Wann ist eine die Neuheit ausschließende Offenbarung gegeben?
BGH v. 6.4.2021 - X ZR 54/19
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für Deutschland erteilten europäischen Patents 1 435 338, das im September 2002 unter Inanspruchnahme der Priorität einer japanischen Anmeldung aus September 2001 angemeldet wurde. Es betrifft das technische Problem, ein Ceroxid mit hoher Hitzebeständigkeit, hohem Sauerstoffadsorptions- und -desorptionsvermögen auch bei niedrigen Temperaturen und großer spezifischer Oberfläche auch bei hohen Temperaturen bereitzustellen. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in der mit dem zweitinstanzlichen Hauptantrag verteidigten Fassung von Patentanspruch 1 ein Ceroxid vor.
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig und nicht so offenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen könne. Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten war vor dem BGH teilweise erfolgreich.
Gründe:
Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ist in K4 ein Cerdioxid mit den Merkmalen 1.A und 1.B.a nicht eindeutig und unmittelbar offenbart. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 war dem Fachmann auch nicht durch K4 nahegelegt.
Eine die Neuheit ausschließende Offenbarung ist nicht bereits dann gegeben, wenn eine Entgegenhaltung Patentschutz für ein Erzeugnis mit bestimmten Eigenschaften beansprucht. Erforderlich ist vielmehr, dass sich der Entgegenhaltung unmittelbar und eindeutig eine konkrete technische Lehre entnehmen lässt, mit der sich die beanspruchten Eigenschaften erreichen lassen. Eine unmittelbare und eindeutige Offenbarung in diesem Sinn ist nicht gegeben, wenn die Entgegenhaltung lediglich einen Weg für die Verwirklichung einer Ausführungsform mit anderen Eigenschaften aufzeigt. Der Grundsatz, wonach es für die ausführbare Offenbarung einer technischen Lehre nicht erforderlich ist, für jede denkbare Ausführungsform einen gangbaren Weg zu deren Verwirklichung aufzuzeigen, ist in diesem Zusammenhang nicht anwendbar.
Die Beschreibung von K4 offenbart nicht unmittelbar und eindeutig, dass Ceroxide mit einer spezifischen Oberfläche von mehr als 30 m²/g auf dem in der Beschreibung geschilderten Weg ohne zusätzliche Maßnahmen hergestellt werden können. Dem in der Beschreibung enthaltenen Hinweis, dass die spezifische Oberfläche mit zunehmendem Zirkoniumanteil typischerweise ansteigt und die höchsten Werte erzielt werden können, wenn der Anteil an Zirkonium den Ceranteil übersteigt, ist vielmehr zu entnehmen, dass die für ein bestimmtes Mischoxid angegebenen Werte nicht ohne weiteres auf Oxide anderer Zusammensetzung und erst recht nicht auf reines Ceroxid übertragen werden können.
Die Rechtsprechung des Senats, wonach es für die ausführbare Offenbarung einer technischen Lehre nach Art. 2 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Int-PatÜbkG nicht erforderlich ist, für jede denkbare Ausführungsform einen gangbaren Weg zu deren Verwirklichung aufzuzeigen (etwa BGH, Beschl. v. 11.9.2013 - X ZB 8/12), führt entgegen der Auffassung des Patentgerichts nicht zu einer anderen Beurteilung. Diese Rechtsprechung betrifft die Frage, in welchem Umfang ein Patent aufgrund der in der Beschreibung geschilderten technischen Lehre vor dem Hintergrund des Stands der Technik Schutz für Ausführungsformen beanspruchen darf, die in der Beschreibung nicht in allen Details geschildert sind. Im Streitfall geht es hingegen darum, ob eine bestimmte technische Lehre, für die das Streitpatent Schutz begehrt, schon in einer Entgegenhaltung vorweggenommen wird. Für diese Frage ist nicht maßgeblich, für welchen Bereich die Entgegenhaltung ihrerseits bei der Beanspruchung eines Merkmals in verallgemeinerter Form aufgrund ihres Offenbarungsgehalts Schutz beanspruchen kann.
BGH online
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für Deutschland erteilten europäischen Patents 1 435 338, das im September 2002 unter Inanspruchnahme der Priorität einer japanischen Anmeldung aus September 2001 angemeldet wurde. Es betrifft das technische Problem, ein Ceroxid mit hoher Hitzebeständigkeit, hohem Sauerstoffadsorptions- und -desorptionsvermögen auch bei niedrigen Temperaturen und großer spezifischer Oberfläche auch bei hohen Temperaturen bereitzustellen. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in der mit dem zweitinstanzlichen Hauptantrag verteidigten Fassung von Patentanspruch 1 ein Ceroxid vor.
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig und nicht so offenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen könne. Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten war vor dem BGH teilweise erfolgreich.
Gründe:
Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ist in K4 ein Cerdioxid mit den Merkmalen 1.A und 1.B.a nicht eindeutig und unmittelbar offenbart. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 war dem Fachmann auch nicht durch K4 nahegelegt.
Eine die Neuheit ausschließende Offenbarung ist nicht bereits dann gegeben, wenn eine Entgegenhaltung Patentschutz für ein Erzeugnis mit bestimmten Eigenschaften beansprucht. Erforderlich ist vielmehr, dass sich der Entgegenhaltung unmittelbar und eindeutig eine konkrete technische Lehre entnehmen lässt, mit der sich die beanspruchten Eigenschaften erreichen lassen. Eine unmittelbare und eindeutige Offenbarung in diesem Sinn ist nicht gegeben, wenn die Entgegenhaltung lediglich einen Weg für die Verwirklichung einer Ausführungsform mit anderen Eigenschaften aufzeigt. Der Grundsatz, wonach es für die ausführbare Offenbarung einer technischen Lehre nicht erforderlich ist, für jede denkbare Ausführungsform einen gangbaren Weg zu deren Verwirklichung aufzuzeigen, ist in diesem Zusammenhang nicht anwendbar.
Die Beschreibung von K4 offenbart nicht unmittelbar und eindeutig, dass Ceroxide mit einer spezifischen Oberfläche von mehr als 30 m²/g auf dem in der Beschreibung geschilderten Weg ohne zusätzliche Maßnahmen hergestellt werden können. Dem in der Beschreibung enthaltenen Hinweis, dass die spezifische Oberfläche mit zunehmendem Zirkoniumanteil typischerweise ansteigt und die höchsten Werte erzielt werden können, wenn der Anteil an Zirkonium den Ceranteil übersteigt, ist vielmehr zu entnehmen, dass die für ein bestimmtes Mischoxid angegebenen Werte nicht ohne weiteres auf Oxide anderer Zusammensetzung und erst recht nicht auf reines Ceroxid übertragen werden können.
Die Rechtsprechung des Senats, wonach es für die ausführbare Offenbarung einer technischen Lehre nach Art. 2 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Int-PatÜbkG nicht erforderlich ist, für jede denkbare Ausführungsform einen gangbaren Weg zu deren Verwirklichung aufzuzeigen (etwa BGH, Beschl. v. 11.9.2013 - X ZB 8/12), führt entgegen der Auffassung des Patentgerichts nicht zu einer anderen Beurteilung. Diese Rechtsprechung betrifft die Frage, in welchem Umfang ein Patent aufgrund der in der Beschreibung geschilderten technischen Lehre vor dem Hintergrund des Stands der Technik Schutz für Ausführungsformen beanspruchen darf, die in der Beschreibung nicht in allen Details geschildert sind. Im Streitfall geht es hingegen darum, ob eine bestimmte technische Lehre, für die das Streitpatent Schutz begehrt, schon in einer Entgegenhaltung vorweggenommen wird. Für diese Frage ist nicht maßgeblich, für welchen Bereich die Entgegenhaltung ihrerseits bei der Beanspruchung eines Merkmals in verallgemeinerter Form aufgrund ihres Offenbarungsgehalts Schutz beanspruchen kann.