06.11.2024

Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung eines Girovertrags gegenüber dem Kunden einer Genossenschaftsbank

Wenn der Geschäftsverkehr der Mitglieder mit ihrer Genossenschaft nicht korporationsrechtlicher Art ist, sondern auf vertraglicher Grundlage beruht, spielt er sich außerhalb des Mitgliedschaftsverhältnisses ab, so dass rein schuldrechtliche Beziehungen entstehen und das Mitglied der Genossenschaft insoweit wie ein außenstehender Dritter gegenübertritt. Wie der Senat bereits mit Urteil vom 15.1.2013 (XI ZR 22/12, WM 2013, 316 Rn. 14 f. mwN) entschieden hat, ist das Giroverhältnis ein Geschäftsbesorgungsverhältnis, das durch dienstvertragliche Elemente geprägt ist.

BGH v. 15.10.2024 - XI ZR 50/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger war Mitglied der Beklagten und unterhielt bei dieser ein Girokonto, ein Kreditkartenkonto und ein Wertpapierdepot. Nr. 19 Abs. 1 der in diese drei Verträge zwischen den Parteien einbezogenen AGB der Beklagten lauten:

"Die Bank kann die gesamte Geschäftsverbindung oder einzelne Geschäftsbeziehungen, für die weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart ist, jederzeit unter Einhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist kündigen [...]. Bei der Bemessung der Kündigungsfrist wird die Bank auf die berechtigten Belange des Kunden Rücksicht nehmen. Für die Kündigung eines Zahlungsdiensterahmenvertrages (z.B. laufendes Konto oder Kartenvertrag) und eines Depots beträgt die Kündigungsfrist mindestens zwei Monate."

Am 15.2.2021 erklärte die Beklagte die Kündigung der drei mit dem Kläger geschlossenen Verträge mit Wirkung zum 30.4.2021. Der Kläger hat letztlich beantragt, festzustellen, dass die Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien bestehend aus dem Girokonto, dem Depot sowie dem Kreditkartenkonto weiterhin fortbestehe.

Die Klage ist in allen Instanzen erfolglos geblieben.

Gründe:
Es war mittels Nr. 19 Abs. 1 der AGB ein ordentliches Kündigungsrecht der Beklagten auch gegenüber solchen Kunden wirksam vereinbart worden, die gleichzeitig Mitglied der Genossenschaft waren bzw. sind.

Die Klausel wird auch bei Verwendung durch die Beklagte im Verhältnis zu Kunden, die gleichzeitig Mitglied der Genossenschaft sind, nicht von der Bereichsausnahme für Gesellschaftsrecht (§ 310 Abs. 4 Satz 1 BGB) erfasst. Denn wenn der Geschäftsverkehr der Mitglieder mit ihrer Genossenschaft nicht korporationsrechtlicher Art ist, sondern auf vertraglicher Grundlage beruht, spielt er sich außerhalb des Mitgliedschaftsverhältnisses ab, so dass rein schuldrechtliche Beziehungen entstehen und das Mitglied der Genossenschaft insoweit wie ein außenstehender Dritter gegenübertritt. Dies ist hier angesichts der zwischen den Parteien geschlossenen Verträge der Fall.

Nr. 19 Abs. 1 der AGB der Beklagten benachteiligt den Kläger nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Insbesondere liegt keine nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB relevante Abweichung vom gesetzlichen Leitbild vor, auch wenn die Klausel der Beklagten ein Recht zur ordentlichen Kündigung unabhängig vom Vorliegen eines sachgerechten Grundes eröffnet. Wie der Senat bereits mit Urteil vom 15.1.2013 (XI ZR 22/12, WM 2013, 316 Rn. 14 f. mwN) entschieden hat, ist das Giroverhältnis ein Geschäftsbesorgungsverhältnis, das durch dienstvertragliche Elemente geprägt ist.

Da der Girovertrag Dienste höherer Art zum Gegenstand hat, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen, konnte er bis zum 1.11.2009, dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht vom 29.7.2009, nach §§ 627, 675 BGB ordentlich gekündigt werden, ohne dass nach diesen Regelungen ein Kündigungsgrund angegeben werden musste oder gesetzliche Vorschriften eine längere Mindestkündigungsfrist verlangten.

Auch nach Inkrafttreten des vorgenannten Gesetzes sieht § 675h Abs. 2 BGB für auf unbestimmte Zeit geschlossene Zahlungsdiensterahmenverträge ein (allerdings der Vereinbarung bedürftiges) Kündigungsrecht des Zahlungsdienstleisters vor, ohne Begründungspflichten für die ordentliche Kündigung einzuführen. Der von § 675h Abs. 2 Satz 2 BGB vorgeschriebenen Mindestkündigungsfrist genügt die Regelung im letzten Satz von Nr. 19 Abs. 1 der AGB der Beklagten, die für die Kündigung eines Zahlungsdiensterahmenvertrags, z.B. eines laufenden Kontos oder eines Kartenvertrags, eine Kündigungsfrist von mindestens zwei Monaten vorsieht.

Das Depotverhältnis ist ebenfalls ein Geschäftsbesorgungsverhältnis, das neben dienstvertraglichen Merkmalen sein Gepräge durch verwahrungsrechtliche Elemente erhält und mangels Zeitbestimmung deshalb nach § 696 Satz 1 BGB grundsätzlich jederzeit auflösbar ist. Die im letzten Satz von Nr. 19 Abs. 1 der AGB der Beklagten auch für die Kündigung eines Depots vorgesehene Mindestkündigungsfrist stellt sich als angemessen dar, weil sie dem Inhaber die Einrichtung eines Depots bei einem anderen Kreditinstitut ermöglicht. Letztlich war die Ausübung des Kündigungsrechts auf der Grundlage von Nr. 19 Abs. 1 der AGB der Beklagten auch nicht treuwidrig. Schließlich war sie erwiesen nicht ohne sachlichen Grund, sondern wegen der Zerrüttung der Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien erfolgt.

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