines beherrschenden Unternehmens, einem Drittanbieter Zugang zu einer Plattform wie der vorliegenden zu gewähren, kann objektiv gerechtfertigt sein, wenn der geforderte Zugang technisch nicht möglich ist oder wenn er in technischer Hinsicht die Leistung der Plattform beeinträchtigen könnte oder deren wirtschaftlichem Modell oder Zweck zuwiderlauft. Der bloße Umstand, dass das beherrschende Unternehmen, um Zugang zu der Plattform zu gewähren, über die Erteilung der Einwilligung hinaus ein Software-Template entwickeln müsste, das den spezifischen Bedürfnissen des um Zugang ersuchenden Anbieters Rechnung trägt, kann als solcher eine Zugangsverweigerung dann nicht rechtfertigen, wenn für die Entwicklung ein angemessener Zeitrahmen zur Verfügung steht und dem beherrschenden Unternehmen eine angemessene Vergütung geleistet wird. Das beherrschende Unternehmen muss dem um Zugang ersuchenden Anbieter auf das Ersuchen hin diese beiden Aspekte mitteilen.

Das Wettbewerbsrecht der Union erlegt nicht ohne Weiteres eine Verpflichtung auf, objektive Kriterien für die Prüfung von Ersuchen um Zugang zu einer Plattform aufzustellen. Nur in dem Fall, dass gleichzeitig mehrere Ersuchen gestellt werden, kann das Fehlen solcher Kriterien einen Gesichtspunkt darstellen, der bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit des dem beherrschenden Unternehmen vorgeworfenen Verhaltens zu berücksichtigen ist, wenn dieses zu übermäßigen Verzögerungen bei der Zugangsgewährung oder zu einer diskriminierenden Behandlung der konkurrierenden, um Zugang ersuchenden Anbieter führt.

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