Wirksamkeit der Pfändung der Ansprüche einer GmbH-Geschäftsführerin aus der Versorgungsanzeige der GmbH
BGH v. 2.7.2020 - VII ZA 3/19
Der Sachverhalt:
Die Schuldnerin war Geschäftsführerin der D.S. GmbH (nachfolgend: GmbH), deren Mehrheitsgesellschafterin und später Alleingesellschafterin sie war. Der Gläubiger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der GmbH.
1995 gewährte die GmbH der Schuldnerin eine Altersrente und eine Hinterbliebenenrente. Die GmbH behielt sich vor, nach Eintritt des Versorgungsfalls anstelle einer laufenden Rente eine Kapitalabfindung zu leisten. Die GmbH behielt sich des Weiteren vor, zur Absicherung der ihr aus der Versorgungszusage erwachsenden Verpflichtungen eine Rückdeckungsversicherung abzuschließen, aus der sie allein bezugsberechtigt ist. Hierzu erteilte die Schuldnerin ihre Zustimmung. Dementsprechend vereinbarte die GmbH mit einem Lebensversicherer den Abschluss einer Kapitalversicherung mit der Schuldnerin als versicherter Person. Nach den Vereinbarungen ist die Versicherungssumme im Falle des Todes der Schuldnerin, spätestens jedoch beim vereinbarten Ablauf fällig; ein Rentenwahlrecht bestand nicht. Außerdem schlossen die GmbH und die Schuldnerin in Bezug auf die Rückdeckungsversicherung eine Verpfändungsvereinbarung und zeigten diese dem Lebensversicherer an.
Im Februar 2016 erging auf Antrag des Gläubigers ein Pfändungsbeschluss, wonach die Ansprüche der Schuldnerin aus der Versorgungsanzeige der GmbH und das Pfandrecht der Schuldnerin an der vorbezeichneten Rückdeckungsversicherung einschließlich des Auszahlungsanspruchs und des Rechts zur Kündigung gepfändet wurden.
Im Januar 2017 hat der Gläubiger den Erlass eines Überweisungsbeschlusses zum Pfändungsbeschluss beantragt, den das AG - Vollstreckungsgericht - mit Beschluss vom 6.3.2017 erlassen hat. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Schuldnerin ist erfolglos geblieben.
Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde zugelassen. Die Rechtsbeschwerde sei wegen grundsätzlicher Bedeutung hinsichtlich der Frage zuzulassen, ob § 851c Abs. 1 Nr. 4 ZPO einen Pfändungsschutz ausschließe, wenn die Zahlung einer Kapitalleistung zwar nicht dem Wahlrecht des Bezugsberechtigten, aber dem des Anspruchsgegners unterliege, der Bezugsberechtigte jedoch Geschäftsführer und zunächst Mehrheitsgesellschafter, später sogar Alleingesellschafter des Anspruchsgegners sei.
Die Schuldnerin begehrt die Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung der beabsichtigten Rechtsbeschwerde. Diesen Antrag hat der BGH nun wegen mangelnder Erfolgsaussicht abgelehnt.
Die Gründe:
Die von der Schuldnerin beabsichtigte Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil die Frage der Pfändbarkeit der zur Einziehung überwiesenen Forderungen nicht entscheidungserheblich ist und keine Gründe ersichtlich sind, die zur Aufhebung des angegriffenen Überweisungsbeschlusses führen könnten.
Gegenstand des beabsichtigten Rechtsbeschwerdeverfahrens ist ausschließlich der zugunsten des Gläubigers ergangene Überweisungsbeschluss vom 6.3.2017. Mit diesem Beschluss hat das AG - Vollstreckungsgericht - die mit Beschluss vom Februar 2016 gepfändeten Forderungen dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen und damit durch staatlichen Hoheitsakt nach § 835 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 ZPO verwertet. Die Überweisung der gepfändeten Forderung zur Einziehung setzt als Hoheitsakt die öffentlich-rechtliche Beschlagnahme des Pfandgegenstandes (Verstrickung) voraus. Deshalb gehört eine wirksame Pfändung der Forderung zum Tatbestand der Überweisung.
Wirksam ist eine Pfändung, wenn sie nicht nichtig ist, das heißt unter einem besonders schweren und bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundigen Fehler leidet. Liegen derartig schwere Fehler nicht vor, ist eine Vollstreckungshandlung als staatlicher Hoheitsakt wirksam, auch wenn sie bei richtiger Sachbehandlung hätte unterbleiben müssen. Ihre Fehlerhaftigkeit führt lediglich dazu, dass sie auf entsprechenden Rechtsbehelf wieder aufzuheben ist. Solange die Fehlerhaftigkeit nicht durch die dafür zuständige Stelle festgestellt ist, müssen die im Namen des Staates getroffenen Entscheidungen beachtet und befolgt werden.
Auf dieser Grundlage geht die Rechtsprechung davon aus, dass ein Pfändungsbeschluss nichtig ist, wenn der Schuldner nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegt, das unzuständige Vollstreckungsorgan gehandelt hat, schon der äußeren Form nach ein Vollstreckungstitel nicht vorliegt, wesentliche Förmlichkeiten des Vollstreckungsaktes nicht eingehalten wurden oder die gepfändete Forderung dem Schuldner gegen den Drittschuldner nicht zusteht.
Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts ist kein Grund ersichtlich, warum der Pfändungsbeschluss vom Februar 2016 nichtig sein sollte. Allein in der Nichtbeachtung von Pfändungsschutzvorschriften liegt kein besonders schwerer und offenkundiger Fehler des Vollstreckungsverfahrens. Es ist deshalb für die beabsichtigte Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens unerheblich, ob, wie die Schuldnerin meint, zu ihren Gunsten § 851c ZPO Anwendung findet. Unabhängig von dieser Rechtsfrage hätte daher das Beschwerdegericht den Pfändungsbeschluss beachten müssen. Es ist deshalb für die beabsichtigte Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens ebenfalls unerheblich, ob der Schuldnerin die Möglichkeit offensteht, eine Erinnerung gegen den Pfändungsbeschluss nach § 766 Abs. 1 ZPO zu erheben.
Soweit das Beschwerdegericht darauf abstellt, dass ein ohne Anhörung des Schuldners ergangener und gegen ein Pfändungsverbot verstoßender Pfändungsbeschluss keine materielle Wirkung entfalten und deshalb nicht zur Verstrickung der Forderung führen könne, liegt diese Erwägung neben der Sache. Denn die Überweisung einer gepfändeten Forderung zur Einziehung stellt keine materielle Wirkung der Pfändung dar, sondern die im formellen Vollstreckungsverfahren erfolgende hoheitliche Verwertung der gepfändeten Forderung. Es kann deshalb im Zwangsvollstreckungsverfahren dahingestellt bleiben, ob und inwieweit in einem Einziehungsprozess des Gläubigers der Einwand einer Unpfändbarkeit berücksichtigt werden könnte.
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Die Schuldnerin war Geschäftsführerin der D.S. GmbH (nachfolgend: GmbH), deren Mehrheitsgesellschafterin und später Alleingesellschafterin sie war. Der Gläubiger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der GmbH.
1995 gewährte die GmbH der Schuldnerin eine Altersrente und eine Hinterbliebenenrente. Die GmbH behielt sich vor, nach Eintritt des Versorgungsfalls anstelle einer laufenden Rente eine Kapitalabfindung zu leisten. Die GmbH behielt sich des Weiteren vor, zur Absicherung der ihr aus der Versorgungszusage erwachsenden Verpflichtungen eine Rückdeckungsversicherung abzuschließen, aus der sie allein bezugsberechtigt ist. Hierzu erteilte die Schuldnerin ihre Zustimmung. Dementsprechend vereinbarte die GmbH mit einem Lebensversicherer den Abschluss einer Kapitalversicherung mit der Schuldnerin als versicherter Person. Nach den Vereinbarungen ist die Versicherungssumme im Falle des Todes der Schuldnerin, spätestens jedoch beim vereinbarten Ablauf fällig; ein Rentenwahlrecht bestand nicht. Außerdem schlossen die GmbH und die Schuldnerin in Bezug auf die Rückdeckungsversicherung eine Verpfändungsvereinbarung und zeigten diese dem Lebensversicherer an.
Im Februar 2016 erging auf Antrag des Gläubigers ein Pfändungsbeschluss, wonach die Ansprüche der Schuldnerin aus der Versorgungsanzeige der GmbH und das Pfandrecht der Schuldnerin an der vorbezeichneten Rückdeckungsversicherung einschließlich des Auszahlungsanspruchs und des Rechts zur Kündigung gepfändet wurden.
Im Januar 2017 hat der Gläubiger den Erlass eines Überweisungsbeschlusses zum Pfändungsbeschluss beantragt, den das AG - Vollstreckungsgericht - mit Beschluss vom 6.3.2017 erlassen hat. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Schuldnerin ist erfolglos geblieben.
Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde zugelassen. Die Rechtsbeschwerde sei wegen grundsätzlicher Bedeutung hinsichtlich der Frage zuzulassen, ob § 851c Abs. 1 Nr. 4 ZPO einen Pfändungsschutz ausschließe, wenn die Zahlung einer Kapitalleistung zwar nicht dem Wahlrecht des Bezugsberechtigten, aber dem des Anspruchsgegners unterliege, der Bezugsberechtigte jedoch Geschäftsführer und zunächst Mehrheitsgesellschafter, später sogar Alleingesellschafter des Anspruchsgegners sei.
Die Schuldnerin begehrt die Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung der beabsichtigten Rechtsbeschwerde. Diesen Antrag hat der BGH nun wegen mangelnder Erfolgsaussicht abgelehnt.
Die Gründe:
Die von der Schuldnerin beabsichtigte Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil die Frage der Pfändbarkeit der zur Einziehung überwiesenen Forderungen nicht entscheidungserheblich ist und keine Gründe ersichtlich sind, die zur Aufhebung des angegriffenen Überweisungsbeschlusses führen könnten.
Gegenstand des beabsichtigten Rechtsbeschwerdeverfahrens ist ausschließlich der zugunsten des Gläubigers ergangene Überweisungsbeschluss vom 6.3.2017. Mit diesem Beschluss hat das AG - Vollstreckungsgericht - die mit Beschluss vom Februar 2016 gepfändeten Forderungen dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen und damit durch staatlichen Hoheitsakt nach § 835 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 ZPO verwertet. Die Überweisung der gepfändeten Forderung zur Einziehung setzt als Hoheitsakt die öffentlich-rechtliche Beschlagnahme des Pfandgegenstandes (Verstrickung) voraus. Deshalb gehört eine wirksame Pfändung der Forderung zum Tatbestand der Überweisung.
Wirksam ist eine Pfändung, wenn sie nicht nichtig ist, das heißt unter einem besonders schweren und bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundigen Fehler leidet. Liegen derartig schwere Fehler nicht vor, ist eine Vollstreckungshandlung als staatlicher Hoheitsakt wirksam, auch wenn sie bei richtiger Sachbehandlung hätte unterbleiben müssen. Ihre Fehlerhaftigkeit führt lediglich dazu, dass sie auf entsprechenden Rechtsbehelf wieder aufzuheben ist. Solange die Fehlerhaftigkeit nicht durch die dafür zuständige Stelle festgestellt ist, müssen die im Namen des Staates getroffenen Entscheidungen beachtet und befolgt werden.
Auf dieser Grundlage geht die Rechtsprechung davon aus, dass ein Pfändungsbeschluss nichtig ist, wenn der Schuldner nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegt, das unzuständige Vollstreckungsorgan gehandelt hat, schon der äußeren Form nach ein Vollstreckungstitel nicht vorliegt, wesentliche Förmlichkeiten des Vollstreckungsaktes nicht eingehalten wurden oder die gepfändete Forderung dem Schuldner gegen den Drittschuldner nicht zusteht.
Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts ist kein Grund ersichtlich, warum der Pfändungsbeschluss vom Februar 2016 nichtig sein sollte. Allein in der Nichtbeachtung von Pfändungsschutzvorschriften liegt kein besonders schwerer und offenkundiger Fehler des Vollstreckungsverfahrens. Es ist deshalb für die beabsichtigte Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens unerheblich, ob, wie die Schuldnerin meint, zu ihren Gunsten § 851c ZPO Anwendung findet. Unabhängig von dieser Rechtsfrage hätte daher das Beschwerdegericht den Pfändungsbeschluss beachten müssen. Es ist deshalb für die beabsichtigte Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens ebenfalls unerheblich, ob der Schuldnerin die Möglichkeit offensteht, eine Erinnerung gegen den Pfändungsbeschluss nach § 766 Abs. 1 ZPO zu erheben.
Soweit das Beschwerdegericht darauf abstellt, dass ein ohne Anhörung des Schuldners ergangener und gegen ein Pfändungsverbot verstoßender Pfändungsbeschluss keine materielle Wirkung entfalten und deshalb nicht zur Verstrickung der Forderung führen könne, liegt diese Erwägung neben der Sache. Denn die Überweisung einer gepfändeten Forderung zur Einziehung stellt keine materielle Wirkung der Pfändung dar, sondern die im formellen Vollstreckungsverfahren erfolgende hoheitliche Verwertung der gepfändeten Forderung. Es kann deshalb im Zwangsvollstreckungsverfahren dahingestellt bleiben, ob und inwieweit in einem Einziehungsprozess des Gläubigers der Einwand einer Unpfändbarkeit berücksichtigt werden könnte.
Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts besteht schließlich kein Anlass zu der Annahme, dass der Überweisungsbeschluss an einem Vollstreckungsmangel leiden könnte.