Welche Voraussetzungen müssen zur Feststellung eines Lizenzvertrages vorliegen?
LG München I v. 25.2.2021, 7 O 8011/20
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten dem Grunde nach darüber, ob sie einen Lizenzvertrag über sämtliche Familienmitglieder des europäischen Patents 512 (Streitpatent) geschlossen haben. Dieser Rechtsstreit ist Teil einer umfangreichen Auseinandersetzung zwischen der Klägerin und der Unternehmensgruppe der Beklagten, die das Streitpatent und seine Familienmitglieder betrifft. Aktuell ist zwischen den Parteien u.a. beim schwedischen Patent- und Handelsgericht ein Prozess anhängig, in dem die Klägerin von der Beklagten Schadensersatz wegen Verletzung des Streitpatents und seiner Patentfamilie (insbesondere auch für Deutschland) verlangt.
Zuvor gab es mehrere, nicht erfolgreiche Versuche der Parteien, sich über diese Streitpatentfamilie zu einigen. So trafen sich im Dezember 2019 zwei "Senior Vice Presidents" von der Klägerin und der Beklagten in München, um eine globale Lösung zu erörtern. Sie tauschten fortan mehrere Angebote aus, die jeweils den Zusatz "without prejudice" enthielten. Die Verhandlungen scheiterten dann aber, weil sie sich nicht auf eine Lizenzgebühr einigen konnten.
Am 9.4.2020 teilte Frau S. von der Beklagten der Klägerin per E-Mail mit, dass die verantwortlichen Stakeholders der Beklagten zu dem Schluss gekommen seien, dass eine vernünftige Einigung im besten Interesse beider Parteien liege. Es folget eine E-Mail-Korrespondenz. Am 16.4.2020 teilte das Bundespatentgericht im qualifizierten Hinweis mit, dass der Gegenstand des Streitpatents nicht patentfähig sei. Es folget eine weitere E-Mail-Korrespondenz, wobei die Klägerin der Ansicht war, dass eine Einigung getroffen worden war. Sie fügte deshalb mit letzter E-Mail eine Rechnung an die Beklagte über 3 Mio. € an.
Die Beklagte antwortete und erklärte u.a. hilfsweise die Anfechtung. Sie teilte am 23.6.2020 gegenüber der Mahnabteilung der Klägerin mit, dass es weder eine Vergleichsvereinbarung zwischen den Parteien noch eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten gebe. Die Klägerin war der Ansicht, dass aufgrund der E-Mail-Korrespondenz von einem bindenden Vertrag zwischen den Parteien auszugehen sei.
Das LG wies die Feststellungsklage ab.
Die Gründe:
Das LG München I ist zuständig. Die internationale Zuständigkeit ergibt sich aus Art. 7 Nr. 1 a) EuGVVO. Da die Klägerin ihren Sitz in München hat, findet hier deutsches Recht Anwendung. Zwischen den Parteien ist allerdings der geltend gemachte Vertrag nicht geschlossen worden, weshalb kein kein zeitlich unbegrenztes Nutzungsrechtsverhältnis an allen Patenten der weltweiten Patentfamilie des Streitpatents vermittelt durch diesen Vertrag besteht.
Es fehlte hier an den korrespondierenden Willenserklärungen: Antrag und Annahme. Die Erklärung der Beklagten in einer E-Mail aus April 2020 ist entgegen der Klägerin kein (verbindlicher) Antrag auf Abschluss eines Vertrags auf Einräumung eines einfachen, zeitlich unbegrenzten Nutzungsrechts zugunsten der Beklagten an sämtlichen Familienmitgliedern des Streitpatents zu einem Preis von 3 Mio. €. Diese Erklärung besitzt nämlich nach objektivem Empfängerhorizont lediglich vorbereitenden Charakter für einen in seinen Details konkret auszuhandelnden und später schriftlich abzuschließenden Lizenzvertrag. Sie ist insofern lediglich eine invitatio ad offerendum und hat den Inhalt, dass die Beklagte bereit wäre, im Rahmen eines noch auszuhandelnden Vertrags einen Betrag von 3 Mio. € an die Klägerin zu bezahlen. Sie enthält insbesondere nicht sämtliche für einen Lizenzvertrag notwendige Angaben. Es fehlen die essentialia negotii.
Aus der Erklärung ergibt sich nicht hinreichend, wer auf Seite der Beklagten Vertragspartner wird und/oder wer durch die Lizenz berechtigt wird. Dass dies auf die Beklagte zutrifft, erscheint aus Sicht des objektiven Empfängerhorizonts zwar gegeben. Dies genügt aber nicht. Denn die Beklagte hatte stets einen umfassenden, weltweiten Vergleich angestrebt, was die Klägerin auch weiß, und im Hinblick auf die begünstigten Personen keine Insellösung für das erst Anfang 2020 begonnene schwedische Verfahren im Blick gehabt. Nicht angesprochen und unklar bleibt bei dieser Erklärung, ob für die Zahlung von 3 Mio. € das Nutzungsrecht auch die Konzerngesellschaften der Beklagten erfasst. In diesem Sinn fehlt es gleichfalls an einer, ggf. ergänzenden Regelung, ob die Beklagte an diese Gesellschaften Unterlizenzen vergeben darf.
Zur Legitimierung einer unberechtigten Patentbenutzung und zur Lösung eines Patentkonflikts können vielfältige Regelungen getroffen werden, was den Parteien bekannt ist. Vorliegend ist aber insbesondere unklar, welchen Charakter das von der Klägerin behauptete Nutzungsrecht haben soll. Anders als bei den im BGB geregelten Vertragstypen wie Kauf- oder Mietvertrag handelt es sich beim Lizenzvertrag um einen Vertrag sui generis. Außerdem stehen die Rechtsnatur und der Rechtscharakter des Lizenzvertrags nicht fest. Die Rechtsnatur ist vor allem bei einer Insolvenz der Parteien von Bedeutung. Vernünftige Vertragspartner werden daher in aller Regel bestrebt sein, hierfür eine angemessene und interessengerechte Lösung zu finden, die sich nicht zwingend aus den allgemeinen gesetzlichen Regelungen ergeben dürfte.
Mangels feststehenden Rechtscharakters ist nicht vorgegeben, was eine antragende Willenserklärung zwingend enthalten muss. Insofern ist die Bestimmung des Rechtscharakters erforderlich, um entscheiden zu können, welche allgemeinen Regelungen das Gesetz enthält und worüber die Parteien eine individuelle Einigung erzielen müssen. Da eine hinreichende gesetzliche Regelung fehlt, wird versucht, den Lizenzvertrag als Rechtspacht oder als Kombination von Befugnissen und Verpflichtungen verschiedener normierter Vertragsarten zu erfassen (Typenmischvertrag), bei dem für die einzelnen Rechte und Pflichten Rechtsnormen herangezogen werden, die für den jeweiligen Vertragsbestandteil passend erscheinen. Zudem besteht eine gewisse Verwandtschaft zur Rechtspacht (§ 581 Abs. 1 BGB), so dass lückenfüllend auf die Vorschriften des Pachtrechts (§§ 581 ff BGB) und über § 581 Abs. 2 BGB des Mietrechts (§§ 535 ff BGB) zurückgegriffen werden könnte, während auch eine Nähe der Lizenz zum Rechtskauf vertreten wird. All diese Punkte enthielt die Erklärung der Beklagten aus April 2020 nicht. Erst mit dem Vertragsentwurf der Klägerin wurde hierfür eine Regelung vorgeschlagen. Der unverbindliche und bloß vorbereitende Charakter der Erklärung folgt nach dem objektiven Empfängerhorizont weiterhin aus dem Gesamtinhalt der E-Mail und den konkreten Umständen des Einzelfalls.
Der Vertrag ist auch nicht durch Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben in Form der "Vertragsbestätigung" der Klägerin zustande gekommen. Aufgrund der spätestens mit E-Mail der Beklagten aus Mai 2020 offensichtlichen Einigungsmängel, durfte die Klägerin nicht auf eine Billigung vertrauen.
Bayern.Recht
Die Parteien streiten dem Grunde nach darüber, ob sie einen Lizenzvertrag über sämtliche Familienmitglieder des europäischen Patents 512 (Streitpatent) geschlossen haben. Dieser Rechtsstreit ist Teil einer umfangreichen Auseinandersetzung zwischen der Klägerin und der Unternehmensgruppe der Beklagten, die das Streitpatent und seine Familienmitglieder betrifft. Aktuell ist zwischen den Parteien u.a. beim schwedischen Patent- und Handelsgericht ein Prozess anhängig, in dem die Klägerin von der Beklagten Schadensersatz wegen Verletzung des Streitpatents und seiner Patentfamilie (insbesondere auch für Deutschland) verlangt.
Zuvor gab es mehrere, nicht erfolgreiche Versuche der Parteien, sich über diese Streitpatentfamilie zu einigen. So trafen sich im Dezember 2019 zwei "Senior Vice Presidents" von der Klägerin und der Beklagten in München, um eine globale Lösung zu erörtern. Sie tauschten fortan mehrere Angebote aus, die jeweils den Zusatz "without prejudice" enthielten. Die Verhandlungen scheiterten dann aber, weil sie sich nicht auf eine Lizenzgebühr einigen konnten.
Am 9.4.2020 teilte Frau S. von der Beklagten der Klägerin per E-Mail mit, dass die verantwortlichen Stakeholders der Beklagten zu dem Schluss gekommen seien, dass eine vernünftige Einigung im besten Interesse beider Parteien liege. Es folget eine E-Mail-Korrespondenz. Am 16.4.2020 teilte das Bundespatentgericht im qualifizierten Hinweis mit, dass der Gegenstand des Streitpatents nicht patentfähig sei. Es folget eine weitere E-Mail-Korrespondenz, wobei die Klägerin der Ansicht war, dass eine Einigung getroffen worden war. Sie fügte deshalb mit letzter E-Mail eine Rechnung an die Beklagte über 3 Mio. € an.
Die Beklagte antwortete und erklärte u.a. hilfsweise die Anfechtung. Sie teilte am 23.6.2020 gegenüber der Mahnabteilung der Klägerin mit, dass es weder eine Vergleichsvereinbarung zwischen den Parteien noch eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten gebe. Die Klägerin war der Ansicht, dass aufgrund der E-Mail-Korrespondenz von einem bindenden Vertrag zwischen den Parteien auszugehen sei.
Das LG wies die Feststellungsklage ab.
Die Gründe:
Das LG München I ist zuständig. Die internationale Zuständigkeit ergibt sich aus Art. 7 Nr. 1 a) EuGVVO. Da die Klägerin ihren Sitz in München hat, findet hier deutsches Recht Anwendung. Zwischen den Parteien ist allerdings der geltend gemachte Vertrag nicht geschlossen worden, weshalb kein kein zeitlich unbegrenztes Nutzungsrechtsverhältnis an allen Patenten der weltweiten Patentfamilie des Streitpatents vermittelt durch diesen Vertrag besteht.
Es fehlte hier an den korrespondierenden Willenserklärungen: Antrag und Annahme. Die Erklärung der Beklagten in einer E-Mail aus April 2020 ist entgegen der Klägerin kein (verbindlicher) Antrag auf Abschluss eines Vertrags auf Einräumung eines einfachen, zeitlich unbegrenzten Nutzungsrechts zugunsten der Beklagten an sämtlichen Familienmitgliedern des Streitpatents zu einem Preis von 3 Mio. €. Diese Erklärung besitzt nämlich nach objektivem Empfängerhorizont lediglich vorbereitenden Charakter für einen in seinen Details konkret auszuhandelnden und später schriftlich abzuschließenden Lizenzvertrag. Sie ist insofern lediglich eine invitatio ad offerendum und hat den Inhalt, dass die Beklagte bereit wäre, im Rahmen eines noch auszuhandelnden Vertrags einen Betrag von 3 Mio. € an die Klägerin zu bezahlen. Sie enthält insbesondere nicht sämtliche für einen Lizenzvertrag notwendige Angaben. Es fehlen die essentialia negotii.
Aus der Erklärung ergibt sich nicht hinreichend, wer auf Seite der Beklagten Vertragspartner wird und/oder wer durch die Lizenz berechtigt wird. Dass dies auf die Beklagte zutrifft, erscheint aus Sicht des objektiven Empfängerhorizonts zwar gegeben. Dies genügt aber nicht. Denn die Beklagte hatte stets einen umfassenden, weltweiten Vergleich angestrebt, was die Klägerin auch weiß, und im Hinblick auf die begünstigten Personen keine Insellösung für das erst Anfang 2020 begonnene schwedische Verfahren im Blick gehabt. Nicht angesprochen und unklar bleibt bei dieser Erklärung, ob für die Zahlung von 3 Mio. € das Nutzungsrecht auch die Konzerngesellschaften der Beklagten erfasst. In diesem Sinn fehlt es gleichfalls an einer, ggf. ergänzenden Regelung, ob die Beklagte an diese Gesellschaften Unterlizenzen vergeben darf.
Zur Legitimierung einer unberechtigten Patentbenutzung und zur Lösung eines Patentkonflikts können vielfältige Regelungen getroffen werden, was den Parteien bekannt ist. Vorliegend ist aber insbesondere unklar, welchen Charakter das von der Klägerin behauptete Nutzungsrecht haben soll. Anders als bei den im BGB geregelten Vertragstypen wie Kauf- oder Mietvertrag handelt es sich beim Lizenzvertrag um einen Vertrag sui generis. Außerdem stehen die Rechtsnatur und der Rechtscharakter des Lizenzvertrags nicht fest. Die Rechtsnatur ist vor allem bei einer Insolvenz der Parteien von Bedeutung. Vernünftige Vertragspartner werden daher in aller Regel bestrebt sein, hierfür eine angemessene und interessengerechte Lösung zu finden, die sich nicht zwingend aus den allgemeinen gesetzlichen Regelungen ergeben dürfte.
Mangels feststehenden Rechtscharakters ist nicht vorgegeben, was eine antragende Willenserklärung zwingend enthalten muss. Insofern ist die Bestimmung des Rechtscharakters erforderlich, um entscheiden zu können, welche allgemeinen Regelungen das Gesetz enthält und worüber die Parteien eine individuelle Einigung erzielen müssen. Da eine hinreichende gesetzliche Regelung fehlt, wird versucht, den Lizenzvertrag als Rechtspacht oder als Kombination von Befugnissen und Verpflichtungen verschiedener normierter Vertragsarten zu erfassen (Typenmischvertrag), bei dem für die einzelnen Rechte und Pflichten Rechtsnormen herangezogen werden, die für den jeweiligen Vertragsbestandteil passend erscheinen. Zudem besteht eine gewisse Verwandtschaft zur Rechtspacht (§ 581 Abs. 1 BGB), so dass lückenfüllend auf die Vorschriften des Pachtrechts (§§ 581 ff BGB) und über § 581 Abs. 2 BGB des Mietrechts (§§ 535 ff BGB) zurückgegriffen werden könnte, während auch eine Nähe der Lizenz zum Rechtskauf vertreten wird. All diese Punkte enthielt die Erklärung der Beklagten aus April 2020 nicht. Erst mit dem Vertragsentwurf der Klägerin wurde hierfür eine Regelung vorgeschlagen. Der unverbindliche und bloß vorbereitende Charakter der Erklärung folgt nach dem objektiven Empfängerhorizont weiterhin aus dem Gesamtinhalt der E-Mail und den konkreten Umständen des Einzelfalls.
Der Vertrag ist auch nicht durch Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben in Form der "Vertragsbestätigung" der Klägerin zustande gekommen. Aufgrund der spätestens mit E-Mail der Beklagten aus Mai 2020 offensichtlichen Einigungsmängel, durfte die Klägerin nicht auf eine Billigung vertrauen.