Vom Lieferanten abgeleiteter Eigentumsvorbehalt des Factors beim echten Factoringvertrag berechtigt in der Insolvenz des Forderungsschuldners zur Aussonderung
BGH 8.5.2014, IX ZR 128/12Die Klägerin und die M-GmbH (Lieferantin) waren durch einen "Vertrag über den Ankauf von Forderungen" aus dem Jahre 2002 (Factoringvertrag) miteinander verbunden. Hierin verpflichtete sich die Klägerin zum laufenden Ankauf aller bestehenden und künftigen Forderungen der Lieferantin aus Kaufverträgen gegenüber den mit ihr vertraglich verbundenen Händlern. Der Kaufpreis entsprach dem Bruttobetrag der Forderungssumme abzgl. einer Verwaltungsgebühr. Die Klägerin trug das Delkredere-Risiko. Die Lieferantin garantierte, dass die zum Kauf angebotene Forderung einschließlich aller Nebenrechte abtretbar, frei von Rechten Dritter und nicht mit Einreden oder Einwendungen behaftet war und nicht nachträglich durch Einreden oder Eiwendungen oder Zurückbehaltungsrechte in ihrem rechtlichen Bestand verändert wurde.
Durch Abtretung der Herausgabeansprüche gegen die Händler übertrug die Lieferantin jegliches gegenwärtige und künftige Eigentum an den Fahrzeugen auf die Klägerin. Mit den Händlern schloss die Lieferantin jeweils einen "Händlervertrag PKW". Dazu gehörte eine Vereinbarung über Lieferungs- und Zahlungsbedingungen, nach denen sich die Lieferantin das Eigentum an den ausgelieferten Fahrzeugen bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung vorbehielt. Für den Fall des Zahlungsverzugs, der Zahlungsunfähigkeit oder der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin sollten der Händlervertrag beendet und die Lieferantin oder das Finanzierungsinstitut berechtigt sein, die Vertragsware von der Schuldnerin heraus zu verlangen.
Am 2.2.2009 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Vertragshändlerin A-GmbH (Schuldnerin) eröffnet und die Beklagte zur Verwalterin bestellt. Bereits zuvor, am 7.1.2009, hatte die Klägerin der Beklagten als vorläufige Verwalterin gegenüber den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt und die Herausgabe von zehn Neu- und Vorführwagen verlangt. Die Parteien kamen überein, dass die Klägerin die Fahrzeuge veräußern und der Beklagten anschließend vom Verwertungserlös - abhängig vom Ausgang eines nachfolgenden Rechtsstreits zur Klärung des Absonderungs- bzw. Aussonderungsrechts - 4 Prozent Feststellungskosten, 2,5 Prozent Verwertungskosten und 19 Prozent Umsatzsteuer, überweisen solle. Nach Verwertung der Fahrzeuge zahlte die Klägerin aufgrund der Vereinbarung, aber ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, rd. 33.000 € an die Beklagte.
LG und OLG gaben der auf Rückzahlung dieses Betrages gerichteten Klage statt. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Bereicherungsanspruch gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB i.H.v. rd. 33.000 € zu, weil ihre Leistung ohne rechtlichen Grund erfolgt ist.
Die Klägerin war Vorbehaltseigentümerin der zehn Neu- und Vorführwagen. Der von der Lieferantin abgeleitete Eigentumsvorbehalt der Klägerin begründet nicht nur ein Absonderungsrecht entsprechend § 51 Nr. 1 InsO, sondern ein Aussonderungsrecht i.S.v. § 47 InsO. Das Vorbehaltseigentum sicherte auch nach seiner Übertragung auf die Klägerin noch den Rückgewähranspruch an der Kaufsache im Rücktrittsfall und damit einen Warenkredit. Er berechtigte die Klägerin somit zur Aussonderung der Fahrzeuge gem. § 47 InsO.
Der Klägerin wurde das Vorbehaltseigentum an den Fahrzeugen im Rahmen eines echten Factoringvertrags übertragen. Dem echten Factoring kommt bei wirtschaftlicher Betrachtung eine wichtige Finanzierungsfunktion zu. Gleichwohl handelt es sich nicht um einen Darlehensvertrag, sondern um einen Kaufvertrag über Rechte i.S.v. § 453 BGB. Die Kaufpreisforderungen, welche die Klägerin im Rahmen dieses Factoringvertrags von der Lieferantin ankaufte, sind nicht durch Erfüllung erloschen, sondern gem. § 398 BGB im Wege der Abtretung auf die Klägerin übergegangen. Zugunsten der Klägerin kann mit dem OLG angenommen werden, dass die Abtretung das gesetzliche Rücktrittsrecht des Verkäufers gem. §§ 323 ff BGB einschloss.
Damit erfüllte das auf die Klägerin übergeleitete Vorbehaltseigentum wie zuvor bei der Lieferantin den Zweck, einen durch den Rücktritt vom Kaufvertrag aufschiebend bedingten Herausgabeanspruch nach § 449 Abs. 2 BGB zu sichern. Von dieser Sicherheit machte die Klägerin anstelle der Lieferantin sodann Gebrauch, als sie mit Schreiben vom 7.1.2009 die Fahrzeuge herausverlangte und damit zugleich den Rücktritt von den Kaufverträgen erklärte. Mit Blick auf den fortbesehenden Zweck des Sicherungsmittels, diesen Herausgabeanspruch an der Ware zu sichern, hat das Vorbehaltseigentum seine ursprüngliche Funktion beibehalten. Es ist damit nicht gerechtfertigt, der Klägerin im Gegensatz zum Vorbehaltsverkäufer kein Aussonderungsrecht gem. § 47 InsO zuzubilligen.
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