31.03.2020

Vorschriften der DSGVO stellen Marktverhaltensregeln dar

§ 13 Absatz 1 Satz 1 TMG wird durch die Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung verdrängt. Die Informationspflichten aus Artikel 13 Absatz 1 lit. a, c und Absatz 2 lit. b, d und e DSGVO stellen Marktverhaltensregelungen dar.

OLG Stuttgart v. 27.2.2020 - 2 U 257/19
Der Sachverhalt:
Der Beklagte hatte am 16.7.2018 als gewerblicher Händler auf der Internethandelsplattform eBay Reifen zum Sofortkauf angeboten. Neben seiner Firma gab er seine Postanschrift, Telefonnummer, Faxnummer und E-Mail-Adresse an. Eine Erklärung zum Datenschutz hielt er nicht vor. Die aus diesen Gründen ausgesprochene Abmahnung des klagenden Wirtschaftsverbandes blieb erfolglos.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Es war der Ansicht, dass § 13 TMG, auf den der Hauptantrag gestützt werde, keinen Anwendungsbereich mehr besitze. Durch Artikel 80 Absatz 2 DSGVO zum Ausdruck, dass der europäische Gesetzgeber eine eigenmächtige Verfolgung von Verstößen durch Dritte nur zulassen wolle, wenn die in der Norm genannten Voraussetzungen erfüllt seien und der nationale Gesetzgeber dies geregelt habe. Der deutsche Gesetzgeber habe von der Ermächtigung in Artikel 80 Absatz 2 DSGVO keinen Gebrauch gemacht. Aufgrund der abschließenden Regelung der Datenschutz-Grundverordnung stünden dem Kläger auch keine Unterlassungsansprüche nach dem UKlaG zu.

Auf die Berufung des Klägers hat das OLG die Entscheidung aufgehoben und der Klage im Hinblick auf den Hilfsantrag stattgegeben.

Die Gründe:
Der Kläger hat zwar keinen Unterlassungsanspruch aus § 8 Absatz 1 UWG i.V.m. §§ 3, 3a UWG und § 13 Absatz 1 Satz 1 TMG. Denn zurecht hat das LG ausgeführt, dass § 13 TMG in vorliegender Konstellation durch die Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung verdrängt wird, die zum Zeitpunkt des Erstverstoßes am 16.7.2018 bereits anwendbar waren.

Der Unterlassungsanspruch folgt vielmehr aus § 8 Absatz 1 UWG i.V.m. §§ 3, 3a UWG und Artikel 13 DSGVO. Denn wer eine nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann gem. § 8 Absatz 1 Satz 1 UWG bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Nach § 3a UWG begeht eine i.S.v. § 3 Absatz 1 UWG unzulässige geschäftliche Handlung, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, wenn der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

Die Anwendung von § 3a UWG wird durch die vollharmonisierende UGP-Richtlinie nicht gesperrt, da diese selbst vorsieht, dass Rechtsvorschriften der Gemeinschaft, die besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln, vorgehen und maßgebend sind (Artikel 3 Absatz 4 UGP-Richtlinie). Die in Erwägungsgrund Nr. 10 zur UGP-Richtlinie genannten Richtlinien sind nicht abschließend. Auch datenschutzrechtliche Bestimmungen können besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln, wie der letzte Satz des Erwägungsgrundes 14 zur UGP-Richtlinie zeigt. Es hängt von den Regelungen im Einzelfall ab, welche Verordnung einen bestimmten Aspekt unlauterer Geschäftspraktiken speziell regelt. Für die datenschutzrechtlichen Informationspflichten ist Artikel 13 DSGVO maßgebend. Nicht erforderlich ist damit ein Rückgriff auf § 5a Absatz 2 und 4 UWG. Diese Bestimmung regelt in Umsetzung von Artikel 7 UGP-Richtlinie den Unlauterkeitstatbestand des Vorenthaltens einer für eine informierte geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers erforderlichen wesentlichen Information.

Mit dem Inserat auf der Internethandelsplattform hat der Beklagte gegen Artikel 13 DSGVO verstoßen. Die Informationspflichten aus Artikel 13 Absatz 1 lit. a, c und Absatz 2 lit. b, d und e DSGVO stellen Marktverhaltensregelungen dar. Teilweise wird den Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung der Marktbezug insgesamt abgesprochen. Dem wird entgegengehalten, dass die Verordnung nach Erwägungsgrund 9 Satz 3 auch eine wettbewerbsrechtliche Zielsetzung habe. Vermittelnd wird vertreten, dass datenschutzrechtliche Bestimmungen im Allgemeinen dem Schutz der Persönlichkeitsrechte dienen und sie einen wettbewerbsrechtlichen Bezug nur aufweisen, soweit es um die Zulässigkeit der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von Daten geht, etwa zu Zwecken der Werbung, der Meinungsforschung, der Erstellung von Nutzerprofilen, des Adresshandels oder sonstiger kommerzieller Zwecke.

In diesem Sinne hat der Senat bereits ausgesprochen, dass die konkrete Norm auf ihren Marktbezug zu untersuchen ist. Das Datenschutzrecht mit seinen facettenreichen Verzweigungen verfolgt nicht allein einen einzelnen Schutzzweck. Daher verbietet sich eine generalisierende Betrachtung. Hinsichtlich aller Informationspflichten liegt ein Marktbezug vor. Die Kenntnis des Namens und der Kontaktdaten des Verantwortlichen (Artikel 13 Absatz 1 lit. a DSGVO) hat eine verbraucherschützende Funktion und weist den erforderlichen wettbewerblichen Bezug auf. Sie erleichtert die Kommunikation mit dem Unternehmen. Der Verbraucher ist auch dann über die Zwecke der Datenverarbeitung und deren Rechtsgrundlagen aufzuklären, wenn seine Einwilligung nicht erforderlich ist, weil bereits die Erforderlichkeit der Datenverarbeitung für die Erfüllung des Vertrags oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen deren Rechtmäßigkeit begründet.

Schließlich war auch die Klagebefugnis des Wirtschaftsverbandes gegeben. Artikel 80 DSGVO enthält keine abschließende Regelung über die Rechtsdurchsetzung von Verstößen gegen die Datenschutz-Grundverordnung. Wettbewerbsverbände sind aber gemäß § 8 Absatz 3 Nr. 2 UWG i.V.m. § 8 Absatz 1 und § 3a UWG befugt, solche Verstöße gegen Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung geltend zu machen, bei denen es sich um Marktverhaltensregelungen handelt.
Landesrechtsprechung Baden-Württemberg
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