Wann liegt ein die Inkongruenz begründender Druck vor?
AG Charlottenburg v. 11.10.2024 - 209 C 6/24
Der Sachverhalt:
Die Insolvenzschuldnerin hatte am 4.10.2019 einen sog. "Sale & Lease Back"-Vertrag mit der Beklagten abgeschlossen, bei dem sie ihr Auto an die Beklagte für einen bestimmten Geldbetrag verkaufte und sogleich das Fahrzeug für 693 € pro Monat von der Beklagten zurückmietete. Nachdem am 15.10.2019 beim AG Gera ein Insolvenzantrag gestellt worden war, wurde mit Beschluss vom 10.2.2020 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
Am 9.11.2019 mahnte die Beklagte die zweite Monatsrate i.H.v. 693 € zur Zahlung innerhalb von fünf Werktagen an und drohte mit Konsequenzen für den Fall der Nichtzahlung. Wörtlich hieß es: "Sollten wir binnen dieser 5 Werktage weder einen Geldeingang noch die Übergabe des Fahrzeugs bei uns verzeichnen können, sind wir gezwungen ein Kfz-Rückführungs-Unternehmen zu beauftragen und eine Strafanzeige bei der Polizei wegen Kfz-Unterschlagung zu stellen. Desweiteren wird das Fahrzeug bei der Polizei zur Fahndung ausgegeben".
Die Insolvenzschuldnerin zahlte am 14.11.2019 die geforderte Rate. Die Beklagte wurde dann durch den Kläger mit Schreiben vom 26.2.2020 zur Rückgewähr der streitgegenständlichen Zahlung von 693 € nebst Zinsen aufgefordert. Dem kam sie nicht nach und ließ auch eine Nachfrist verstreichen.
Das AG gab der Klage statt.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 693 € aus §§ 129,131 Abs. 1 Nr. 1,143 InsO i.V.m. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Die Zahlung der Monatsrate stellte eine Rechtshandlung i.S.v. §§ 129 ff InsO dar. Diese erfolgte nach Antragstellung auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, da der Antrag bereits am 15.10.2019, mithin vor der Zahlung vom 14.11.2019 gestellt worden war, § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Die streitgegenständliche Zahlung gewährte der Beklagten als Insolvenzgläubigerin eine Befriedigung die sie nicht in dieser Art oder zu dieser Zeit zu beanspruchen hatte (inkongruente Deckung).
Um eine inkongruente Deckung i.S.d. Anfechtungsrechts handelt es sich bereits dann, wenn der Schuldner während der "kritischen Zeit" der letzten drei Monate vor dem Eröffnungsantrag oder in der Zeit nach Stellung des Insolvenzantrags unter dem Druck unmittelbar drohender Zwangsvollstreckungsmaßnahmen leistet, um sie zu vermeiden. Der Schuldner gewährt damit eine Befriedigung, die der Gläubiger "nicht in der Art" zu beanspruchen hat. Unerheblich ist, ob die Zwangsvollstreckung im verfahrensrechtlichen Sinn schon begonnen hatte, als die Leistung des Schuldners erfolgte. Die Inkongruenz wird durch den zumindest unmittelbar bevorstehenden hoheitlichen Zwang begründet. Ein die Inkongruenz begründender Druck einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung besteht dagegen noch nicht, wenn der Schuldner nach Zustellung eines Titels die titulierte Forderung erfüllt, ohne dass der Gläubiger die Zwangsvollstreckung zuvor eingeleitet oder angedroht hat.
Vorliegend drohte die Mahnung der Beklagten vom 9.11.2019 als Konsequenz für den Fall nicht zeitnaher Einhaltung der Mietvereinbarung die Rückführung, sprich Wegnahme des verpfändeten Kfzs innerhalb von fünf Werktagen an. Wegen der Besonderheit der vorliegenden "Sale & Lease Back"-Vertragsgestaltung sah sich die Beklagte berechtigt, das vermietete Fahrzeug ohne Einschaltung eines Gerichtsvollziehers selbständig wieder in Besitz zu nehmen, gerichtsbekannt praktiziert sie es auch. Dies kam in ihrer faktischen Wirkung einer hoheitlichen Zwangsvollstreckungsmaßnahme gleich und erzeugte bei der Insolvenzschuldnerin eine vergleichbare Drucksituation. Aufgrund der erfolgreichen Anfechtung des Klägers hat die Beklagte gem. § 143 InsO die empfangene Zahlung zur Masse zurückzugewähren, § 812 Abs. 1 BGB entsprechend.
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Die Insolvenzschuldnerin hatte am 4.10.2019 einen sog. "Sale & Lease Back"-Vertrag mit der Beklagten abgeschlossen, bei dem sie ihr Auto an die Beklagte für einen bestimmten Geldbetrag verkaufte und sogleich das Fahrzeug für 693 € pro Monat von der Beklagten zurückmietete. Nachdem am 15.10.2019 beim AG Gera ein Insolvenzantrag gestellt worden war, wurde mit Beschluss vom 10.2.2020 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
Am 9.11.2019 mahnte die Beklagte die zweite Monatsrate i.H.v. 693 € zur Zahlung innerhalb von fünf Werktagen an und drohte mit Konsequenzen für den Fall der Nichtzahlung. Wörtlich hieß es: "Sollten wir binnen dieser 5 Werktage weder einen Geldeingang noch die Übergabe des Fahrzeugs bei uns verzeichnen können, sind wir gezwungen ein Kfz-Rückführungs-Unternehmen zu beauftragen und eine Strafanzeige bei der Polizei wegen Kfz-Unterschlagung zu stellen. Desweiteren wird das Fahrzeug bei der Polizei zur Fahndung ausgegeben".
Die Insolvenzschuldnerin zahlte am 14.11.2019 die geforderte Rate. Die Beklagte wurde dann durch den Kläger mit Schreiben vom 26.2.2020 zur Rückgewähr der streitgegenständlichen Zahlung von 693 € nebst Zinsen aufgefordert. Dem kam sie nicht nach und ließ auch eine Nachfrist verstreichen.
Das AG gab der Klage statt.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 693 € aus §§ 129,131 Abs. 1 Nr. 1,143 InsO i.V.m. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Die Zahlung der Monatsrate stellte eine Rechtshandlung i.S.v. §§ 129 ff InsO dar. Diese erfolgte nach Antragstellung auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, da der Antrag bereits am 15.10.2019, mithin vor der Zahlung vom 14.11.2019 gestellt worden war, § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Die streitgegenständliche Zahlung gewährte der Beklagten als Insolvenzgläubigerin eine Befriedigung die sie nicht in dieser Art oder zu dieser Zeit zu beanspruchen hatte (inkongruente Deckung).
Um eine inkongruente Deckung i.S.d. Anfechtungsrechts handelt es sich bereits dann, wenn der Schuldner während der "kritischen Zeit" der letzten drei Monate vor dem Eröffnungsantrag oder in der Zeit nach Stellung des Insolvenzantrags unter dem Druck unmittelbar drohender Zwangsvollstreckungsmaßnahmen leistet, um sie zu vermeiden. Der Schuldner gewährt damit eine Befriedigung, die der Gläubiger "nicht in der Art" zu beanspruchen hat. Unerheblich ist, ob die Zwangsvollstreckung im verfahrensrechtlichen Sinn schon begonnen hatte, als die Leistung des Schuldners erfolgte. Die Inkongruenz wird durch den zumindest unmittelbar bevorstehenden hoheitlichen Zwang begründet. Ein die Inkongruenz begründender Druck einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung besteht dagegen noch nicht, wenn der Schuldner nach Zustellung eines Titels die titulierte Forderung erfüllt, ohne dass der Gläubiger die Zwangsvollstreckung zuvor eingeleitet oder angedroht hat.
Vorliegend drohte die Mahnung der Beklagten vom 9.11.2019 als Konsequenz für den Fall nicht zeitnaher Einhaltung der Mietvereinbarung die Rückführung, sprich Wegnahme des verpfändeten Kfzs innerhalb von fünf Werktagen an. Wegen der Besonderheit der vorliegenden "Sale & Lease Back"-Vertragsgestaltung sah sich die Beklagte berechtigt, das vermietete Fahrzeug ohne Einschaltung eines Gerichtsvollziehers selbständig wieder in Besitz zu nehmen, gerichtsbekannt praktiziert sie es auch. Dies kam in ihrer faktischen Wirkung einer hoheitlichen Zwangsvollstreckungsmaßnahme gleich und erzeugte bei der Insolvenzschuldnerin eine vergleichbare Drucksituation. Aufgrund der erfolgreichen Anfechtung des Klägers hat die Beklagte gem. § 143 InsO die empfangene Zahlung zur Masse zurückzugewähren, § 812 Abs. 1 BGB entsprechend.
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