Widerruf eines Verbraucherkreditvertrags zur Finanzierung eines Autokaufs
EuGH, C-143/23: Schlussanträge des Generalanwalts vom 10.4.2025
Der Sachverhalt:
Das mit der Sache befasste LG Ravensburg hat zwei Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden zwischen zwei Verbrauchern und der Mercedes-Benz Bank bzw. der Volkswagen Bank über die Ausübung des Widerrufsrechts im Rahmen von Kreditverträgen, die mit einem Fahrzeugkaufvertrag verbunden sind.
In diesem Rahmen hat das LG das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH eine Reihe von Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, u.a. zu den Folgen, wenn der Verbraucher von seinem Recht Gebrauch macht, den verbundenen Kreditvertrag zu widerrufen. Auf Wunsch des EuGH konzentriert Generalanwalt Spielmann seine Schlussanträge ausschließlich auf zwei der vorgelegten Fragen.
Die Gründe:
Art. 14 Abs. 3 Buchst. b Satz 1 der Richtlinie 2008/48/EG über Verbraucherkreditverträge ist für Verbraucherkreditverträge, die mit einem Fahrzeugkaufvertrag verbunden sind, nicht vollharmonisierend. Die Richtlinie bewirkt zwar eine vollständige Harmonisierung im Bereich der Kreditverträge, regelt mit ihrem Art. 14 Abs. 3 Buchst. b Satz 1 aber nicht alle Folgen des Widerrufs abschließend, wenn der Kredit mit einem Fahrzeugkauf verbunden ist. Die Mitgliedstaaten sind daher befugt, unter Beachtung der Grundsätze der Effektivität und der Äquivalenz die Modalitäten für die Ausübung des Widerrufsrechts bei diesen verbundenen Kreditverträgen zu regeln.
Das Unionsrecht (insbes. Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie) steht dem nicht entgegen, dass der Kreditnehmer nach Widerruf eines Verbraucherkreditvertrags, der mit einem Fahrzeugkaufvertrag verbunden ist, für den Zeitraum zwischen der Auszahlung des Darlehens an den Verkäufer des finanzierten Fahrzeugs und dem Zeitpunkt der Rückgabe des Fahrzeugs an den Kreditgeber (oder den Verkäufer) den vertraglich vereinbarten Sollzins zu zahlen hat.
Nach Art. 14 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie bleibt ein Verbraucher, der einen "klassischen Kredit" widerruft, verpflichtet, neben der Rückzahlung des Darlehens die Sollzinsen in Höhe des vereinbarten Zinssatzes für den Zeitraum zwischen der Bereitstellung der Mittel und ihrer vollständigen Rückzahlung zu zahlen. Entsprechend ist es folgerichtig, die Verpflichtung des Verbrauchers zur Zahlung der Zinsen für den Zeitraum von der tatsächlichen Bereitstellung der Mittel bis zur Rückgabe der Ware oder bis zur Tilgung des Kredits vorzusehen, wenn der Kredit zur Finanzierung des Kaufs einer Ware bestimmt ist und der Verbraucher widerruft.
Die Verpflichtung des Kreditnehmers, die für die tatsächliche Dauer der Zurverfügungstellung der Mittel berechneten Sollzinsen zu zahlen, stellt einen notwendigen Korrekturmechanismus dar. Sie gestattet es, das vertragliche Gleichgewicht wiederherzustellen, indem verhindert wird, dass eine Partei durch die Ausübung ihres Widerrufsrechts einen ungerechtfertigten Gewinn zulasten der anderen Partei erzielt, und gewährleistet auf diese Weise eine gerechte Verteilung der Kosten und Gewinne, die sich aus der - auch nur teilweisen und vorübergehenden - Erfüllung des Kreditvertrags ergeben.
Da die Richtlinie 2008/48 die Folgen des Widerrufs eines Kredits, der mit dem Kauf einer Ware verbunden ist, nicht abschließend regelt, können die nationalen Rechtsvorschriften verlangen, dass der Kreditnehmer Sollzinsen für den Zeitraum der Verwendung der Darlehensmittel zahlt. Die Mitgliedstaaten behalten nach Art. 23 der Richtlinie zudem die Möglichkeit, Sanktionen gegen den Kreditgeber für Verstöße gegen die in Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie vorgesehenen Informationspflichten festzulegen, sofern diese Sanktionen nicht zu einer unverhältnismäßigen Störung der gegenseitigen Verpflichtungen führen und sie das Hauptziel der Richtlinie, nämlich den wirksamen Schutz des Verbrauchers, nicht gefährden.
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Die Gründe:
Art. 14 Abs. 3 Buchst. b Satz 1 der Richtlinie 2008/48/EG über Verbraucherkreditverträge ist für Verbraucherkreditverträge, die mit einem Fahrzeugkaufvertrag verbunden sind, nicht vollharmonisierend. Die Richtlinie bewirkt zwar eine vollständige Harmonisierung im Bereich der Kreditverträge, regelt mit ihrem Art. 14 Abs. 3 Buchst. b Satz 1 aber nicht alle Folgen des Widerrufs abschließend, wenn der Kredit mit einem Fahrzeugkauf verbunden ist. Die Mitgliedstaaten sind daher befugt, unter Beachtung der Grundsätze der Effektivität und der Äquivalenz die Modalitäten für die Ausübung des Widerrufsrechts bei diesen verbundenen Kreditverträgen zu regeln.
Das Unionsrecht (insbes. Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie) steht dem nicht entgegen, dass der Kreditnehmer nach Widerruf eines Verbraucherkreditvertrags, der mit einem Fahrzeugkaufvertrag verbunden ist, für den Zeitraum zwischen der Auszahlung des Darlehens an den Verkäufer des finanzierten Fahrzeugs und dem Zeitpunkt der Rückgabe des Fahrzeugs an den Kreditgeber (oder den Verkäufer) den vertraglich vereinbarten Sollzins zu zahlen hat.
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Da die Richtlinie 2008/48 die Folgen des Widerrufs eines Kredits, der mit dem Kauf einer Ware verbunden ist, nicht abschließend regelt, können die nationalen Rechtsvorschriften verlangen, dass der Kreditnehmer Sollzinsen für den Zeitraum der Verwendung der Darlehensmittel zahlt. Die Mitgliedstaaten behalten nach Art. 23 der Richtlinie zudem die Möglichkeit, Sanktionen gegen den Kreditgeber für Verstöße gegen die in Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie vorgesehenen Informationspflichten festzulegen, sofern diese Sanktionen nicht zu einer unverhältnismäßigen Störung der gegenseitigen Verpflichtungen führen und sie das Hauptziel der Richtlinie, nämlich den wirksamen Schutz des Verbrauchers, nicht gefährden.
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