29.06.2012

Wer entscheidet über die Massezugehörigkeit von Lohnbestandteilen?

Vielfach bestimmt das als Vollstreckungsgericht handelnde Insolvenzgericht den Pfändungsfreibetrag nach § 850f Abs. 1 ZPO, § 36 Abs. 1 S. 2 InsO, wenn der Arbeitgeber des Schuldners seinen Sitz in Deutschland hat. Sind deutsche Gerichte für die Einzelzwangsvollstreckung nicht zuständig, muss das Prozessgericht über die Massezugehörigkeit von Lohnbestandteilen entscheiden.

BGH 5.6.2012, IX ZB 31/10
Der Sachverhalt:
Das AG hatte im Juli 2008 auf Eigenantrag das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners, der im Oktober 2008 zur Arbeitsaufnahme in die Schweiz verzog eröffnet. In den Jahren 2009 und 2010 verdiente er dort monatlich netto rund 5.338 Schweizer Franken. Im Mai 2009 beantragte er, den Pfändungsfreibetrag wegen der hohen Lebenshaltungskosten in der Schweiz auf 5.070 Schweizer Franken zu erhöhen.

Das AG lehnte den Antrag des Schuldners ab. Seine Beschwerde hatte teilweise Erfolg. Die zugelassene Rechtsbeschwerde blieb vor dem BGH allerdings erfolglos.

Die Gründe:
Der durch das Insolvenz- und das Beschwerdegericht zu Unrecht sachlich beschiedene Antrag des Schuldners auf Erhöhung des Pfändungsfreibetrags ist in dem Umfang als unzulässig abzulehnen, wie die sofortige Beschwerde zurückgewiesen und der Antrag des Schuldners als unbegründet abgewiesen wurde.

Vielfach bestimmt das als Vollstreckungsgericht handelnde Insolvenzgericht den Pfändungsfreibetrag nach § 850f Abs. 1 ZPO, § 36 Abs. 1 S. 2 InsO, wenn der Arbeitgeber des Schuldners seinen Sitz in Deutschland hat. Dann ergeht die Anordnung des Insolvenzgerichts regelmäßig im Rahmen der Vollstreckung. Anders liegt es jedoch, wenn die Einzelvollstreckung im Ausland erforderlich wird, weil der Schuldner und sein Arbeitgeber sich im Ausland befinden. Das deutsche Vollstreckungsgericht ist dann für die im Ausland erforderlich werdende Einzelzwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Ausfertigung des Eröffnungsbeschlusses international nicht zuständig.

Durch Gerichte der Bundesrepublik Deutschland angeordnete Vollstreckungsmaßnahmen können nicht in die Hoheitsgewalt eines anderen Staats eingreifen. Für das Insolvenzverfahren gilt nichts anderes, sofern im Ausland belegene Massebestandteile betroffen sind.

Im vorliegenden Fall hatte der Insolvenzverwalter im Wege der Vollstreckungshilfe Schweizer Gerichte Lohnbestandteile zur Masse gezogen. Mithin stritten die Verfahrensbeteiligten nicht über die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung in der Schweiz außerhalb der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte, sondern allein über die Massezugehörigkeit der Lohnbestandteile als solcher. Der Schuldner hätte deshalb den Insolvenzverwalter vor dem Prozessgericht auf Feststellung verklagen können, dass nur ein über 5.070 Schweizer Franken hinausgehender Betrag seines monatlichen Arbeitslohns als Neuerwerb in die Insolvenzmasse fällt. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse wäre gegeben. Das Prozessgericht hätte dann für Insolvenzverwalter und Schuldner verbindlich über die Zugehörigkeit des Arbeitseinkommens zur Insolvenzmasse zu befinden gehabt.

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