Widerruf bei Anpassung der Konditionen eines bestehenden Darlehensvertrags und Aufstockung des Darlehensbetrags
BGH 23.1.2018, XI ZR 359/16Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Feststellung nach Widerruf ihrer auf Abschluss eines Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung in Anspruch. Die Parteien schlossen zum Zwecke der Umschuldung im März 2006 einen Verbraucherdarlehensvertrag über rd. 60.000 € mit einem bis zum 30.9.2007 festen Nominalzinssatz von 6,35 % p.a. Unter 1.2 des Vertragsformulars bezeichneten die Parteien den "Nettodarlehensbetrag" mit rd. 20.000 €. Unter der Überschrift "Besondere Vereinbarungen" hielten sie fest: "Aufstockung des Darlehens von 40.000 € um 20.000 € auf 60.000 € (Zusammenfassung mit Darl. Nr. [...] 47). Mit Unterzeichnung verliert der Darlehensvertrag vom 2.10.1997 seine Gültigkeit. Zinssatz ab 1.10.2007: 4,38 %, fest bis 30.9.2017 - siehe gesonderte Anlage".
Zur Sicherung der Ansprüche der Beklagten dienten Grundpfandrechte. Die Beklagte belehrte die Klägerin per Formular über ihr Widerrufsrecht. Die Klägerin erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen. Am 18.2.2015 widerrief ihr vorinstanzlicher Prozessbevollmächtigter ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung. Mit ihrer Klage begehrt sie die Feststellung, sie habe ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen "und der Darlehensvertrag" sei unwirksam geworden, sie schulde der Beklagten aus dem Darlehen nur noch rd. 20.000 € zum 18.2.2015,
Das LG wies die Klage ab. Das OLG wies die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt, den mit der negativen Feststellungsklage zugestandenen Betrag allerdings auf rd. 15.000 € reduziert und hilfsweise zum ersten Feststellungsantrag beantragt hat festzustellen, der Darlehensvertrag sei durch den Widerruf in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt worden, zurück. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Die Ausführungen des OLG zu einer rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerrufsrechts weisen revisionsrechtlich erhebliche Rechtsfehler auf.
Im Ausgangspunkt zutreffend ist noch die Annahme des OLG, die Klägerin habe ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung gem. dem nach Art. 229 § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 22 Abs. 2, § 32 Abs. 1, § 38 Abs. 1 EGBGB maßgeblichen Recht nach § 495 Abs. 1 BGB auch noch im Februar 2015 widerrufen können, weil die Beklagte sie unzureichend deutlich über die Voraussetzungen des Widerrufsrechts belehrt habe. Die Ausführungen des OLG zu § 242 BGB weisen indessen revisionsrechtlich erhebliche Rechtsfehler auf. Wie der Senat inzwischen wiederholt entschieden und näher ausgeführt hat, ist die Ausübung des Widerrufsrechts nicht allein deshalb rechtsmissbräuchlich, weil sie nicht durch den Schutzzweck des Widerrufsrechts motiviert ist. Demgegenüber hat das OLG bei der Anwendung des § 242 BGB maßgeblich darauf abgestellt, der Widerruf habe nicht dem Schutz vor Übereilung gedient.
Das Berufungsurteil war danach aufzuheben. Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, war sie an das OLG zurückzuverweisen. Das OLG wird sich insbesondere mit dem Einwand auseinanderzusetzen haben, der Ausübung des Widerrufsrechts habe § 242 BGB entgegengestanden. Sollte das OLG den Widerruf für wirksam erachten, wird es sich mit dem Einwand der Beklagten zu befassen haben, der Klägerin sei im März 2006 lediglich i.H.v. rd. 20.000 € ein neues Kapitalnutzungsrecht eingeräumt worden. Träfe dies zu, erfasste das gesetzliche Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB nur die diesen Teilbetrag betreffende Vereinbarung der Parteien. Für eine Konditionenanpassung im Rahmen der unechten Abschnittsfinanzierung hier nach dem Vortrag der Beklagten für einen Teilbetrag von rd. 40.000 € bestünde kein gesetzliches Widerrufsrecht.
Insoweit bestünde auch kein vertragliches Widerrufsrecht. Passen die Parteien im Rahmen einer unechten Abschnittsfinanzierung die Konditionen eines bestehenden Darlehensvertrags an und gewährt der Darlehensgeber zugleich für einen Aufstockungsbetrag ein neues Kapitalnutzungsrecht, bietet er nach der gebotenen objektiven Auslegung dem Darlehensnehmer für die Konditionenanpassung die Vereinbarung eines vertraglichen Widerrufsrechts auch dann nicht an, wenn er eine einheitliche Widerrufsbelehrung erteilt. Der Widerruf der die Vereinbarung über das neue Kapitalnutzungsrecht betreffenden Willenserklärung führt in solchen Fällen regelmäßig nicht dazu, dass auch die Konditionenanpassung rückabzuwickeln ist.
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